CTOUR on Tour: Zwischen Nordpol-Umrundung und Kreuzfahrten zu Lande, zu Wasser und in der Luft

So ganz gewöhnlich ist es ja nicht, dass ein CTOUR-Mitglied über sechs Monate im Jahr unterwegs ist. Aber als Schifffahrts- und Reisejournalist bringt man es eben auf solche Zeiten, denn „von nichts kommt nichts!“, sagte meine Mutter immer. Will sagen: ohne Moos nix los, eine Binsenweisheit, die allerdings Ansprüche stellt. Denn Reportagen werden selten am häuslichen Schreibtisch produziert, sondern draußen in der Welt. Als Chefreporter vom „SeereisenMagazin“ , Ressortleiter von „an Bord“ und als Buchautor fühle ich mich dem schon seit vielen Jahren verpflichtet.

Auch weil Reisen für mich angewandte Geografie ist, die ich mal in Berlin studiert und mit zwei Staatsexamen sowie einer geomorphologischen Promotion über arktische Küsten an der Greifswalder Uni abgeschlossen habe.

Von TXL nach TXL über den Nordpol
Von TXL nach TXL über den Nordpol

Heiß-kalte Kontraste
Im Januar 2013 ging´s gleich richtig los: von Argentinien via Feuerland in die Antarktis. Eine meiner Lieblings-Regionen, weil sie eine grandiose Natur bietet und touristisch noch wenig strapaziert ist. Genauso wie Patagonien, das man unbedingt vorher erkunden sollte.
Rund Kap Hoorn – mit Anlandung! – ging es durch die Maghellan-Straße, den Beagle-Kanal und die Chilenischen Fjorde nach Chile. Meiner Meinung nach schöner als Norwegen, weil die Route wahrhaft spektakuläre Aussichten bietet und fast menschenleer ist. Pause in Chile mit Stationen in Puerto Montt, Valparaiso und Santiago. Auch ein Teilstück auf der „Traumstraße der Welt“ gehörte dazu.
In Callao, dem Hafen von Peru, wurde das Schiff gewechselt, nicht ohne vorher die Hauptstadt Lima und ihre Region erkundet zu haben. Übrigens völlig problemlos, wenn man sich bemüht, ein paar spanische Brocken zu lernen.

Der Autor mit Kapitän (li.) und First Officer vor einem LH-Cargo-Flieger in Frankfurt/Main
Der Autor mit Kapitän (li.) und First Officer vor einem LH-Cargo-Flieger in Frankfurt/Main

Von nun an dampften wir nach Norden, legten in Häfen von Ecuador, Costa Rica, Guatemala und Mexiko an, besuchten San Diego, Los Angeles, San Franzisco und Seattle. Natürlich verbunden mit diversen Landausflügen. Auch wenn ich schon einige Male dort war, reizen immer wieder Natur, Kultur und Veränderungen seit dem letzten Besuch. Aber auch Gespräche mit Touristikern vor Ort, wobei die US-amerikanischen Kollegen sich als äußerst kooperativ erwiesen haben. So war es möglich, jeweils innerhalb eines Tages ein Optimum an Erlebnissen und Eindrücken zu bekommen sowie hinter die Kulissen zu schauen. „Normale“ Ausflügler kommen selten in den Genuss.
„Endhafen“ war dann die kanadische Westküsten-Metropole Vancouver. Ein absolutes Muss!
Um nicht fliegen zu müssen, sind wir auf die Bahn umgestiegen. THE CANADIAN ist eine Legende: über 4000 Kilometer durch Rocky Mountains und Prärie bis nach Toronto am Ontario-See. Auch hier wieder Pause, wobei die Niagara-Fälle auch zum Besuchsprogramm gehörten.

Fliegerischer Leckerbissen
Dann noch ein „kurzer Hüpfer“ über den Atlantik und Stralsund hatte uns wieder.
In Nordeuropa herrschte noch tiefster Winter. Das ist für mich das Signal, um – the same procedure as every year – eine Eisreise per Frachter zu unternehmen.
Diesmal war der schwedische Mälarsee das Ziel, der im März noch völlig erstarrt war. Auf dem gegenüber liegenden Vänern See war ich mal im Sommer, aber der Mälaren fehlte mir noch in meiner Sammlung. Es war bitter kalt und sehr stürmisch, aber ein absoluter Eis-Genuss.
Kontrastprogramm während einer Kreuzfahrt zu den Kapverden, Kanaren und nach Madeira. Hier gab´s Wärme satt und keinen Sturm, aber Inselerlebnisse zum Träumen.
Bis es mal wieder nach Berlin-Tegel ging. Auf dem Programm diesmal ein fliegerischer Leckerbissen: in sechs Stunden zum Nordpol mit Umrundung sowie Rückflug über ein fantastisch wolkenfreies Nordost-Grönland und Island zurück nach TXL. Die längste Non-Stop-Strecke von Berlin nach Berlin. Mit unglaublichen Blickgenüssen. Sogar Stralsund und unser Heilgeistkloster konnte ich aus 12.000 Meter Höhe bestaunen. Schon zum zweiten Mal aus dieser Perspektive. 1990 stand ich zum ersten Mal – auch als erster deutscher Journalist – auf diesem magischen Punkt, zum dem mich damals ein russische Atomeisbrecher brachte.

Mit einem Hausboot an der Glienicker Brücke
Mit einem Hausboot an der Glienicker Brücke

Zurück nach Meck-Pomm: Eine Hausboot-Überführung nach Potsdam stand an, immer wieder ein Erlebnis, auch wenn ich das schon ein paar Dutzend Mal gemacht hatte. Skipper auf so einem 15-Meter-Teil zu sein, ist schon ein Erlebnis!
In Stralsund gab‘s Anfang Mai ein besonderes Ereignis: der Anlauf des für Sundmaße größten Kreuzfahrtschiffes MS Fram, wobei ich an den Vorbereitungen maßgeblich beteiligt war – als offizieller Kreuzfahrtberater der Hansestadt.

Seele baumeln lassen
Nach einer meiner letzten Flusskreuzfahrten auf einem in Stralsund gebauten 135-Meter-Schiff reizte mich die Main-Region besonders. Zu Wasser, Land und in der Luft konnte ich diese schöne Ecke Deutschlands erkunden. Wobei man die Erkenntnis gewinnt nach einigen Weltumrundungen, dass Deutschland immer noch viele „weiße Flecken“ für mich aufweist.
Und wieder ging´s zurück nach Norden – auf das nächste Hausboot. Bevor die Saison begann und damit schon regelrechte Staus auf der mecklenburgisch-brandenburgischen Kleinseenplatte. Bis zu vier Stunden Wartezeit muss man dann einkalkulieren. Das ist kein Spaß mehr, sondern Stress pur. Muss ich mir nicht antun!

Unser Traumhäuschen auf Mön
Unser Traumhäuschen auf Mön

Pause mit meiner Frau Rosemarie auf unserer dänischen Lieblingsinsel Mön, in einem kuscheligen Fischerhaus direkt an der Ostsee. Hier kann ich die Seele baumeln lassen und wieder Kraft sammeln für neue Unternehmungen. Wie zum Beispiel der anschließenden Reise mit einem Bulkcarrier von Dänemark nach Schweden, wo 20.000 Tonnen Erz für ein Stahlwerk in Bremen geladen wurden. Spannend war mit diesem großen Teil auch die Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal, obwohl ich ihn schon x-Mal durchfahren habe, auch schon als Seemann und sogar mit dem Segelschulschiff GORCH FOCK (II). Woran ich mich nicht so gerne erinnere, denn Weihnachten stand vor der Tür, unsere Mädels auf der Pier und wir durften in den Schleusen keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen. Das war nur ein klitzekleiner Teil einer harten Schule. Im Gegensatz zu heute!

Jungfräuliches Revier
Ein mökki steht im Wald – ein kleines finnisches Blockhaus mit Sauna natürlich, auch alle Jahre wieder. Der Dreiklang von Wasser, Wald und Fels lockt seit über 30 Jahren unwiderstehlich. Und die Ferne zur Zivilisation. Neben meiner Frau Rosemarie, die in Suomi malt und schreibt, ist auch mein Kajak PERO immer dabei, mit dem ich die Seen erkunde.
Wieder ein Kontrastprogramm, dieses Mal auf der Donau: ein neues Kreuzfahrtschiff war zu testen zwischen Passau und Budapest. Wobei mir die Donau nach wie vor gefällt, trotz der Masse von Schiffen, die inzwischen dort verkehren. Von der Donau an die Ostsee, und zwar nach Danzig. Dort lag ein Flusskreuzfahrtschiff, das zuvor – als einziges – auf der Route Danzig-Frisches Haff-Königsberg verkehrte. Nun sollte es weichselabwärts über See nach Swinemünde überführt werden. Neben zwei befreundeten Lotsen war auch ich als gemusterter Matrose (und natürlich Journalist) mit Kapitänspatent dabei. Die viertägige Wartezeit an Mottlau und Weichsel nutzen wir zu ausgedehnten Erkundungen der Region bis zur Spitze der Halbinsel Hela. Auch polnische Gastronomie und Getränke standen auf unserem Plan. Ich blieb gleich in Polen, um eine Premierenreise auf den Flüssen Netze und Warthe per Hausboot zu unternehmen. Ein absolut jungfräuliches Revier mit kaum vorhandener Infrastruktur, aber einer traumhaften Natur.

Im Luftsprung von dort auf die grüne Insel – nach Irland, wo ein Hausboot-Törn auf dem Shannon anstand. Land und Leute faszinieren mich immer wieder. Nicht nur die Getränke.
Im Herbst musste es noch mal Mön sein, unsere Trauminsel. So viele Hühnergötter, wie wir dort finden, bringen immer wieder Glück, man muss nur fest dran glauben. Auch daran, so oft wie möglich wiederzukommen.

Der Keenich lässt grießen
Dann sollte auch mal wieder eine Frachter-Reportage sein. Königsberg – „Keenich“ sagen mittlerweile viele Russen – stand auf dem Programm. Aber so einfach war das nicht, wie man sich das so denkt. Mit Seefahrtsbuch kommt man ohne Visum ins Land, so die internationale Regel. Doch daran halten sich „die Organe“ nicht und drohten mit Arretierung, Geldstrafen in dreistelliger Höhe und Charterende. Tourismus unerwünscht! Kennt man das nicht noch aus tiefroten Zeiten? Ich verzichtete und suchte mir beim Ankern vor Brunsbüttel ein anderes Schiff. Statt nach „Keenich“ ging´s nach Finnland – mit einer netten russischen Besatzung. Der Kapitän schüttelte nur den Kopf und meinte: „Da hat sich auch gar nichts geändert!“
Der November bescherte mir ein ganz besonderes Flugerlebnis: mit einer MacDonnel-Douglas MD-11F. Mit diesem dreistrahligen fliegenden Frachter ging ich in die Luft – von Frankfurt nach Sharjah/Dubai-Hong-Kong-Almaty/Kasachstan. Eine Woche im Cockpit hautnah dabei. Ein Riesenerlebnis (nachzulesen im CTOUR Report auf dieser Website).
Auch die anschließende Frachterreise – wieder mit freundlicher russisch-ukrainischer Besatzung – von Genua via Neapel nach Haifa und über Marseille zurück nach Genua. Das erste Mal im „Heiligen Land“, um das ich bisher immer einen großen Bogen geschlagen hatte. Und ich war von Menschen, Geschichte und Landschaft angenehm überrascht. Nicht nur, weil Weihnachten vor der Tür stand. Da fahre ich noch mal hin!
Rechtzeitig zum Jahresende – mit einer 25-Länder-Jahres-Reise-Bilanz – war ich dann schließlich wieder zu Hause. Im Stralsunder Heilgeistkloster mit Hafen- und Sundblick warteten nicht nur meine Frau Rosemarie, sondern auch die nächsten drei Buchprojekte (bei 15 schon vorhandenen) auf ihre Vollendung.

Heiliggeistkloster Stralsund, rechts unser Haus
Heiliggeistkloster Stralsund, rechts unser Haus

Fazit nach sechs Monaten
Was ist das Fazit von solchen Reisen, die – getreu Alexander von Humboldt, d e m Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts – für „Weltbewusstsein“ gesorgt haben: eine nie zu stillende Sehnsucht. Kein Geringerer als Christoph Kolumbus drückte es nach seiner ersten Atlantik-Überquerung 1492 am treffendsten aus: „Die Wirklichkeit überragt unsere Erwartungen und Wünsche“. Genau so habe empfinde ich das auch. Denn Reisen ist Leben und Leben Reisen für mich.
Ich wünsche mir, dass das auch 2014 so bleiben möge! Getreu dem weisen Spruch meiner Mutter, von der ich die Reiserei wohl irgendwie mitbekommen haben musste: „Ohne Gesundheit ist alles nicht!“ Toi, toi, toi!

Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther, H.-P. Gaul (1)