CTOUR-Buchtipp: Ostblick-Meine 16 Jahre mit Wirtschaft & Markt

Wie den Mitteilungen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vom Juni vergangenen Jahres zu entnehmen war, ist die Zahl der 2014 in Deutschland erschienenen Bücher deutlich zurückgegangen. „Nur“ 87.134 Erst- und Neuauflagen erblickten das Licht der Öffentlichkeit, der niedrigste Wert seit 10 Jahren. 2013 waren es noch 93.600 Titel. Um diesen Abwärtstrend im Jahre 2015 zu stoppen, hat Klaus George, Mitglied des Vorstandes von CTOUR, getan, was getan werden muss. Er hat – mit der freundlichen Unterstützung des Publizisten Peter Jacobs – ein Buch über seine 16 Jahre mit Wirtschaft & Markt geschrieben.
Titel Ostblick
Herausgekommen ist eine Dokumentation, in der authentisch „das wohl spannendste Kapitel der ostdeutschen Wirtschaft auf dem Weg aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft“ beschrieben wird. In einem gewissen Sinne ist die Publikation das Lebensbuch des Vollblut-Journalisten George. Nach 1989 konnte er endlich die Dinge so anpacken, wie er es für angemessen, klug und notwendig hielt. Im Nachhinein rutscht einem so ein Satz problemlos aus der Feder. Aber wie viel Wagemut gehörte damals (wie heute) dazu, sich ein herunter gekommenes „renovierungsbedürftiges Verbandsblatt“ zuzulegen, um es journalistisch auf Vordermann zu bringen, ein anspruchsvolles Magazin daraus zu machen. George wagte es – und gewann.

Zwei Eigenschaften zeichnen den einstigen Ressortleiter Wirtschaft/Wissenschaft der Neuen Berliner Illustrierten (NBI) aus, Risikobereitschaft und Selbstbewusstsein. Und die Lust am intellektuellen Abenteuer. Allein die Finanzierung des Unternehmens, nachzulesen auf den Seiten 38 bis 40, hätte einen braven Familienvater den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Die Übernahme von „Wirtschaft & Markt“ war ein Sprung ins Haifisch-Becken. Das Magazin der im Jahre 1990 frisch aus der Taufe gehobenen regionalen Unternehmerverbände der neuen Bundesländer musste sich mit Platzhirschen wie „Capital“, oder „Wirtschaftswoche“ messen.

Mit Vergnügen blickt der „Macher“ Klaus George auf lebenspralle 29.750 Seiten zurück. Das Blatt war bei der Übernahme „eine reine Textwüste“, so erfahren wir, „informativ zwar in Ordnung, aber staubtrocken“. Das sollte sich unter dem Illustrierten-Mann ändern. „Mir schwebte vor, für jede Ausgabe ein Titelgespräch mit einem Prominenten aus Politik und Wirtschaft zu führen sowie erfolgreiche ostdeutsche Unternehmer vorzustellen… Aber auch „die Freizeit- und Kulturbedürfnisse“ der überwiegend ostdeutschen Leserschaft sollten ihren Platz finden.

Seine Auslassungen zum Thema „Wie mache ich aus einer langweiligen Zeitschrift eine interessante“ geraten bei George zur unterhaltsamen Lektüre. Das Buch ist gut geschrieben, es liest sich stellenweise so spannend wie ein Krimi. Manche in Anekdotenform gekleidete Begegnung mit der ersten „Garde aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“ zeugt von der Akzeptanz, die sich die Zeitschrift im Laufe der Jahre erarbeitet hatte. „Jedes Gespräch besaß seine eigene Dynamik“, lesen wir bei George. „Wir spielten mit verteilten Rollen. Ich als Frontmann, der die Linie zu halten versuchte … Steffen Uhlmann, der Bissigere, der nicht locker ließ.“ Sieger und Verlierer kannten diese Kreuzverhöre nicht. Schiedsrichter war der einzig und allein der urteilsfähige Leser, „der sich selbst sein Trefferbild zusammenstellen“ konnte. – Mehr als 160 W&M-Gespräche fanden in sechszehn Jahren statt. Dem Rede- und Antwortspiel stellten sich u.a. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Manfred Stolpe, Wolfgang Schäuble, Helmut Kohl, Hilmar Kopper, Hans-Werner Sinn, Helmut Schmidt, Hans-Olaf Henkel.

Mit Reportagen über den unternehmerischen Alltag, mit Porträts, Glossen und Betrachtungen wurden die unterschiedlichsten journalistischen Stilmittel eingesetzt, um Abwechslung ins Heft zu bringen. Mit ihren regelmäßigen Kolumnen sorgten Klaus von Dohnanyi und Heiner Flassbeck für Meinungsstreit und Zunder.

Bemerkenswert ist die Optik des grafisch gut gestalteten Buches. Ein interessanter Bildteil ergänzt den Inhalt. Hut ab vor der konzeptionellen Klarheit, mit der dem gewaltigen Stoff der Schneid abgekauft wurde.

16 Jahre Wirtschaft & Markt… Klaus George zieht Bilanz und bekennt: „Der Rückblick macht die Feder leichter. Da bleibt Stolz auf empfangenes Lob nicht abzuwägen, alter Argwohn nicht zurückzuhalten, und auch ein bisschen abwehrendes Gift darf raus – Hinterlassenschaft erlittener Verletzungen.“ – Fazit: Ein lesenswertes Buch, das dem Bild „vom Werden der deutschen Einheit einen weiteren Mosaikstein hinzufügt.“