CTOUR on Tour: 50 Jahre, zwei „Kümonauten“ und ein Schiff

Küstenmotorschiff MS FREDO im Nord-Ostsee-Dauereinsatz
Die meisten Schiffe steuern den Seehafen Rostock an. Nicht jedoch MS FREDO. An diesem stürmischen Herbsttag hat sich der Frachter hinter dem knallroten Tanker-Neubau CORAL ENERGICE versteckt, der auf der Neptun-Werft fertiggestellt wird.

„Caterpillar“ steht in großen Lettern an der Wand einer benachbarten Werkshalle: der Auftraggeber für die Ladung des Küstenfrachters. Er trägt als einziger den Heimathafen „Stralsund“ am Heck, während im Mast das rote hansestädtische Tuch flattert.

Flexibel auf den Markt reagieren
Kapitän Willem Blanck freut sich über die Fracht: „Das ist schnell erledigt, sauber und bringt gutes Geld“. Gemeint sind die drei Teile eines Motoren-Katalysators, die gerade mal 5,7 Tonnen wiegen. Ein Leichtgewicht gegen 1600 Tonnen Raps oder Getreide, was sonst von polnischen oder vorpommerschen Häfen allwöchentlich in das große Agravis-Futtermittelwerk nach Oldenburg an der Hunte gefahren wird. Das staubt und braucht jeweils einen ganzen Tag zum Laden und Löschen.

MS FREDO bei Rendsburg im Nord-Ostsee-Kanal.

Luken dicht! Schon am späten Vormittag steckt FREDO seine Nase in die bewegte See vor Warnemünde. Der Kurs ist direkt abgesetzt auf die Südspitze der Insel Fehmarn. „Mit dem geringen Tiefgang können wir schon mal außerhalb der Schifffahrtsroute fahren“, erklärt Willem Blanck, „das spart Zeit, Sprit und letztlich Geld“.

Bernd (l,) Willem Blanck in der Messe beim Abendessen.

Darauf müssen er und sein Bruder Bernd – beide sind zu gleichen Teilen Eigner der Partenreederei MS FREDO und wechseln sich mit dem Borddienst ab – besonders achten, um einen profitablen Betrieb zu führen. Unterm Strich sind das seit Gründung der Firma 1967 durch ihren Vater im November 2017 50 Jahre. Damals fing Klaus Blanck, der das Seemannshandwerk von der Pike auf lernte und Vorbild für die Söhne war, mit einem 180-Tonnen-Schiff an. Das wurde nach den 1964 und 1967 geborenen Kindern BERND-BIRGIT benannt.

MS FREDO in bewegter See.

Die Folgedampfer sollten immer einen Tick größer und moderner werden. Womit man auch auf die veränderten Anforderungen des Marktes reagieren konnte, selbst in stürmischen Zeiten, als andere Reedereien reihenweise in die Pleite fuhren. Auf den Markt muss daher flexibel reagiert werden. „Zu Vaters Zeiten“, erinnert sich Willem, „machte man das noch per Handschlag, „weil das immer so war“. Heute indes bestimmen rein ökonomische Faktoren gnadenlos, welchen Weg die Ladung nimmt.
Das dritte Schiff schließlich war 1980 die WILLEM B, womit auch der jüngste Sohn „sein“ Schiff erhielt.

Der philippinische Matrose mit der Stralsund-Flagge.

Wirtschaftliche Vorteile mit Dauerauftrag
Mit der FREDO ist man jetzt beim achten Kümo angelangt. Entsprechend nennen sich die beiden Kapitäne auch scherzhaft „Kümonauten“. Die Maße des Schiffes sind ideal für ihr Fahrtgebiet zwischen Nord- und Ostseehäfen. Als Neubau war es für die Papierfahrt konzipiert worden, so dass die Reisen auch in den finnischen Saimaa See führten. Im gleichnamigen Kanal dorthin sind nur Schiffe mit den Maximalabmessungen der FREDO erlaubt. Heute befährt sie als größter Seeschiffstyp vollbeladen den kleinen Fluss Hunte hinauf nach Oldenurg/i.O. Ein enormer wirtschaftlicher Vorteil, der sich quasi in einem Dauerauftrag des Auftraggebers Agravis niederschlägt.

Tim Andresen (l.) und Kapitän Willem Blanck.

Zwischendurch ist immer mal wieder auch „Luft“ für den lukrativen Transport von Dieselmotoren zwischen dem Rostocker und Kieler Caterpillar-Werk. Der erspart dann auch den ermüdenden 97 Kilometer langen Weg durch den Nord-Ostsee-Kanal. Da die Gebrüder Blanck Kanal-Freifahrer sind – nach entsprechenden Fahrten unter Lotsberatung und einer Prüfung -, sparen sie auch diese Kosten, müssen dafür aber die ganze Zeit am Ruder stehen. Steuermann Tim Andresen aus Maasholm bei Kappeln ist noch nicht so weit, dass er das könnte und dürfte. Die beiden Blancks können daher schon auf einige tausend Kanalpassagen zurückblicken. „Meistens fahren wir da nachts durch“, sagt Willem, „das ist nicht so prickelnd“. Womit er den ständigen Schlafmangel meint, der ihn in der nächsten Nacht mit Kurs auf Swinemünde wieder erwartet.
An diesem Tag jedoch kommt es nicht dazu, weil die philippinische Dreimann-Crew FREDO schon nach zehn Stunden an der Pier des Caterpillar-Werkshafens in Kiel-Friedrichsort festmachen kann. „Das gibt eine ruhige Bauernnacht!“, strahlt Tim. Darum gönnen sich die Männer ein Feierabend-Bier und schnacken über vergangene und zukünftige Zeiten. Für letztere kann man den „Kümonauten“ nur allzeit einen vollen Laderaum sowie gute Fahrt wünschen!

Infos:
MS FREDO
Bauwerft: Schiffswerft Hugo Peters, Wewelsfleth/Stör
Baujahr: 2/1985; Bau-Nr.: 607
Flagge: Deutschland
Taufname: PREMIERE (bis 2002), danach MONTIS , ab 1. Mai 2010 FREDO
Abmessungen: Länge: 82,45 m, Breite: 11,33 m, Tiefgang (max.): 3,43 (Typ Saima/Vänern-max, da der Frachter früher jahrelang zu den finnischen Seen unterwegs war); 1 Luke (3105 Kubikm. Schüttgut); eingerichtet für Container-Transport: 46 TEU, verstärkt für Schwergutladung; BRZ: 1649, Tragfähigkeit: 1829 tdw, Ladetonnen: 1700 Tonnen; Displacement (Ladetonnen und 865 t Schiffsgewicht): 2694 t; Maschine: MWM, Typ TBD 440-6K, 441 kW (700 PS), Geschwindigkeit (max.): 10,6 kn; GL-Klasse: GL+100 A4 MEG; Crew (max.): 7; Passagiere: 1 Einzelkammer (Bad/WC/Dusche gemeins. mit 1. Offizier), breite Koje, Schrank, Sitzecke, Tisch, Stuhl, Schubfächer, Sat.-TV, Waschmaschine/Trockner können mitbenutzt werden); Brücke und Maschinenraum stehen dem Gast jederzeit offen; Preis (inkl. Vollpension): 60 Euro/Tag
Info/Buchung:
Tel.: 0171 2111839 (W. Blanck)
E-Mail: fredo@gmx.info

 

Fotos: Peer Schmidt-Walther