CTOUR on Tour: Baden wie die Erzherzöge

Bei dem Begriff Italienische oder französische Rivera sieht man Palmen, Meer und Yachten vor sich. Das es eine österreichische Rivera gibt, ist mit Verlaub gesagt, kaum jemand geläufig, der nicht einen Urgroßvater aus der K&K Zeit hat. In der österreichisch- ungarischen Monarchie dachte man groß und baute entsprechend.

Opatija Foto: Michael Bernleitner
Opatija
Foto: Michael Bernleitner

Istrien war ein Teil des Großreichs. Als man 1884 in Wien die kroatische Kleinstadt Opatija (Abbazia)am Reisbrett skizzierte, hatte man Nobelorte wie Monaco, Nizza und San Remo vor Augen. Den Luxus unterstrich man mit überdimensionalen Prunkgärten und Endlospromenaden.

Kaiser-Franz-Josef-Promenade Foto: ART Petr Blaha
Kaiser-Franz-Josef-Promenade
Foto: ART Petr Blaha

Die Aktiengesellschaft der Südbahn baute die Bahnstrecke von Wien bis ans Meer nach Rijeka und schuf gleich noch den Handelshafen dazu. Das gleiche Konsortium erstellte Villen wie Reihenhäuser in allen Größen und Luxusvarianten. Oder Schlösser im Auftrag reicher Adeliger, die alle zu der Zeit erdenklichen Wünsche erfüllten.

 

 

Kamelienblüte
Kamelienblüte

Die Kamelie spielte als Luxusblüte eine besondere Rolle. Der 1848 in Paris erschienene Roman von Alexandre Dumas bewegte Jahrzehnte die Gemüter. Die Geschichte der Kurtisane Marie Duplessis, bekannt als „Kameliendame“, wurde als Bühnendrama hoch gefeiert und diente Verdi als Stoff für die Oper La Traviata.
Es gab eine französische und eine italienische Kamelie. Jede Riviera züchtete ihre Sorten. Die österreichische „Rubia Simplex“ kam sogar ins Stadtwappen von Opatija. Man pflanzte hunderte von Sträuchern, die Damen steckten sich die Blüten ins Haar und ins Dekolleté. Sie glaubten mit der Blume zwischen den Brüsten verführerisch wie die Romanheldin zu sein.
Die Blütezeit von Abbazia dauerte 30 Jahre. Von 1885 bis zum Beginn des ersten Weltkriegs. Mit der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung wurde es still um die „Kamelionie“. Die Büsche wurden zu mächtigen Baumkronen, aber kaum einer flanierte noch mit einem Sonnenschirmchen unter ihnen.

Die rote Nelke kam ins Spiel. Sie war billiger und wuchs an allen Ecken. Als progressives Widerstandssymbol des fortschrittlichen Proletariats landeten sie in den Knopflöchern der Funktionäre.
Österreich verlor Kroatien im ersten Weltkrieg. Die Villen hatten im kommunistisch geprägten Jugoslawien keine Anziehungskraft. Die Schlösser wurden in kleine Wohnungen zerteilt und fielen zu Pfenningspreisen der Bevölkerung zu. Zum Glück ging der Hotelbauboom der sechziger und siebziger Jahre – zu Zeiten, wo Istrien eine der beliebtesten „Badewannen Europas“ war – an dem dekadenten Opatija fast spurlos vorüber.
In den neunziger Jahren wurden die Villen von wohlhabenden Privatiers zurückgekauft, viele in edle Hotels verwandelt. Für das romantische Flair schien die hundertjährige Pause ein Windhauch gewesen zu sein.

Villa Neptun am Abend
Villa Neptun am Abend

Heute sind es weniger die Aristokraten, aber die Honoratioren und  besonders die aus Österreich, die sich in Opatija majestätisch verwöhnen lassen.
Das ehemalige Schloss Neptun hat man umbenannt in Miramar, nach dem Erzherzogschloss in Triest von Ferdinand Maximilian von Habsburg, dem  Bruder von Kaiser Franz Joseph.
Das Hotel Miramar schließt an die K&K Kurtradition an.
„Essen wie Gott in Abbazia“ ist pure Liebe, die durch den Magen geht. Spätestens beim österreichischen Nachspeisebufett von Marillenknödeln über Kaiserschmarrn zu Palatschinken mit Nuss, Waldbeermarmelade und Pistaziensplittern schmilzt der letzte verzauberungsresistente Gast.

Abendstimmung
Abendstimmung

Nachts hört man Wellenrauschen, morgens singen die Vögel. Der Garten ist voller Duftrosen und Zitrusbäumen. Aus allen Räumen blickt man aufs Meer. Im Spa salbt man mit hauseigenen Olivenöl und zärtlichen Händen die letzten Verspannungen hinweg. Yoga ist täglich für alle da.

Villa Neptun
Villa Neptun

Wer nicht nur am 12 km langen Franz Josephs-Kai flanieren möchte, kann die Prachtvillen vom Meer aus bestaunen. Lilly, die Vizedirektorin des Miramar, bittet dafür auf Papas hundert Jahre altes Schiff „Tornado Blue“. Ihr Mann Roni, der Kapitän, kocht gesund wie einst Oma. Die fangfrischen Fische kommen aus dem eigenem Netz, der goldgelbe Malvazija Weisswein von vier Kilometer weiter. Lilly erzählt über sagenumwobene Villen und Geschichten, die sie von Großmutter kennt, natürlich in österreichisch gefärbtem Deutsch.

Hotel Kvarner Palace Foto: ART RedaktionsTeam
Hotel Kvarner Palace
Foto: ART RedaktionsTeam

Sidestep zum Prunk
Es gab auch, etwas „dörflicher“, eine ungarische Rivera. Etwa 45 Kilometer südlich von Abbazia war man im Königreich Ungarn. Erzherzog Karl Josef Ludwig war der zweitälteste Bruder von Kaiser Franz Joseph. Sein Herz schlug für Ungarn. Er war der Initiator, der Crikvenica als ungarisches Pendant zu Abbazia aufbaute. Mit dem Spatenstich 1891 zum Luxushotels Therapia veränderte sich das Landleben. Zehn Jahre später wurde aus dem kleinen Dorf ein Luftkurort. Der Lungenspezialist Dr. Ebers wurde durch seine Heilerfolge eine Berühmtheit. Thomas Manns Zauberberg Sanatorium in den Bergen von Davos wird vergleichbar mit dem am Meer gelegen Therapia gewesen sein. Wer den Film „Grand Hotel Budapest“ kennt, stelle sich das gleiche Prunkgebäude mit Meerblick vor.
Kosten spielten, besonders wenn es um Prestige ging, in monarchischen Zeiten die zweite Geige. Auch hier baute man Gärten, Parks und Promenaden mit exotischen Bäumen und seltenen Blüten – zur Erbauung. Das Wort Wellness hieß Kur. Im Schnitt blieb man vier Wochen.
Man kurierte nicht nur körperliche Leiden, auch melancholische und gebrochene Herzen. Die Promenaden waren ein „get together“ der Adeligen und der Reichen. Vor 120 Jahren „simste“ man nicht, aber man morste schon. Bevor ein Fräulein ein Spitzentaschentuch, scheinbar absichtslos vor die Füße eines in Betracht gezogenen Herrn fallen ließ, hatte man schon erfahren, ob er „lohnenswert“ und familienpassend sei.
Heute heißt das ehrwürdige Therapia „Kvarna Palace“und ist in österreichischer Hand. Den einstigen Prunk stellte man originalgetreu nach . Die Gartenanlagen wurde nach den alten Pläne angelegt.

Kvarner Palace Foto: ART RedaktionsTeam
Kvarner Palace
Foto: ART RedaktionsTeam

Ein Eintauchen in die Grandhotel-Zeiten, sich wie der Adel zu fühlen und die längst vergessenen Takte des Verwöhnens zu spüren, ist mit keinen Bewertungspunkten zu messen. Wenn der Kaffee mit Milch in feinen Kännchen auf weißen Damasttischdecken serviert wird, kann es sein, dass eine Stimme hinter ihren Rücken flüstert: „Möchten Sie die Milch warm?“ Auf geheime Wunscherfüllung ist man heute wie einst eingestellt.

Der puristische Kontrast
Drei Kilometer von Opatija entfernt, im kleinen Fischerort Volosko, liegt das fünfsternige Designobjekt Hotel Navis.
„Entweder man liebt es, oder hasst es, flach geht keiner weg“,
sagt Zoran Uzar, der Hoteldirektor. Er geht davon aus: „wer nicht vorwärts geht, verschwindet“.
Schnörkel sind verpönt. Der Komplex wirkt wie ein Mix aus Raum- und Kreuzschiff. Der Inhaber heißt mit Nachnamen Kapitanowitsch.
Von der Landstraße biegt man rechst ab, landet direkt am Dach. Der gesamte Bau ist in den Felsen gehauen. Der Fahrstuhl führt fünf Stockwerke tiefer in die Schaltzentrale der Rezeption. Die Empfangsdamen tragen schwarze Uniformen, mit Schulterklappen, wie Schiffsoffiziere. Auf dem Hemden der gastronomischen Geister des Hauses stehen die Großbuchstaben „CREW“.

Hotel Navis
Hotel Navis

Der erste Blick besticht. Nur  Klippen und die Meerswogen, gerade mal sieben Meter entfernt. „Das gleiche Staunen haben alle“, flüstert Zoran und verrät sein Erfolgsrezept: „An der Stelle beschreibe ich jeden ankommenden Gast, wie man einen perfekten ‚Navis-Tag‘ kreieren könnte: Sie bestellen ihren Lieblingskaffee und schauen aufs Meer. Lassen das Meeresrauschen meditativ auf sich wirken. Schauen, hören, und genießen die Meeresbriese. Ganz lange, bis der wirkliche Hunger kommt. Am immer entspannter werdenden Gesichtsausdruck und den lockeren Schultern kann ich erkennen, dass ein Gast nicht nur physisch, auch geistig angekommen ist und er ein inneres langezogenes ‚Yeees‘ sagt zu dem, was er erlebt. Dann ist die Zeit reif für Frühstück.“
Die Variationen von Broten wurden im Holzofen gebacken. Die Eier kunstvoll poschiert und mit Trüffel garniert. Auf den crepezarten Pfannkuchen kullern Walderbeeren. Dampfende Gemüsesüppchen, um im Magen Ruhe zu stimulieren. Den Luxus perfektionieren Austern auf Eis mit Zitronen von der Klippe nebenan.

Hotel Navis Fotos: V. Zickendraht
Hotel Navis
Fotos: V. Zickendraht

Ein Kompliment nimmt der Hoteldirektor lächelnd auf und ergänzt:
„Wir setzen in erster Linie auf die Eindruckskraft und die Heilung der Natur. Dann, in zweiter Linie, legen wir nach.“ Das Konzept gibt ihm recht: Spätestens, wenn das vom Fernsehkoch Nenad Posavac kreierte Dinner mit in weiße Schokolade getauchtem Wildspargel und einem Schluck Rosè Radovan ausklingt, glaubt der Gast, auf einem wonnigen Zukunftsschiff zu segeln.

Weitere Infos:
www.hotel-miramar.info
www.kvarnerpalace.info
www.hotel-navis.hr