CTOUR vor Ort: Wo Aliens landen, Pudel springen und die schöne Nofretete tanzt

Auch die neue Show „The Wyld“ im Friedrichstadt-Palast Berlin hat das Zeug, ein Touristenmagnet zu werden

So wie in Berlin an Regierungsgebäuden reihenweise Staatskarossen vorfahren, rollen allabendlich Touristenbusse vor den glitzernden Friedrichstadt-Palast. Europas größtes und modernstes Revuetheater ist mehr denn je Magnet für Bus- und andere Reisegruppen.

„Wir generieren mit Partnern aus dem touristischen Bereich über 60 Prozent unseres Umsatzes“, verrät Vertriebsleiter Thomas Schwemin. Also: Der weltberühmte Musentempel an der Friedrichstraße 107 mit über 700.000 Zuschauern jährlich profitiert einerseits vom anhaltenden Gästeboom der Hauptstadt und trägt aber auch selbst durch seine eigenen attraktiven Shows sowie durch hochkarätige Events zu den Berliner Touristenrekorden bei. Ein Besuch des traditionsreichen, samt Vorgängern insgesamt 95 Jahre alten Unterhaltungstempels gehört eben für viele Berlin-Touristen zu einem Muß.

Am 23. Oktober 2014 war es wieder einmal soweit. Nach zwei Spieljahren mit der Erfolgsproduktion „Show Me“ – dieser Rhythmus ist jetzt Usus – hatte die neue Eigenproduktion des Hauses „The Wyld – Nicht von dieser Welt“ mit Standing Ovations umjubelten Start. Zur Medienpremiere einen Tag zuvor waren traditionell auch CTOUR-Journalisten eingeladen.

Mit einem Budget von über zehneinhalb Millionen Euro ist „The Wyld“ die bisher aufwendigste Produktion des renommierten Hauses in der Berliner City. Wieviel freilich von dieser beträchtlichen Summe in Werbung und PR gesteckt wurde, ist mir nicht bekannt. Übrigens, die hohe Erwartungshaltung des hiesigen und internationalen Publikums zeigt sich darin, dass bis zur Premiere bereits über 130.000 Tickets vorverkauft bzw. reserviert wurden.

Glamouröse Kostüme wie hier in der Szene "Schwarzes Öl" gehören zu den Aha-Effekten der Show.
Glamouröse Kostüme wie hier in der Szene „Schwarzes Öl“ gehören zu den Aha-Effekten der Show.

Gerade gelandete Aliens schleichen sich durchs Publikum auf die Bühne, vom Himmel schwebt eine Sängerin herab. Oben im Fernsehturm lebt eine scheue, sich zu Außerirdischen hingezogene Lady, die altägyptische schöne Königin Nofretete – eben aus der Museumsvitrine herausgetreten – tanzt quicklebendig mit dem Ballett. Zu bewundern sind Rasantes auf dem BMX-Rad und andere artistische Weltklasseleistungen, vom aufmerksam mitgehenden Publikum besonders stark beklatscht. Selbst neun phantastisch dressierte unterschiedliche Pudels aus Hoppegarten bei Berlin hüpfen und springen in dieser rasanten, abwechslungsreichen Show herum, sogar eine der leider wenigen Prisen Humor in den Abend bringend.

Damen vom Ballett-Ensemble mit dem Tanz "1000 Hands".
Damen vom Ballett-Ensemble mit dem Tanz „1000 Hands“.

 

 

 
Gecoacht von zehn Spitzenchoreographen, leistet das 60-köpfige Ballettensemble des Hauses furiose Herkulesarbeit, wobei natürlich die weltberühmte Girlreihe mit den 64 bezaubernd langen Beinen das mit besonders viel Beifall bedachte tänzerische Highlight darstellt. Nicht zuletzt sind es die vielfältigen, farbenprächtigen Kostüme – von sportiv bis glamourös -, die zu den Knalleffekten des Abends gehören. Doch halt, auch die überaus heutig klingende, dramaturgisch weitgehend stimmig eingesetzte Musik mit ihren Eigenkompositionen und überzeugendem Sound ist auf der Habenseite zu verbuchen, wobei die Lautstärke sicher nicht immer jedermanns Sache ist. Ein Song geht besonders ins Ohr – es ist die mit berührender weiblicher Stimme gesungene Ballade „Zwischen Himmel und Erde“; sie erklingt gleich zweimal am Abend und dürfte das Zeug haben, in Hitparaden aufzusteigen.

Equilibristik vom Feinsten: die vier Artisten von "White-Gothik" aus der Ukraine.
Equilibristik vom Feinsten: die vier Artisten von „White-Gothik“ aus der Ukraine.

Was die eigentliche Handlung betrifft, so könnte man im weitesten Sinne von einer kosmisch-irdischen Lovestory sprechen. Diesmal bildet der facettenreiche, aufregende, sicher auch herausfordernde „Großstadtdschungel“ Berlins mit seinen davon geprägten unterschiedlichsten Menschentypen den Stoff, aus dem der Palast die neue Show „The Wyld“ geschneidert hat. Das Kunstwort „Wyld“ leitet sich von „the wild“ als Natur, Wildnis, Dschungel ab. Produziert wurde das neue Spektakel, wie alle Erfolgsshows seit 2008, wiederum von Intendant Dr. Berndt Schmidt. Für ihn spiegelt die aktuelle Show das „Berlin-Gefühl des 21. Jahrhunderts“ wider. Gerade vor dem Hintergrund seiner wechselvollen Geschichte stehe Berlin heute für Freiheit und Toleranz. „Und The Wyld ist unsere künstlerische Essenz dieser ebenso wunderbaren wie sonderbaren Stadt.

This text is the co
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Der Kulturmanager Schmidt kam Ende 2007 vom Stage-Musicaltheater Stuttgart an die Spree und brachte seitdem, nachdem der Friedrichstadt-Palast wegen Besucherschwunds ziemlich ins Schlingern geraten war, auch künstlerisch frischen Wind hinein. Die bis dahin etwas hausbackenen, angestaubten Revuen hatten ausgedient – die Inszenierungen wurden frischer, moderner, zeitgemäßer, wie die letzten beiden Produktionen „Yma“ (2010) und „Show Me“ (2012) zeigten. Der Palast-Chef verpflichtete ein international hochkarätig besetztes Inszenierungsteam (Buch und Regie: Manfred Thierry Mugler und Roland Welke). Der Franzose Mugler, berühmter Designer, Fotograf und Parfum-Créateur, zeichnet zusammen mit dem Italiener Stefano Canulli auch für die Kostüme verantwortlich. Der Star-Choreograph Brian Friedmann aus den USA arbeitete bereits für Weltstars wie Beyoncé, Mariah Carey, Cher und Britney Spears.

Fazit: „The Wyld“ ist ein zeitgemäß zündendes Gesamtkunstwerk aus Tanz, Musik, Videokunst, Lichtdesign und Artistik auf der größten, diesmal futuristisch ausgestalteten Theaterbühne der Welt, auf der über 100 Künstler aus vielen Ländern mitreißend agieren. Die Spielzeit läuft bis Sommer 2016.

Fotos: CTOUR/Manfred Weghenkel