CTOUR on Tour: Schiffs-, Rad- und Wandertour von Stralsund nach Hiddensee und Rügen

Schönstes Kreuzfahrtrevier

„Im Greifswalder Bodden, da wären einige beinahe seekrank geworden“, berichtet – noch etwas blaß um die Nasenspitze – ein Passagier des schweizerischen Binnenkreuzfahrtschiffes „Saxonia“, das aus Potsdam gekommen ist. Kapitän Johann Magner kann bestätigen, „dass es bei der Überfahrt vom Peenestrom nach Lauterbach und Stralsund ganz schön gepustet hat.“

Ablegen in Ralswiek
Ablegen in Ralswiek

Am nächsten Morgen signalisiert ein makelloser Himmel ideales Reisewetter. Nach dem Frühstück – mit Blick auf den Stralsunder Hafen – trifft sich die Gästeschar auf dem langgestreckten Oberdeck zum Auslaufmanöver.
„Klar vorn und achtern!“ heißt das Kommando, bis Magner die Leinen einholen lässt. Mit einem gerade mal fingerdicken Hebel dirigiert er die „Saxonia“ von der Ballastkiste, an der gegenüber die „Gorch Fock“ (I) liegt, aus dem Nordhafen. Das sieht eher spielerisch aus, setzt aber eine Menge Erfahrung voraus. „Bei auflandigem Wind und unserem geringen Tiefgang haben die 1000 PS im ´Keller` es auch nicht ganz einfach“, ist er überzeugt.

Auf dem Strich nach Norden
Die Nordmolen-Spaziergänger staunen nicht schlecht, als sie am Heck des Fahrgastschiffes den Heimathafen „Basel“ lesen. Ein paar von ihnen geben Geographie-Kenntnisse zum Besten: „Also, erst mal den Rhein ´runter…“ Doch schon da geraten sie ins Stocken. Derweil zeigt „Saxonia“ vor Altefähr volle Breitseite und folgt brav dem Tonnenstrich der Sund-Nordansteuerung. Ab Kreuzung Vierendehl-/Hiddensee-Fahrwasser wird´s plötzlich eng. Neben der schiffsschmalen Fahrrinne stehen die Schwäne im flachen Wasser. Wie eine Schleppe zieht die „Saxonia“ den Wasserschwall seitlich neben sich her. Der entgegenkommende Hiddensee-Dampfer „Hansestadt Stralsund“ der Weißen Flotte passiert gaaant knapp „,mal gerade eben so“.
Der Gellen, Südspitze des „Söten Lännekens“ Hiddensee, liegt jetzt an Backbord, Rügen bleibt an Steuerbord. Später, zwischen Rügens naturgeschützter Halbinsel Bug und Hiddensees Nehrung Altbessin – die Durchfahrt heißt Libben – , blinkt die offene, bewegte Ostsee. Das Schiff aus der Alpenrepublik gleitet dort sogar über eine türkisfarbene Zunge ihres kühlen Wassers.

Deichfahrt am Weststrand zwischen Kloster und Vitte
Deichfahrt am Weststrand zwischen Kloster und Vitte

Frischer Fisch und Augenschmaus
Beim Essen im Restaurant hat man das Gefühl, halb im Wasser zu sitzen. Die Fensterunterkante des Restaurants schließt genau mit der Wasseroberfläche ab. Wenn´s dann noch „Außenbordskameraden“ gibt und die Angler einem aus ihren Booten auf den Teller sehen, könnte man meinen: frischer Fisch aus dem Sund direkt auf den Tisch. Und das Ostufer der Insel ein Augenschmaus. Interessierte Fernglas-Blicke gehen hinüber, während die Gäste beim Dessert den Erläuterungen von Reiseleiterin Monika Hütte lauschen.
Nach den letzten Metern durch den Sund wird gegen 17 Uhr in kleinen Hafen von Vitte auf Hiddensee festgemacht. „Das ist unsere nördliche Endstation“, erklärt Magner, dessen 82-Meter-Schiff haargenau an die Pier passt. Auf der warten schon Pferdefuhrwerke für eine abendliche Rundfahrt.
Die Tagesgäste sind weg, so dass auf der Insel Ruhe eigekehrt ist.
Doch wie wär´s mit einem individueller Fahrradausflug? Kein Problem, denn Zweiräder kann man hier überall problemlos mieten. Über stille Wege die Insel zu erfahren, das ist in den Abendstunden ein besonderes Erlebnis. Eine kleine Broschüre „warnt“ denn auch Erstbesucher: „Diese Insel kann süchtig machen.“ So ging es auch schon dem Dichter Gerhart Hauptmann, als er in seinem Dominzil in Kloster Literatur von Weltformat verfasste.
Rauf aufs Fahrrad und los: über gut ausgebaute Wege am Strand entlang – mit kurzer FKK-Badepause in der Brandung – durch den Norden der siebzehn Kilometer langen Insel. Wobei der Enddorn mit 180-Grad-Ostseeblick, seinem Sandstrand und dem kleinen Strauch-Urwald auf dem Bessiner Haken ein ganz besonderes Kleinod darstellt.

Liebliche Insel mit Duftnote
Hier heißt es: runter vom Fahrrad und durch die wunderschöne Natur gelaufen! Hunderte selten gewordener Vogelstimmen, vor allem der Spötter, die kleine Schwester der Nachtigall, überraschen und bezaubern den Besucher dieses Naturparadieses. Ja, davon kann man – ohne Übertreibung – süchtig werden! „Liebliche Insel, wohin ewig die Liebe sich sehnt…!“, zitiert ein Mitradler den Dichter Ernst-Moritz Arndt.

Viererrunde mit Wolfgang Lippert ( 2.v.l.) an Deck in Ralswiek
Viererrunde mit Wolfgang Lippert ( 2.v.l.) an Deck in Ralswiek

Rast mit Erfrischungsgetränk – und vielleicht einem leckeren Labskaus – in der traditionsreichen Gaststätte „Zum Enddorn“, bevor die Rückfahrt über die stille Insel losgeht. Deren Autofreiheit ist ein Erlebnis für sich. Ruhig und angstfrei kommt man hier voran, mal den Blick links, mal rechts schweifen lassend. Es kann schon vorkommen, dass plötzlich Reiter vor einem auftauchen. Die bekannte Hiddenseer Duftmischung ist denn auch komponiert aus Pferdeäpfeln und Heckenrosen, gewürzt mit einer Prise Meersalz und frischem Heu.
Noch ein Absacker an Oberdeck. Wenn dann der Mond aufgeht und der NDR-Wetterbericht-Leuchtturm in den Abendhimmel blitzt, ist die romantische Stimmung komplett. Irgendwann wiegen uns die gegen die Bordwand gluckernden Sund-Wellen in den Schlaf.

Start der Hiddensee-Radtour in Vitte vor der MS Saxonia
Start der Hiddensee-Radtour in Vitte vor der MS Saxonia

Am nächsten Morgen: Jasmunder Bodden voraus. Ralswiek grüßt mit Schloss und Störtebeker-Kulisse. Statt Inselrundfahrt lockt der urwüchsige historische Landschaftspark mit seltenen Baumbeständen. Die dreistündige Liegezeit reicht für eine Wanderung bis auf den 51 Meter hohen Buchberg. Wobei auch, wenn man Glück hat, einem Imker bei der Arbeit zuschauen und den Blick weit über das Gewässer bis hinüber zur Halbinsel Jasmund mit seinen kreidigen Steilküsten schweifen lassen kann.
Vor dem Auslaufen – manchmal kommt auch Hobbyskipper Wolfgang Lippert „Lippi“ dazu – schwärmt der welterfahrene Kapitän Johann Magner aus dem sachsen-anhaltinischen Schifferstädtchen Bittkau: „Ich habe schon viel gesehen, aber dieses Revier gehört für mich zu den schönsten, die ich kenne.“

Infos:
Das Schiff: MS SAXONIA; Baujahr: 2001; Taufe: 29.6.2001; Bauwerft: Hardingsveld; Länge: 82 m; Breite: 9,50; Tiefgang: 1,20 m; Antrieb: 2 x 500 PS Caterpillar; Geschwindigkeit (max.): 20 km/h; Reederei: Scyllla AG, Basel; Flagge: Schweiz; Decks: 3 (Sonnendeck mit Dach); Kabinengröße: 11-12 qm (geräumige Zweibettkabinen; Dusche/WC, Fön, Klimaanlage, Minikühlschrank, Fön, SAT-TV, Safe, Telefon, Wäscheservice); Passagiere: 88; Crew: 22; Panorama-Salon; Bar; Bordshop;

Veranstalter: Phoenix Reisen Bonn; www.PhoenixReisen.com; Tel.: 0228-9260-200

Reiseroute: Potsdam – Berlin-Oder-Havel-Kanal – Niederfinow – Oderberg – West-Oder – Stettin-Stettiner Haff – Wollin – Peenestrom – Wolgast – Greifswalder Bodden – Lauterbach/Rügen – Stralsund – Vitte/Hiddensee – Ralswiek/Rügen – Stralsund – Greifswald und zurück über Eberswalde und Oranienburg nach Potsdam.
Stralsund ist im übrigen der von Binnenkreuzfahrtschiffen am meisten frequentierte Hafen auf der Route.

Reisezeit: Anfang Juni bis Mitte September (sechs Reisen insgesamt); besonders auch für Einheimische geeignet, die die Schönheiten ihrer Heimat noch nicht vom Wasser aus kennen.

Literatur: Polyglott „Freizeit in Berlin und Umgebung“, ISBN 978-3-493-60145-9; Polyglott „Mecklenburg-Vorpommern“, ISBN 978-3-493-55643-8; Polyglott APA Guide „Polen“, ISBN 13: 9783-8268-1947-6

Karten: Kompass Wander- und Bikekarte (737) „Insel Rügen“, 1 : 50.000; Wander- und Detailkarte Hiddensee „Perle der Ostsee“, 1 : 30.000, nordland