Kreuzberger Wege sind bunt
Das kennt man: Die Berliner lieben ihren Kiez, aber die Stadt kennen sie weniger. Das ging manchem der rund 30 CTOURISTEN am 13. Mai ähnlich, die im sonnigen Mai-Grün einer Einladung von Deutschlands Marktführer für Wanderurlaub gefolgt waren, sich zu Fuß und Sattel ein Stück Kreuzberger Kiez zu erwandern.
Im Geschichten-Sog erfahrener Berlin-Kenner wie Barbara Bettenwort (www.streifzug-berlin.de) und Dr. Sven Kielau, Chef der Berliner Kultouren (www.berliner-kultouren.de) machte sich die Journalistenschar vom Ostbahnhof und der nahen East-Side-Gallery auf den Weg über die Spree und durch das blühende Engelbecken hin zum Mariannenplatz und weiter durch die Oranienstraße ins denkmalgeschützte Altberliner Gasthaus „Max und Moritz“.
Unterwegs vermittelten die beiden engagierten Berlin-Kenner ihren Mit-Läufern aktuelle und rückblickende Einsichten in den facettenreichen Kiez mit seiner von Rebellion und Anpassung geprägten Historie und den hier wohl nie versiegenden unverwechselbaren persönlichen Stadtteil-Geschichten. Sie reichen von unvergessenen tragischen Mauer-Spree-Ereignissen und Rio Reisers hier entstandene auf- wie anrührenden Songs über Kreuzbergs permanente Wechseljahre bis hin zu den weltweit bekannt gewordenen revolutionären (also auch blutigen) 1. Mai-Demonstrationen und den heute eher friedlichen MAY-Feiern zwischen Mariannenplatz und Oranienstraße.
In diesem Geschichten-Reigen durfte natürlich auch die noch heute schier unglaubliche Geschichte rund um die „Türkische Hütte“ im Mauer-Todesstreifen nicht fehlen: Als die DDR im August 1961 das Beton-Ungeheuer quer durch die lebendige Stadt zog, blieb nahe der Sankt-Thomas-Kirche ein schmaler dreieckiger Flecken frei, weil man die Abgrenzung ohne territoriale Dellen hochziehen wollte. Die Brache jenseits der Mauer blieb aber DDR-Territorium, war aber dennoch von Westberliner Seite problemlos zu betreten. Das nutzte anfangs nur die Natur, ab 1971 überraschend auch ein türkischer Gastarbeiter. Er kultivierte ein Knobloch-Beet und ließ dem – als alles ruhig blieb -weitere Gemüsekulturen folgen. Schließlich errichtete er zum Erstaunen der nahen DDR-Grenzer und der ihm inzwischen gut vertrauten Kreuzberger Nachbarn „über Nacht“ eine bewohnbare Hütte. Ihr Bestand – du fasst dich an den Kopf – wurde dem emsigen Gastarbeiter nach zähen Ansprachen schließlich sogar durch DDR-Ministerratsbeschluss garantiert. Er solle aber bitte keine Gewächse über die Mauer wuchern zu lassen… Der zugezogene türkische Schalk pflanzte schließlich auch noch eine nicht zu packende Wildpflanze in den Berliner Behörden-Dschungel: Er gab seiner Hütte eine konkrete, natürlich in kein Ordnungsschema passende Adresse: Bethaniendamm Nr. 0.
So lebte der clevere Landeroberer im Einvernehmen mit Ost und West über Jahrzehnte in seinem Niemandsland. Als die Mauer fiel, streiften auch dort weitaus unfreundlichere Eroberer durch die Berliner Brache und versuchten, auch die „Türkische Hütte“ für ihre Geschäfte zu schleifen. Dagegen jedoch erhob sich heftiger Kreuzberger Widerstand – auch aus der nahen Sankt-Thomas-Gemeinde (übrigens vor dem Mauerbau mit rund 150 000 Mitgliedern eine der größten europäischen Kirchengemeinschaften). Der breite Widerstand mündete schließlich gar in einem gemeinschaftlichen Wiederaufbau, nachdem die Hütte eines Nachts in Flammen aufgegangen war. Und noch heute steht sie am Bethaniendamm – inzwischen von Sohn Mehmet betreut – als Kuriosum des Kalten Krieges und Symbol von Kreuzberger Toleranz und Solidarität.
Geschichten kamen den CTOUR-Kiez-Wanderern aus beinah jeder Straße entgegen – originelle wie diese und nachhaltige wie jene von den Kreuzberger Hausbesetzern, die in den siebziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts zornig, mutig und ideenreich gegen die Kahlschlag-Sanierung des Berliner Senats auf die Straße gingen und Menschsein gegen Geldschein auf die Waage brachten. Mit ihrem vielschichtigen Widerstand retteten sie nicht nur einen Teil des Kreuzberger Kiezes, sondern lösten deutschlandweit Nachdenken über eine behutsame Sanierung von gewachsenen Wohnvierteln aus. Damals…
Heute prägen sich auch in Kreuzberg die Unterschiede wieder deutlicher aus. Zwei Gesichter, sagt man, habe der Bezirk: das noch immer unruhige Kreuzberg SO 36 , „das brennt“ und das gemächlicher gewordene Kreuzberg SW 61, „das pennt“.
Dennoch: Auch heute springt dem Berlin-Wanderer vielerorts der Kreuzberger Widerspruchsgeist entgegen – gefasst in knurrige Losungen auf Häusergiebeln und bunten Fassaden – von „Spreeufer für ALLE!“ an der YAMM-Beach-Bar nahe der East-Side-Galery über „Würde hat ihren Wert, Arbeit hat ihren Preis.“ an der verdi.-Zentrale – bis zu „Abschiebung ist MORD!“ und „Kein Mensch ist illegal!“ vor dem aktuellen Flüchtlingscamp am Oranienplatz.
Ja, man sieht, hört und fühlt mehr, wenn man zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Mit dieser Erkenntnis erreichten die CTOUR-Wanderer nicht nur das historische Altkreuzberger Gasthaus „Max und Moritz“, sondern sie waren auch mitten in der Philosophie von „Wikinger-Reisen“ angekommen. Pressechefin Eva Machill-Linnenberg führte als Gastgeberin mit Wort und Bild in Geschichte, Strategie und Seele des Hagener Familienunternehmens ein: „Bei uns wird man nicht gereist, man reist selber –vorwiegend in kleinen Gruppen. Wir bieten Urlaub, der bewegt und Gesundheit fördert.“ Diese Philosophie bindet zunehmend mehr Stammkunden (inzwischen über 50 Prozent) im Alter von 35 bis 60 Jahre an „Wikinger-Reisen“ und lässt zugleich den Zustrom von Neukunden wachsen. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen rund 43 000 Reisekunden und konnte bei einem Zuwachs von 6,2 Prozent einen Umsatz von 67 Millionen Euro registrieren. Inzwischen wenden sich die Kataloge – von WANDERN IN EUROPA über RAD-URLAUB und TREKKING WELTWEIT bis zu FERNREISEN und NATÜRLICH GESUND (alles unter www. wikinger.de) – den immer differenzierteren Urlaubswünschen zu. Die Kataloge bieten über 700 Programme in 101 Ländern weltweit. Allein der Wikinger-Wanderkatalog hält 329 Angebote von Norwegen bis zu den Kanaren Bereit. Zwei Drittel aller Wikinger-Reisen werden geführt, rund 100 sind für Individualurlauber ausgelegt. Als bevorzugte Reiseziele gelten Spanien, Italien und neuerdings auch Deutschland/Österreich.
Gleich wo die Reisen hingehen, immer werden sie mit den Attributen „sanft“ und „nachhaltig“ verknüpft. Eine vom Gründungsvater Hans-Georg Kraus ins Leben gerufene Stiftung hält 20 Prozent an der GmbH und unterstützt weltweit Entwicklungsprojekte – besonders im Bildungsbereich – wie beispielsweise das Kinderheim Nitya Seva im indischen Bhopal. Seit diesem Jahr sind die „Wikinger“ strategischer Partner von WWF Deutschland und verweisen gleichzeitig stolz auf ihr „CSR TOURISM certified – was heißt: Wikinger-Reisen werden zunehmend den ökologischen wie sozialen Anforderungen modernen Reisens gerecht. Und was man nach draußen forciert, wird auch innerbetrieblich praktiziert: Eine betriebliche Altersvorsorge gehört im Familienunternehmen ebenso zu den sozialen Standards wie das Bemühen, den Mitarbeitern ein Miteinander von Beruf und Familie zu ermöglichen. Pressechefin Eva Machill-Linnenberg, seit vielen Jahren in dieser Position, was bekanntlich im Reisegeschäft eher die Ausnahme ist, mag als Beispiel dafür stehen.
Übrigens, als GmbH-Gründer Kraus 1969 sein Unternehmen auf den Markt brachte, führte die erste Tour ins Wikinger-Siedlungsland Island. Seither rudert das Wikingerschiff als allbekanntes Firmenlogo in der deutschen Reisebranche und hält seine Segel gut im Wind.