Die Margen sind ausgereizt, höhere Absatzpreise nicht durchsetzbar, also ist guter Rat teuer. Der Marktführer TUI, der sich seit Jahrzehnten der „betuchten Leute“ angenommen hatte, mit immer differenzierteren Produkten den „artgerechten Urlaub für Gleichgesinnte“ propagierte, der in der Hochpreisigkeit seiner Reisen eine Geschäftsidee sah, genau diese TUI machte auf der Sonneninsel Mauritius die Rolle rückwärts. Massiver Ausbau des Drei-Sterne-Segments unter der Marke TUI, so lautete die Botschaft.
Aus dem entweder-oder wurde ein sowohl als auch. Die neue Formel ist der statistischen Erkenntnis geschuldet, dass rund 60 Prozent aller Reisewilligen im Urlaub auch mit etwas weniger „Luxus“ zufrieden sind. Will man Branchen-Primus bleiben, kann man doch die 3-Sterne-Feriensuchenden nicht einfach links liegen lassen. „Im Premium- und Luxusmarkt sind wir bereits mit großem Abstand die Nummer eins“, sagte Sebastian Ebel, Vorsitzender der Geschäftsführung der TUI Deutschland, anlässlich der Vorstellung der neuen Reiseprogramme für den Winter 2016/17 auf Mauritius, „jetzt streben wir mit unserer Kernmarke TUI auch im mittleren Marktsegment die Marktführerschaft an.“ – Das ist doch mal ein Wort.
Dem zeitgleich Taten folgen. Deutlich aufgestockt zeigt sich das Flug- und Hotelangebot für Fernziele und Städtereisen. Insgesamt sind im Winter weltweit 75.000 Häuser buchbar, dreimal so viele wie im Jahr zuvor. Damit hat die TUI in Deutschland das größte Angebot im Markt.
Außerdem baute der Reiseriese in einem insgesamt rückläufigen Markt seine Position als größter deutscher Veranstalter deutlich aus. Der Marktanteil wuchs um rund einen Prozentpunkt auf 21,6 Prozent. Einer schwächeren Nachfrage für Reisen nach Ägypten und Tunesien stehen starke Zuwächse für andere Länder und Segmente gegenüber: Insbesondere Spanien, Italien, Kroatien, Portugal und Griechenland, aber auch die fernen Ziele Mexiko, Mauritius und Südafrika entwickeln sich gut. Stark nachgefragt sind alle Autoreiseziele, die Wohnmobile von TUI Camper sowie das Ferienhaus-Segment, in dem TUI über das neue Portal TUIvillas.com über 300.000 Häuser und Wohnungen anbietet.
Zu den Wachstumsmärkten der Zukunft gehört Mauritius. TUI Deutschland verzeichnet hier aktuell ein Buchungsplus von rund 50 Prozent. Erst vor gut einem Jahr hatte die TUI Group auf dem Inselstaat im Indischen Ozean zwei Häuser der Hotelbeteiligung RIU eröffnet. Zur Wintersaison kommt mit dem Sensimar Lagoon ein weiteres TUI Hotel hinzu. Auch in den asiatischen Ländern sieht Ebel noch großes Wachstumspotenzial, RIU und Robinson planen in den nächsten beiden Jahren Neueröffnungen auf den Malediven, im Juni startet das erste RIU Haus auf Sri Lanka und pünktlich zum Winter wird das neue TUI Konzepthotel Family Life im thailändischen Khao Lak fertig.
Weitere interessante Wachstumsmärkte sind die zu Afrika gehörenden Kapverdischen Inseln sowie in Europa beispielsweise Kroatien, Portugal und Zypern. In den Wintermonaten zieht es die Deutschen vor allem in die Ferne. Daher baut TUI Deutschland das Angebot an Reisen in ferne Länder konsequent weiter aus. „Eine starke Nachfrage erwarten wir für Südafrika und Namibia“, sagte Oliver Dörschuck, touristischer Geschäftsführer der TUI Deutschland. Auch die Kanaren werden ein bevorzugtes Ziel sein. „Aufgrund der schwächeren Nachfrage für Ägypten und Tunesien erwarten wir hier weitere Zuwächse“, ist sich Oliver Dörschuck sicher. Das Angebot wird um 40 Prozent auf über 700 Häuser aufgestockt. Der Schwerpunkt der Expansion liegt auf Fuerteventura, wo vor allem Apartments und qualitativ hochwertige Drei-Sterne-Hotels ins Programm kommen. Immer beliebter wird auch der weiter südlich liegende Insel-Archipel der Kapverden. TUI bietet im Winter Direktflüge zu den Hauptinseln Boavista und Sal an und eröffnet hier mit dem Fünf-Sterne-Hotel Sensimar Cabo Verde das erste Haus des erfolgreichen Paare-Konzeptes.
Das größte Problemkind heißt Türkei. Nach dem Putschversuch machte sich Sebastian Ebel in Antalya ein Bild von der Lage. „Die Sicherheit unserer Gäste hat hohe Priorität“, sagte er. „Wir richten uns generell bei unseren Reiseprogrammen nach den Sicherheitshinweisen der Außenministerien. Wir empfehlen, die Reisehinweise des jeweiligen Außenministeriums auf den Internetseiten zu lesen. Der Gast erhält dort wichtige Informationen zum Land und auch zur Bewertung der Sicherheit. Bei einer Reisewarnung würden wir ein Land nicht mehr anbieten und die Gäste umgehend aus dem Urlaubsland zurück nach Hause fliegen. Die Kompetenz der Außenministerien ist sehr hoch, weil nirgends sonst so viele Informationen der nationalen und internationalen Sicherheitsbehörden zusammen kommen und bewertet werden können. Die stärkere Bedrohung durch Terror betrifft unseren Lebensalltag auch zu Hause, das ist keine ausschließliche Frage für den Urlaub. Das haben uns die traurigen Anschläge in Paris, Brüssel, Orlando und Nizza gezeigt.“
Hat die TUI nach den Ereignissen in der Türkei kulant reagiert?
„Ja, wir haben unseren Gästen angeboten, ihre Reise zu stornieren oder ein anderes Urlaubsziel zu wählen. Davon haben aber nur sehr wenige Gäste Gebrauch gemacht. Nahezu alle Urlauber haben ihre Reise am Samstag und am Sonntag angetreten. Unsere Reiseleiter in den Urlaubsgebieten der Türkei waren in den Hotels und haben unsere Kunden informiert. Dazu gehörte auch das Angebot, die vorzeitige Heimreise zu organisieren. Davon wurde nahezu kein Gebrauch gemacht. Von derzeit rund 18.000 deutschen Urlaubern in der Türkei wollten 30 vorzeitig ihren Urlaub beenden. Das zeigt, die Situation in den Urlaubsgebieten ist nicht vergleichbar mit den Ereignissen und Fernsehbildern, die wir aus Ankara und Istanbul sehen.“
Und sonst? Gibt es überraschend Neues? – Ja, die rund 5000 Reiseleiter der TUI werden in Zukunft Uniform tragen, um so den einheitlichen Markenauftritt des größten europäischen Reiseunternehmens kleidungsmäßig abzusichern.
Fotos: Hans-Peter Gaul, Mauritius-Tourismus (1)