DIE KASCHUBEI: TRAUMHAFTE LANDSCHAFTEN UND SPANNENDE GESCHICHTE

Von Michael Juhran

Lange Zeit lebte besonders die südliche Kaschubei ein Schattendasein. Seit einiger Zeit erleben Sprache und Kultur der westslawischen Minderheit in Polen ein Revival. Noch ist die Kaschubei für deutsche Urlauber ein Geheimtipp mit großem Potential.

Der nüchterne Name Stare Polaszki 13 täuscht darüber hinweg, dass es sich um einen idyllischen agrotouristischen Gasthof inmitten sanfter Hügel, pilzreicher Wälder und hunderten von Seen handelt – einer malerischen Landschaft, geschaffen von der Weichsel-Eiszeit in der heutigen Woiwodschaft Pommern.

Vier kleine Katzen, umgeben von Blumenkörben und Strohballen, begrüßen die eintreffenden Gäste neben der roten, hölzernen Eingangstür und stimmen sie auf einen gemütlichen Aufenthalt inmitten der Mutter Natur ein.
(Bild links)

In der Gaststube hat Natalia Kowalewska bereits den Tisch für das Abendessen üppig gedeckt, als würde sie eine weitaus größere Gästeschar erwarten.

Wie Perlen sind ähnliche Gasthöfe über ganz Kaschubien verstreut, die neben persönlicher Gastfreundschaft und wohltuender Ruhe vor allem die Nähe zu pittoresken Naturlandschaften bieten.

So auch die Lawendowa Osada in Przywidz. Deren kleine Gästehäuser befinden sich direkt neben einem Lavendelfeld, in dem Ruhesuchende behagliche Entspannung finden.

In der Lawendowa Osada warten Sommerhäuser auf Gäste

Für die Gastgeber Barbara und Bartek Idczak (rechts im Bild) ist das Feld eine Quelle unerschöpflicher Kreativität und Rohstoff für ihr eigenes Lavendelöl, Erdbeer- und Cranberrymousse mit Lavendel, Lavendelsalz und Kerzen mit Lavendelöl. Im nächsten Jahr will Bartek seinen Gästen auch selbstgebrautes Lavendelbier anbieten.

Lange Zeit galt die Kaschubei als etwas verschlafen, doch heute sieht man den gepflegten Ortschaften an, dass sich in den letzten Jahren viel getan hat. Und gerade im Herzen der Kaschubei rund um Kościerzyna, etwa siebzig Kilometer südwestlich von Danzig, bemerkt man ein erstarkendes Selbstbewußtsein der kaschubischen Bevölkerung, zu der sich nach aktuellen Schätzungen etwa 600 Tausend Einwohner bekennen.

„Über Jahrhunderte versuchte man die kulturell-ethnische Identität der westslawischen Minderheit der Kaschuben zu unterdrücken“,

erklärt Guide Szymon Naczk bei einer Führung durch das „Regionalzentrum für Bildung und Promotion Kaschubiens“ in Szymbark.

„Durch die Lage an der Grenze zwischen Deutschland und Polen und wechselnde Machtverhältnisse wurde die Kaschubei mal germanisiert, mal polonisiert. Doch seit einigen Jahren gibt es ein regelrechtes

Revival der kaschubischen Sprache, ethnischer Traditionen, Sitten und Bräuche.“

In Szymbark gibt es auch kaschubisches Bier

Erst im Jahr 2005 erkannte man Kaschubisch formaljuristisch als eigene Sprache an. Schulen nahmen sie wieder in fakultative Lehrpläne auf und es laufen kaschubische Radio- und TV-Sendungen.

Landwirtschaft im Süden

Einen tiefgreifenden Einblick in die Geschichte des kaschubischen Landlebens erhält man im „Kashubian Ethnographic Park“ in Wdzydze, der 1906 von der deutschstämmigen Einwanderin Teodora und ihrem polnischen Mann Izydor Gulgowski als erstes Freilichtmuseum in Polen gegründet wurde.

Ein typisches kaschubisches Haus im Kaschubischen Ethnografischen Park in Wdzydze Kiszewskie

„Das Museum entwickelte sich zugleich zu einem Ort der Begegnung kaschubischer, deutscher und polnischer Intellektueller und zu einer Inspirationsquelle der kaschubischen Regionalbewegung“,

erklärt Bartosz Stachowiak von der lokalen Tourismusorganisation.

Einher ging die Förderung solcher kaschubischer Traditionen, wie die Stickerei und das Korbflechten, die heute noch von Anna Miszczak und Czeslaw Hinz gepflegt werden.

Bild rechts: Anna Miszczak stickt kaschubische Motive, während Czeslaw Hinz Körbe aus Kiefernwurzeln flechtet

Inzwischen ist der Museumspark auf 22 Hektar mit 52 Bauern- und Herrenhäusern samt Dorfschmiede, Windmühle, Schule, Kirchen, Ställen und Scheunen aus dem 18. bis 20. Jahrhundert angewachsen. Die idyllische Lage am elf Quadratkilometer großen „Kaschubischen Meer“ (Wdzydze See) macht das Freilichtmuseum zu einem Ganztagesziel.

Kaffee-Service mit kaschubischen Mustern werden in Lubiana hergestellt

Fischerei und Tourismus im Norden

Während die südliche Kaschubei vorrangig durch die Landwirtschaft geprägt war und ist, bildeten die Fischerei und ein aufkeimender Tourismus die wirtschaftliche Grundlage der nördlichen Kaschubei an der Ostseeküste. An der Strandpromenade erinnert das prächtig renovierte Kurhaus in Sopot an die Anfänge der touristischen Entwicklung der Region, die im 19. Jahrhundert aus einer Fischersiedlung einen der exklusivsten Kurorte Europas wachsen ließ.

Das Kurhaus an der Strandpromenade von Sopot ist ein Zeugnis der 200jährigen Geschichte der Stadt als Heilbad

Auch heute hat das Seebad nichts von seiner Anziehungskraft verloren, was neben der Prachtarchitektur vielleicht auch an den ausgezeichneten Fischrestaurants, wie der „Bar Przystan“ liegt.

Allein wegen der köstlichen Fischgerichte in der Bar Przystan lohnt ein Abstecher nach Sopot

Am nordöstlichen Zipfel der Kaschubei, auf der Halbinsel Hel, fahren die Fischer noch heute täglich zum Fang hinaus.

Wie sehr sich die Boote und Fangmethoden seit dem 12. Jahrhundert verändert haben, veranschaulicht das Fischereimuseum in Hel.

Einer, der an der Tradition des Kaschubenbootsbaus festhält, ist Jacek Struck im nahen Jastarnia.

„Aufgrund der seichten Gewässer in der vorgelagerten Bucht verlangt der Bootskörper eine besonders flache Konstruktion“,

erläutert er die Besonderheit seiner aus Lärchen- und Eichenplanken gebauten, schmucken Boote, deren Konstruktionspläne einzig und allein im Gedächtnis des Handwerkers gespeichert sind.

Schiffsbauer Jacek Struck bewahrt in Jastarnia die Tradition der Kaschubenboote

Noch gibt es einige Fischer, deren Fänge Gourmetköche wie Piotr Lisakowski in seinem Restaurant „Gryfon“ in köstliche Delikatessen verwandeln.

Gleich nebenan erläutert sein Freund Rafal Kohnke bei einem Gang durch eine alte Fischerhütte, wie gefährlich das Leben eines Fischers auf hoher See sein konnte.

links im Bild:
Rafal Kohnke leitet ein kleines, aber feines Fischereimuseum in Jastarnia
 

Zumindest für Urlauber gibt es aber auch an Land genug zu erkunden. Kilometerlange Strände mit puderweichem Sand laden zu ausgedehnten Spaziergängen oder zum Sonnenbaden ein, im Naturreservat „Helskie Wydmy“ sind zwischen Wanderdünen und Ostsee nur wenige Besucher unterwegs und Vogelfreunde können hier ungestört Seeadler oder Sandregenpfeifer beobachten. Im Winter lassen sich sogar manchmal die Polarlichter blicken.

Für Barbara Mudlaff sind die Pudersandstrände von Hel im ganzen Jahr ein Badeparadies

INFOS

ANREISE
z.B. Flug bis Danzig, von dort etwa zwei Stunden mit dem Mietwagen. Mit dem eigenen PKW auf der E28 ca. fünf Stunden (ca. 400 km) ab deutscher Grenze über Stettin, Koszalin und Slupsk.

SEHENSWERT
Regionalzentrum für Bildung und Promotion Kaschubiens“ in Szymbark, https://cepr.pl

Kashubian Ethnographic Park in Wdzydze Kiszewskie,
https://pomorskie.travel/en/punkty-poi/museum-in-wdzydze-kiszewskie/ 

Größte und modernste Porzellanfabrik Polens in Lubiana,
https://pomorskie.travel/en/punkty-poi/zaklady-porcelany-stolowej-lubiana-s-a/

Fischereimuseum in Hel,
https://pomorskie.travel/en/punkty-poi/the-museum-of-fishing-in-hel/

Bootsbauer Jacek Struck in Jastarnia,
https://struck-boat.com

Fischerhütte in Jastarnia, kleines, aber feines Museum, www.jastarnia.com/jastarnia-chata-rybacka-z-1881-roku-c36381e6

UNTERKUNFT
In Stare Polaszki: idyllischer agrotouristischer Gasthof Stare Polaszki 13, http://starepolaszki.pl

In Przywidz: Entspannung am Lavendelfeld: Lawendowa Osada, 
https://lawendowaosada.pl/en/

In Jastarnia: in der Mitte der Halbinsel Hel: Hotel Dom Zdrojowy, www.hoteldomzdrojowy.pl/en/restaurants/restaurants

RESTAURANTS
Schmackhafte Fischgerichte in Sopot: Restaurant Bar Przystan, www.tripadvisor.com/Restaurant_Review-g274735-d2696204-Reviews-Bar_Przystan-Sopot_Pomerania_Province_Northern_Poland.html

Traditionelle Küche in Leśny Dwór, Restaurant Biołi Trus, 
https://lesnydwor.pl/restauracja

Fisch-Delikatessen in Jastarnia, Restaurant Gryfon,
https://restauracja-gryfon.pl

ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Polnisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 130 , 10711 Berlin , Tel.: 030 21 00 92 16,
www.polen.travel

Regionaler Tourismusverband Pomorska in Danzig:
www.prot.gda.pl

Fotos: Michael Juhran

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