Von Bodo Thöns
Die Länder Zentralasiens erfreuen sich derzeit eines stark wachsenden Interesses internationaler Touristen. Die Zahlen übersteigen bereits deutlich die Rekorde vor der COVID-Zeit. Neben dem eigenen Charme der Region und stärkerem Marketing gibt es auch Nebenwirkungen der geopolitischen Friktionen. Das touristische Interesse an Russland tendiert gegen Null, wovon derzeit vor allem der Kaukasus und Zentralasien profitieren.
Der kürzliche Krieg gegen den Iran wird weitere Touristenströme in diese Länder entlang der alten Seidenstraße umlenken. Insbesondere Usbekistan und Kirgistan boomen. Die Kombination beider Länder als Mix aus Hochkultur mit unzähligen Moscheen, Mausoleen, Medressen und Museen sowie nomadischen Jurtentraditionen im Hochgebirge erfreut sich aktuell großer Popularität. Auch Kasachstan und Tadschikistan legen zu.
Turkmenistan im Abseits
Ein Land konnte bislang nicht von diesem regionalen Boom profitieren – Turkmenistan.
Langjährige exzessive Abschottung, restriktive Visavergabe, schlechte Noten in internationalen Ratings, strenge Bandagen für organisierte Reisegruppen als einziger Möglichkeit für ausländische Touristen, sich einen eigenen Eindruck vom Land zu verschaffen, halten das Land schon lange stabil auf den hinteren Plätzen in den Listen der weltweite Traumreiseziele.
Eigentlich schade, denn das Land hat hinsichtlich Kultur, Architektur, Kunst und Natur, UNESCO-Weltkulturerbe (3x Kultur: Merv, Konja Urgench, Nisa und 2x länderübergreifend Natur: Seidenstraßen-Korridor, Winterwüsten) einige einzigartige Sehenswürdigkeiten zu bieten, die durchaus einen Besuch lohnen.

Für „Ländersammler“, die jedes Jahr ihre Liste der zu besuchten Länder verlängern, ist es nicht zuletzt dank der politischen Extravaganz fast ein Muss. Für bereits vielgereiste Freunde des islamisch geprägten Orients oder des postsowjetischen Zentralasiens ist es ein unverzichtbares Puzzlestück für die Vervollständigung des Gesamtbildes dieser geopolitisch im starken Aufwind befindlichen Region. Für Autokraten, Architekten, Pferdeliebhaber, Internet-Abstinenzler, Teppichfans und viele andere Freaks bietet das Land ebenfalls Stoff zur Horizonterweiterung.

Ungeachtet dieses schwierigen Umfeldes gibt es aktuell im Land durchaus Interesse, mehr ausländische Touristen nach Turkmenistan zu locken. In diesem Zusammenhang organisierte Turkmenistan im Juni 2025 eine Infotour. Sie galt vor allem usbekische Reiseveranstalter, um sie für die Vermarktung von Kombitouren beider Länder zu begeistern. Eine weitere solche Infotour soll im Herbst folgen.
Die schneeweiße Hauptstadt
Mit „nur“ gut 200 Jahren ist Ashgabat dank der erstmaligen Erwähnung 1811 in persischen Chroniken eine junge Stadt. Mehr Historie gibt es in den Ruinen der am westlichen Stadtrand gelegenen alten Hauptstadt des Parther-Reiches Nisa. Im Jahr 2007 kam sie auf die UNESCO-Weltkulturerbeliste, ist aber für den heutigen Besucher weniger eindrucksvoll als Merv oder Konja Urgench.

Mit der Eroberung durch Russland im Jahr 1881 begann die 110 Jahre dauernde, russisch-sowjetisch geprägte Phase der Stadtentwicklung. Die größte Zäsur war dabei ein Erdbeben der Stärke 9 bis 10 der Richter-Skala, das die Stadt in der Nacht zum 6. Oktober 1948 nahezu vollkommen zerstörte und wohl an die 100 000 Menschen das Leben kostete.
Angesichts eines phänomenalen Baubooms seit der Unabhängigkeit Turkmenistans sieht man aber auf der Stadtrundfahrt nur noch wenige Gebäude aus der sowjetischen Zeit (z.B. Konservatorium, Zirkus). Ein originelles Lenindenkmal auf einem Würfelplateau mit Teppichmustern überlebte den Umbruch ebenfalls. Die meisten repräsentativen und administrativen Gebäude aus der sowjetischen Zeit wurden ab 1991 vollkommen umgestaltet oder abgerissen und neu gebaut.

Turkmenistans heute etwa eine Million Einwohner zählende Hauptstadt präsentiert sich dem Besucher mit viel hypermoderner Architektur und (fast) ganz in Weiß. In keiner zweiten Stadt der Welt wurde so viel weißer Marmor verbaut wie in Ashgabat. Dafür gab es einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde. Neben lokalen Bauunternehmen prägen Baufirmen aus der Türkei und Frankreich das Geschehen. Neben den vielen öffentlichen Gebäuden sieht man als Prestigeprojekt auch viel Wohnungsbau. Die Wohnungen entsprechen modernen Standards, haben große Fenster, hohe Decken und werden den Beamten und Angestellten zu Vorzugskonditionen angeboten. Nichtsdestotrotz scheint es ein gewisses Überangebot und einigen Leerstand zu geben. Für eine Millionenstadt wirkt Ashgabat doch etwas leer. Es mag an der Hitze liegen, aber nicht wenige Turkmenen suchen wohl eher ihre Scholle und weniger ein Hochhaus-Apartment. Die wirtschaftliche Lage des Landes ist nicht einfach, seit einigen Jahren gibt es Devisenbewirtschaftung. Der Schwarzmarktkurs ist etwa fünf Mal so hoch wie der offizielle Kurs.

Es gibt viel Kunst im öffentlichen Raum: Denkmäler, Statuen, Obeliske und Skulpturen. Man findet sie auf Plätzen, in Parks oder auf den Verkehrsinseln der Kreisverkehre. Die Themenliste ist lang: u.a. Unabhängigkeit, Verfassung und Neutralität,

der unter dem Namen Turkmenbashi (Vater aller Turkmenen) bekannte erste Präsident des Landes und sein Buch aller Bücher für alle Lebenslagen “Ruhnama”, Recken und Wächter, Tiermotive und Musikinstrumente sowie einfach abstrakte Kunst.
links: Blick zum Neutralitätsdenkmal, das für den 30. Jahrestag der Neutralitätserklärung rekonstruiert wird
Pferde, Hunde, Teppiche – drei nationale Heiligtümer
Drei Komponenten spielen für die turkmenischen Kultur und Mentalität eine exorbitante Rolle und gelten als nationale Heiligtümer. An erster Stelle sind die Achal-Tekkiner Pferde zu nennen. Selbst im Zentrum des Staatswappen befindet sich ein solches Pferd. Das Vorbild lieferte der Hengst Janardag. Sein Besitzer war Saparmyrat Nijaazov, der erste Präsident des unabhängigen Turkmenistans. Die Achal-Tekkiner sind eine der ältesten Vollblüter-Rassen auf der Welt. Die auch „Himmelspferde aus der Wüste“ genannten Vierbeiner verdanken ihren Namen dem Herkunftsbegiet. Achal war eine Oase in der Karakumwüste und ist heute der Name einer der fünf Provinzen des Landes. Hier lebten früher die Tekkiner, eine den heutigen Turkmenen zuzurechnende Volksgruppe. Diese Pferde zeichnen sich durch große Ausdauer und eine ausgeprägte Galoppierfähigkeit aus. Man trifft sie in verschiedenen Farben. Das Fell weist zumeist einen metallischen Glanz auf.

Vor zwei Jahren wurde die Kunst der Achal-Tekkiner-Pferdezucht und Traditionen des Pferdeschmucks als immaterielles UNESCO-Welkulturerbe anerkannt. Verständlich, daß in Turkmenistan das auf der Speisekarte der Nachbarländer beliebte Pferdefleisch (Kazy) eine rote Karte bekommt.
Ein weiteres Unikat der turkmenischen Fauna ist der Alabai, dem man in der Hauptstadt sogar ein goldenes Denkmal gewidmet hat. Man kannt diese Hunderasse auch als Mittelasiatischer Schäferhund oder Wolfshund. Der lateinische Name lautet Canis lupus familiaris. Sie haben sich den Ruf eines idealen Herdenschutzhundes erarbeitet und werden im Land vergöttert.

Turkmenistan beansprucht seit der Unabhängigkeit als Ursprungsort mit u.a. von Archäologen auf ein Alter von ca. 2000 Jahren geschätzten Terrakottafiguren solcher Hunde den Zuchtstandard, den allerdings auch noch als Rechtsnachfolger der Sowjetunion Russland beansprucht. Die Hunderasse fand über die Jahrhunderte in verschiedenen Regionen eine weite Verbreitung und ist in verschiedenen in der Züchtersprache Schlägen genannten Varianten vom Kaukasus bis in die Mongolei anzutreffen.
Sowohl auf die Fahne als auch ins Staatswappen hat es die turkmenische Teppichkultur geschafft.
Die Branche hat sogar ein eigenes Ministerium. Das Symbol der die fünf (Welajat genannten) Provinzen des Landes symbolisierenden verschiedenen Teppichmuster ist auch an anderen Stellen häufig anzutreffen.
links: Die fünf regionaltypischen Teppichmuster als Verzierung eines Hoteleingangs

Die Knüpftradition reicht nachweislich bis ins 6. Jahrhundert v.u.Z. zurück. In der Nomadenkultur sind Teppiche für Jurten und Haustiere immer Hausrat und Schmuckelement, Statussymbol und in den verschiedenen Motiven Zeichen der Zugehörigkeit. Schon Marco Polo soll die Teppiche in dieser Region als die schönsten Teppiche Welt charakterisiert haben.

Das eindrucksvolle Teppichmuseum zeigt neben Materialkunde und Knüpf- und Webtechniken eine Vielzahl fantastischer, historischer und neuer Teppichartikel für Wand und Fußboden. Besondere Kunstwerke sind Teppiche mit beidseitig geknüpften Motiven sowie Reliefteppiche mit einem 3D-Hauch. Der im Foyer hängende 301 qm große und 1200 kg schwere Riesenteppich war lange Jahre der Rekordhalter im Guiness-Buch der Rekorde. Im letzten Jahr toppte man ihn allerdings in Abu Dhabi.
Merv
Die seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Ruinenstadt erstreckt sich heute auf etwa 120 Quadratkilometern und vereint die Überreste mehrerer zu unterschiedlichen Zeiten nebeneinander errichteter Städte.

In vergleichbaren Metropolen legen die Archäologen zwischen und in den Ruinen meist die übereinander liegenden Kulturschichten frei. In Merv liegen diese Kulturschichten nicht übereinander, sondern nebeneinander. Jedes neue Herrschergeschlecht baute die alte Architektur nicht auf oder um, sondern errichtete seine neue Metropole einfach in der unmittelbaren Nachbarschaft. Die hier nebeneinander liegende Kulturschichten bezeugen eine Siedlungsgeschichte vom 6. Jh. v.u.Z. Merv bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Als Knotenpunkt der Seidenstraße, Hauptstadt des Seldschuken-Reiches und religiöses Zentrum der islamischen Welt erlebte Merv mehrere Perioden wirtschaftlicher, politischer und geistlicher Blüte. Ein besonders markantes Baudenkmal ist das gewaltige Sultan-Sanjar-Mausoleum aus dem 12. Jahrhundert mit einer für seine Zeit einzigartigen Kuppelarchitektur.
Darwaza – Flammenkrater in der Wüste
Eine weitere einzigartige Sehenswürdigkeit ist der etwa 260 Kilometer nördlich von Ashgabat in der Wüste Karakum brennende Feuerkrater Darwaza. 1971 stießen Geologen bei Bohrarbeiten nach Erdgas auf unterirdische Hohlräume. Der Bohrturm versank in dem Krater. Man zündete das austretende Gas an. Erfahrungsgemäß sollte das Spektakel eigentlich in einigen Tagen vorbei sein. Doch Gas tritt bis heute aus. Während aber auf älteren Aufnahmen noch nahezu der gesamte Kraterboden mit einem Durchmesser von ca. 70 Metern lodert, entweicht heute schon deutlich weniger Gas dem Gestein. Neben einem größeren Brandherd gibt es noch ein Dutzend kleinerer Flämmchen Nichtsdestotrotz ein eindrucksvolles wie unheimliches Panorama. Insbesondere bei Nacht.

An drei Punkten in der Umgebung arbeiten Geologen daran, den Gaszustrom in anderen Bahnen einer Förderung zuzuführen. Offensichtlich schon mit gewissem Erfolg oder diese Quelle geht nach über 60 Jahren natürlich zur Neige. Niemand weiß also, wie lange das „Tor zur Hölle“ noch Feuer spucken wird. Gut für die Umwelt, schlecht für den Tourismus. Unweit des Kraters gibt es zwei komfortable Jurtencamps. Wer sich dieses einzigartige Naturspektakel ansehen möchte, sollte seine Reisepläne für Turkmenistan also nicht auf die lange Bank schieben.

Konja-Urgench
Konja-Urgench (früher Gurganch) kam im Jahr 2003 auf die UNESCO – Weltkulturerbeliste. Sie ist wohl etwas jünger als Merv, hat ihren Ursprung im 5. Jahrhundert v.u.Z. und war die Hauptstadt des hierzulande Khanat genannten Fürstentums Choresmien, das sich in der heutigen Geographie über Landstriche im Südwesten Usbekistans und des Nordens Turkmenistans erstreckte. Ende des 16. Jahrhunderts änderte der Fluß Amudarja als zentraler Wasserspender der Region wieder einmal seinen Lauf. Die fehlende Wasserzufuhr verhinderte die weitere Entwicklung. Die Khane kürten Khiva zur neuen Hauptstadt und auch die Bezeichnung Khivaer Khanat setzte sich als Staatsname für Choresmien durch. Ende des 19. Jahrhunderts bauten die Russen einen Kanal, so daß eine neue Kleinstadt entstand. Konja Urgench bedeutet Alt-Urgench und diente der Unterscheidung zur kurz vorher begründeten heutigen Urgench, der Bezirkshauptstadt von Choresmien in Usbekistan. Die Ruinenstadt liegt am südlichen Stadtrand der heutigen Kleinstadt. Zu Markenzeichen des Ortes wurde zwei Mausoleen. Das Sultan Tekesh-Mausoleum aus dem 12. Jahrhundert. Den quadratischen Grundriß ziert eine gerippte Trommel und eine Kegelspitze. Die Turabeg – Grabmoschee aus dem 14. Jahrhundert für beeindruckt durch einzigartige Majolika-Verzierungen, ein Stalaktidengewölbe und eine den Sternenhimmel imitierende Kuppel.
Attraktive Bogenroute ohne Hin und Her
Die absolvierte Tour bietet den Vorteil, daß man die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes zeitsparend in einem Bogen ohne Wiederholungen bereist und nicht, wie bei einem alternativen Startpunkt Ashgabat, immer in die einzelnen Himmelsrichtungen ausschwärmen und dann wieder in die Hauptstadt zurückkehren muß.

Ausgangspunkt ist Buchara in Usbekistan (Altstadt Weltkulturerbe). Auf dem Landweg geht es zur knapp 100 km entfernten Grenze. In Turkmenistan ist dann die etwa 40 km von der Grenze entfernte Bezirkshauptstadt Turkmenobad der erste Stop. Am selben Nachmittag fährt man im Bus nach Merv mit Übernachtung in der benachbarten zweiten Bezirkshauptstadt Mary.

Am zweiten Tag geht es für zwei Tage weiter in die marmorweiße Hauptstadt Ashgabat. Hier wird auch die am Stadtrand gelegenen Überreste der Weltkulturerbe-Festung Asra besichtigt. Am Tag 4 tauscht man den komfortablen chinesischen Reisebus gegen japanische Jeeps, da sich die Straßenverhältnisse deutlich verschlechtern. Die Reise geht gen Norden in die Wüste zum „Höllentor Darvaze“. Nach einer Übernachtung im Jurtencamp geht die Reise weiter nach Konja Urgench, dem dritten Weltkulturerbeort in Turkmenistan. Am letzten Tag geht die Reise dann mit einem Stop in der nur 15 km von der usbekischen Grenze entfernten Bezirkshauptstadt Doshaguz zurück nach Usbekistan. Die Entfernung von dort bis nach Khiva (Altstadt Weltkulturerbe) beträgt knapp 60 km.
„Die glorreichen Sieben“ – 7 Weltkulturerbeorte an der Seidenstraße auf einen Streich
In Abhängigkeit davon, wie ausführlich man Usbekistan bereisen möchte, kann man bei einer Kombitour durch beide Länder dort schon sehr flexibel und mit deutlich mehr internationalen Flugverbindungen seinen Reiseverlauf gestalten. Wer sich vor allem für Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes interessiert, kann die drei Standorte in Turkmenistan gut mit den vier in Usbekistan mit dem UNESCO-Siegel geadelten Orten bequem in einer Reise verbinden. Während es sich dabei in Turkmenistan ausnahmslos um Ruinenstädte handelt, sind es in Usbekistan lebendige Altstädte. Man startet in Samarkand mit einem Tagesausflug nach Shahrisabs (2-3 Tage). Von Samarkand geht es nach Buchara (2 Tage) um dann nach dem großen, oben beschriebenen Turkmenistan-Bogen (6 Tage) last not least wieder in Usbekistan Khiva (2 Tage) zu besuchen. Mit Turkish Airlines gibt es aus Deutschland über Istanbul bequeme Flugverbindungen sowohl nach Samarkand (10 x pro Woche) als auch zum 40 km von Khiva entfernten Flughafen im nicht mir Konja Urgench zu verwechselnden Urgench (5 x pro Woche).
Die Reise wurde von den beiden Reiseveranstaltern Uzholiday (Usbekistan) und Stantrips (Turkmenistan) organisiert.
Fotos: Bodo Thöns
https://uzholiday.com/
https://stantrips.com/

Der Reiseführer Turkmenistan erschien 2019.
Lt. Verlag ist noch keine aktualisierte Neuauflage in der Planung.
Der Reiseführer Zentralasien 2023 widmet Turkmenistan ca. 40 Seiten.
Die dritte aktualisierte Neuauflage erschien 2025.
