Die Tourismusbranche Neuseeland präsentiert sich gern als das kleine Land im endlosen Pazifik. Doch bei genauerem Hinsehen ist seine Fläche von 268.000 Quadratkilometern etwa ähnlich groß wie Großbritannien. Dabei bewohnen das Land im Südpazifik mit einer Nord-Südausdehnung von 1700 Kilometern nur 4,2 Millionen Menschen. Neuseeland hält für die wachsende Zahl von Touristen jede Menge Platz bereit. Ihre Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren auf 3,5 Millionen mehr als verdoppelt. Dafür gibt es viele gute Gründe. In Auckland wie auch auf den anderen großen Flughäfen in Wellington und Christchurch überall trifft der ankommende Reisende auf das gleiche Prozedere der Begrüßung. In Neuseeland wird das Einfuhrverbot von Lebensmitteln sehr scharf kontrolliert, sogar mit extra ausgebildeten Suchhunden. Im Unterschied zu dem freundlich mit dem Schwanz wedelnden kleinen Suchhund – mindestens drei solcher Exemplare würden in einen ausge-wachsenen deutschen Schäferhund passen – schauen dafür die ihn begleitenden Damen in Uniform vom Zoll streng und ganz offiziell auf die Massen der vorbeiziehenden Touristen. Überall hängen Schilder, die darüber informieren, dass ein widerrechtliches Mitführen von Lebensmitteln jeder Art sofort mit einer Strafe von mindestens 400 Neuseeland-Dollar belegt wird.. Da kann ein kleiner unschuldiger Apfel richtig teuer werden.
Der Kauri-Baum ist der Star
Der Kauri-Baum ist der größte und berühmteste der in Neuseeland beheimateten Bäume und wächst im gemäßigten Regenwald der Nordinsel. Einst bedeckten die Kauris große Teile der Insel. Heute gibt es nur noch wenige Exemplare. Von Auckland etwa 120 Kilometer Richtung Norden entfernt, erstreckt sich an der Westküste der Waipoua Kauri Forest. Das Kauri-Museum in Matakohe präsentiert seinen Besuchern ganz unaufgeregt den Star des Urwaldes, der bis zu 4.000 Jahre alt werden kann. Seit der Besiedlung von Neuseeland schon durch Urbarmachung mittels Brandrodung dezimiert, wurden die Giganten ein Exportschlager und drohten der Holzindustrie zum Opfer zu fallen. Schließlich stellte die Regierung die Riesenbäume vor 60 Jahren unter Naturschutz. Heute ist der Bestand durch pilzartige Mikroorganismen gefährdet, die durch die Schuhe der Besucher in Kauriwälder eingeschleppt werden und langfristig zum Absterben der Kauris führen können. Die Regierung erwägt sogar, alle Kauri-Parks in Neuseeland für Besucher zu sperren.
Tane Mahuta – The Lord of the Forest
Direkt am Highway 12 kann der Besucher bislang noch den größten existierenden Baum im Kauri Forest selbst in Augenschein nehmen. Abenteuerlich ist wie zu den meisten Naturwundern in Neuseeland schon der gut präparierte Weg durch den immergrünen Urwald mit seinen riesigen Farnblättern. Nach Desinfektion des Schuhwerks und zwölf Minuten Fußweg steht man dann vor ihm und hält den Atem an: Tane Mahuta, in Maori-Sprache „Herr des Waldes“. Seine Gesamthöhe beträgt 51,5 Meter, der Umfang seines Stammes misst 31,8 Meter und sein Alter wird auf 2000 Jahre geschätzt. Mit zunehmender Höhe werden die unteren Äste nach und nach abgeworfen. Die obersten Äste bilden sich irgendwann zu einer dichten breiten Krone aus, die alle anderen Bäume überragt und den Wald dominiert. Der Stamm wächst zunehmend zu einer mächtigen Säule ohne Äste heran. Nach der Kosmologie der Ureinwohner ist Tane der Sohn von Ranginui, dem Himmelsvater und Papatuanuku, der Mutter Erde. Für die weißen Siedler heißt er nur: The Lord of the Forest. Und für die Touristen ist es ein einmaliger Anblick.
Es dampft aus den Erdspalten
Die Region um den Ort Rotorua steht auf der Nordinsel an der Spitze der Attraktionen für Touristen. Und das ist auch nicht verwunderlich. Denn der kleine Ort Rotorua am gleichnamigen See
ist quasi die Welthauptstadt der am besten zugänglichen Geothermalgebiete auf der Erde. Und auch die an einigen Stellen damit verbundene Duftnote von aufsteigendem Schwefel-wasserstoff (Geruch von faulen Eiern) bremst keineswegs die Neugier der Touristen. Mitten im Ort liegt der Kuirau-Park, angelegt in bester englischer Gartenbau-Tradition.
Doch der Park mit seinen rauchenden Thermalquellen und kleinen dampfenden Kratern ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das 30 Autominuten entfernte Wai-O-Tapu Wonderland der heißen Quellen nahe der Ortschaft Tapu. Es hat auf einer Fläche von 18 Quadrat-kilometern jede Menge kollabierte Krater, heiße und kalte Seen, hoch kochende Schlamm-tümpel und dampfende Erdspalten zu bieten. Alles das ein Ergebnis von Vulkanen, die vor 160.000 Jahren ausbrachen und diese bizarre Landschaft formten. Pünktlich um 10.15 Uhr tritt dann täglich Geysir Lady Knox auf. Wie in einem Amphitheater haben sich hunderte Touristen auf langen Sitzreihen versammelt. Nach der Zugabe von seifigen Tensiden beginnt der Geysir gehorsam eine bis zu zehn Meter hohe Wasser-Chemikalien Fontäne nach oben zu schießen. Hunderte von Kameras aller Formate und Größen starten ein heftiges Klick-Feuerwerk.
Das begrabene Dorf Te Wairoa
Nicht weit entfernt kann der Tourist in der Nähe des Sees Tarawera ein anderes Ergebnis von Vulkantätigkeit besichtigen. Hier ist in einem Museum mit einer großen gepflegten Parkanlage das von Vulkanasche und Vulkanschlamm begrabene Dorf Te Wairoa zu besichtigen („Buried Village“). Im Jahr 1886 hatte der Vulkan Tarawera große Teile des Dorfes unter einer Schlamm- und Geröllschicht begraben. Viele Bewohner wurden verschüttet, 120 von ihnen verloren ihr Leben. Unter ihnen ein junger Reisender aus England. Er hatte in dem in viktorianischen Stil errichteten Hotel Schutz gesucht. Es wurde in der Nähe des Vulkans errichtet und diente als Ausgangsbasis für Expeditionen zu den pinken und weißen Sinter-Terrassen aus Opal-Mineralien. Andere Gäste hatte mehr Glück und überlebten, weil sie sich in Hütten des Maori-Dorfes retteten. Das Leben mit Naturgewalten.
Eigenes Badebecken am Strand
Die Touristen können den Natur-Phänomenen in Neuseeland oft hautnah auf die Pelle rücken. Ein Strand in der Nähe des kleinen Ortes Hahei auf der Halbinsel Coromandel macht es möglich. Es braucht keine Hinweisschilder, um den Hot Water Beach zu finden. Vom Parkplatz, der 20 Minuten Fußweg vom Strand entfernt ist, bewegt sich ein kleiner Strom von Urlaubern Richtung Küste. Besonderes Kennzeichen: Alle haben eine Schaufel oder einen Spaten bei sich. Denn schließlich dreht sich alles darum, im Zeitraum der Ebbe von etwa zwei Stunden auf dem Strand ein eigenes kleines Bade-Bassin zu graben.
Die heißen Quellen, die unter dem Sand sprudeln, sorgen für warmes und manchmal sogar sehr heißes Wasser. Gräbt man an der richtigen Stelle, bringen zur Flut die Wellen des aufsteigenden Meeres eine Abkühlung. Manche Schilderungen in Reiseführern schwärmen davon, an bestimmten Stellen Neuseelands mutterseelenallein im selbst gegrabenen Becken sich von Thermalquellen erwärmen zu lassen. Das soll es wirklich geben. Hier am Hot Water Beach bei Hahei graben auf einigen einhundert Meter Strand geschätzt mindestens 500 Urlauber ihre Badebecken – Alltag im Massentourismus. Wer anschließend im Meer badet, muss auf der Hut sein, denn die Wellen des Pazifik schlagen hier gefährlich hoch.
Der Fjord nennt sich Sound
Die Route einer Rundreise durch ganz Neuseeland führt meist zwingend auf der Nordinsel in Wellington zum Fährbahnhof, wo der Reisende mit dem Fährschiff auf die Südinsel übersetzt. Auf dem Wasserweg über die Cook Street braucht das Fährschiff für die 96 Kilometer bis zum Hafen in Picton knapp vier Stunden. Das Schiff durchfährt auf dem letzten Teil der Strecke nach Picton die Marlborough Sounds. Zu beiden Seiten des Ufers erheben sich imposante Felsen und malerische Bergzüge, entstanden in der letzten Eiszeit, als sich der Meeresspiegel hob und viele Küstentäler unter Wasser setzte. Mancher Reisende fühlt sich an Bilder in Norwegen erinnert. Die von Bergen eingerahmte Wasserstraße sieht aus wie ein Fjord, trägt aber den Namen Sound.
Doch dieses Naturerlebnis vor dem Landgang auf der Südinsel ist eigentlich nur ein kleines Vorspiel für den Besuch des berühmten Milford Sound. Er ist der bekannteste der insgesamt 15 Fjorde, die sich im Nationalpark Fjordland im Südwesten der Südinsel befinden. Die Sonderstellung des Milford Sound besteht darin, dass er sich mit steilen Wänden mehr als 1000 Meter über dem Meer erhebt. Besonders attraktiv ist für die Fahrgäste der Schiffe, dass der 15 Kilometer lange Milford Sound an vielen Stellen mit weniger als 1000 Meter Breite, äußerst schmal ist. Besonders spektakulär sind die Wasserfälle wie der Bowen Falls.
Eiszungen reichen bis zum Regenwald
Die Gebirgszüge auf der Südinsel werden ohne Übertreibung als die „Südlichen Alpen“ bezeichnet. Immerhin erreichen 17 Gipfel eine Höhe von mehr als 3000 Meter. Wie auch die Alpen in Europa haben die Neuseeländischen Alpen ihre Gletscher. Ihre Eiszungen reichen weit hinab in die Regionen des Regenwaldes und der Küste und wie in Europa sind sie durch die Klimaveränderung teilweise auch auf dem Rückzug. Das eisige Zentrum bilden die nicht weit entfernt voneinander liegenden Franz Josef Gletscher und der Fox Gletscher. Naheliegend für die Touristen wurde die kleine Ortschaft Weheka gleich in „Township Fox Glacier“ umbenannt. Wie in Österreich oder der Schweiz führen viele Wanderwege zu den Gletscherzungen. (11) Nur sechs Kilometer vom Fox-Gletscher entfernt liegt der Lake Matheson. Sensationelle Sichten auf den Gletscher verspricht eine Wanderung rund um den See. An einigen Aussichtspunkten spiegeln sich die Berge und Gletscher auf der Seeoberfläche wider. Außerdem schlägt den Besucher der an den schmalen Pfad um den See angrenzende Urwald mit seinen riesigen Baumfarnen in seinen Bann. Später auf der Straße ein noch intensiveres Erlebnis des Urwaldes. Die Strecke führt scheinbar mitten durch sehr dichtes undurchdringliches grünes Buschland, das wie eine grüne Mauer die Fahrbahn säumt.
Einzigartig klarer Himmel
Was sind die bunten Motive der Postkarten, die es im digitalen Zeitalter in einigen Shops in Auckland und Wellington immer noch gibt, gegen die beeindruckende Wirklichkeit. Und manche Fotos, von den langen felsigen Küsten, Gebirgszügen, Fjorden und Gletschern wirken mit kräftigen Farben so perfekt wie ein gemaltes Bild. Diese Effekte schafft kein Fotoshop, sondern ein besonderes Leuchten über Neuseeland. Hier herrscht noch eine gänzlich klare Luft, nahezu staubfrei fernab dem industrialisierten Europa. In Neuseeland fehlen seit jeher die Industrieschlote und ein übriges tun die starken Meereswinde, die den Staub hinaus in die Weiten des Pazifik blasen. Und allerorten thronen über den Bildmotiven bizarr geformte Wolkenfelder und schaffen mitunter eine melancholische Stimmung. Die Maori nannten deshalb ihre Heimat das Land der langen weißen Wolke.
Fotos: Ronald Keusch