CTOUR auf der ITB 2017: Spanien-Tourismus energiegeladen

Auf der Leinwand leuchten im Saal des smart-grauen Konferenz City Cube Berlin mit der Ankündigung der Pressekonferenz vier Bilder von spanischen Destinationen. Aber kein Foto mit ‚Sonne und Strand‘ ist dabei. Es sind zunehmend von Deutschen besuchte Schönheiten des Binnenlandes, des Nordens und Westens, die Wein-Kulturlandschaft Riojas, das alpine Hochgebirge, die wertvollen historischen Bauten, die Kathedralen und Paläste.

Die Richtung ist nicht neu. Die spanischen Tourismusmacher engagieren sich seit mehr als zwei Jahrzehnten dafür. Nun wird der Wunsch der Tourismusmacher allmählich der Wunsch von deutschen Touristen, die andere touristische Wege in Spanien  er-fahren und er-wandern (wollen).

Álvaro Nadal Belda, Minister für Energie, Tourismus und Digitale Agenda

Pünktlich kommt er, mit voller Energie
15 Uhr. Pünktlich kommt der (relativ neue) Minister Álvaro Nadal Belda, der einzige sichtbare Akteur während Spaniens Pressekonferenz auf der ITB. Schnell beginnt er, schnell spricht er, spanisch am Anfang gemixt mit etwas Deutsch. Energie geladen trägt der Minister, der nicht nur für Tourismus, sondern auch für die Ressorts Energie und Digitale Agenda zuständig ist, den für Spanien erfreulichen Trend vor: „2016 war für Spanien wiederholt ein Rekordjahr. Die 75-Millionen-Grenze wurde überschritten. Spanien hat 2016 bei den Touristenzahlen 75.563.198 erreicht. Das ist ein Plus von 10,3% im Vergleich zum ‚guten‘ Jahr 2015. Damit wurde der ununterbrochene Zuwachs seit nunmehr sieben Jahren fortgeschrieben“.

Es reisten (nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik, Madrid) auch 6,4%  mehr deutsche Touristen – insgesamt knapp 11,2 Millionen nach Spanien. „Damit ist Deutschland der drittstärkste Entsendemarkt nach Großbritannien und Frankreich.“ Wir wissen aus Marktanalysen: für die Deutschen bleibt Spanien die begehrteste ausländische Feriendestination des zurückliegenden Jahrzehnts (Studien: Reisebarometer von LEIF, Leipzig und Reiseanalyse von FUR, Kiel).

Madrid, Plaza de Mayor – ein wichtiges Ziel für Städtereisen in Europa

„Beim Ranking der besuchten spanischen Destinationen liegt Katalonien weit an der Spitze, gefolgt von den Kanaren, den Balearen, Andalusien, Valencia und Madrid. Bei den Deutschen sind erneut die Balearen am gefragtesten“, erklärt der Minister. Dazu fällt dem Autor ein: noch vor 15 Jahren hat er eine Seite in der Leipziger Volkszeitung über „Madrid – die unbekannte Hauptstadt“ geschrieben. Heute gehört Madrid mit seinen kulturellen und gastronomischen Highlights, seiner komplexen Schönheit zu den wichtigen Städtezielen Europas.

Der Tourist will Meer, aber auch mehr
„Der große Renner bleibt in Spanien das Angebot ‚Sonne und Strand‘. Es ist in Spanien die gefragteste Art, Urlaub zu verbringen. Kein Wunder, dass dabei die Kapazitäten in den  Hochsommer- und Ferienmonaten Juli und August  ausgelastet sind. Über das Jahr verteilt wächst aber die Nachfrage in Bereichen wie Wandern oder Radtouren, Kultur- und Städtetourismus, Landurlaub, Sprach- und Pilgerreisen, Abenteuer- oder Gesundheitstourismus, Wein- und Olivenölrouten, Vogel- oder Wal-Beobachtung oder Surfen. Die Angebote für die Nebensaison werden stärker angenommen“, konstatiert Minister Belda. Den Zuwachs der Touristenzahlen insgesamt begründet der Minister unter anderem mit diesem Zuwachs bei besagten Nicht-Sonne-Strand-Angeboten.

Dieser Wunsch wird von den spanischen Tourismusmachern seit einem viertel Jahrhundert gehegt. Die neue gewünschte Richtung ins Landesinnere wird erkennbar – auch wenn in Spanien wohl immer der Strand locken wird; aber eben nicht nur.

Rote Lampen über Spaniens Messestand sind nur Blickfang, kein Symbol

Salamanca und andere alte Universitätsstädte haben mit ihren Sprachschulen die Herzen der interessierten deutschen Jugend gewonnen. Der Blick der Bildungs- und Erlebnistouristen richtet sich zunehmend nach Norden, nach Asturien, dem Baskenland, nach der Weinregion Rioja oder zur Mitte nach  Kastilien-León, Kastilien-La Mancha oder nach Westen wie Extremadura und Galicien. Galicien kann sich immer noch dem Ansturm der Pilger und Wanderer auf dem Jakobswege kaum erwehren.

„Unser Ziel ist es mehr deutsche Gäste zu empfangen. Es ist schwer oben zu sein und oben zu bleiben. Dazu suchen wir Antwort auf die Frage: Wie können wir ein besser angepasstes Angebot für den deutschen Entsendemarkt schaffen?“, so der Minister.

Fragestunde
Abrupt unterbricht der Minister nach fünf Minuten seine relativ kurz-bündige Vorrede: „Fragen Sie bitte.“
Auf eine Frage nach den Preisen und einem Stopp der Preisspirale erklärt der Minister selbstbewusst: „Wir haben ein gutes Angebot. Danach richten sich die Preise. Starke Nachfrage bestimmt nun mal die Preise. Allerdings sind wir dabei die Hoteliers anzuregen, ihre Kostenursachen zu prüfen. Beim Bremsen der Preisspirale steht Energieeinsparung an erster Stelle. Die höchsten Kosten verursachen im Tourismus – konkret bei den Hotels – nach den Gehältern und Löhnen die Ausgaben für Energie. Wir denken, dass bei den Energiekosten Reduzierungen zum Beispiel durch Investitionen möglich sind. Wir wollen energieeffizient arbeiten, wollen auf diesem Gebiet Spitze sein. Keine Energie soll verschwendet werden“, konstatiert der Tourismusminister als Auch-Energieminister. „Spanien bietet Qualitätstourismus in allen Segmenten und für jeden Geldbeutel. Dazu kommt ein Angebot, das seit Jahren immer vielfältiger und immer detaillierter wird sowie breite Interessen anspricht bzw. sie wecken kann.“

Spaniens ITB-Stand wie immer groß wie sein Tourismus

Eine andere Frage versucht Gründe für das Wachstum zu finden: Kann der Zuwachs der Touristenzahlen nicht mit dem starken Rückgang in anderen Mittelmeerdestinationen erklärt werden? Der Minister wiederholt: „Zum großen Erfolg 2016 hat zweifelsohne die instabile Lage in anderen Tourismus-Destinationen, wie z. B. in Ländern Nordafrikas, beigetragen. Aber in erster Linie ist der Tourismus der guten Arbeit der spanischen Tourismusbranche zu verdanken, eine der wettbewerbsfähigsten weltweit“, erklärt der Minister souverän und setzt konkret fort: „Der Spanische Tourismus befindet sich in einer guten Situation. Tourismus ist der Schlüssel unserer Wirtschaft. Wir wollen Angebote schaffen, die jeweils Briten und Deutschen Interesse finden. Wir wollen Angebote mit Mehrwert schaffen – nicht nur Sonne und Strand. Den Zuwachs haben übrigens Regionen wir Rioja, Leon, Galicien oder Extremadura gebracht. Da haben wir weiterhin noch ein großes Potential.“

Touristen-Phobie in Spanien?!
In Spanien gab es in einigen von Touristen stark frequentierten Regionen – z. B. auf den Balearen oder in Barcelona – Proteste der Einwohner gegen eine „Verschmutzung durch den Tourismus“. Der Tourismus wird von Teilen der Bevölkerung nicht unbedingt begrüßt.

Was zuviel ist ist zuviel, denkt der Autor. Wie geht der Minister damit um? Vor der Beantwortung dieser Frage fällt kurz das Mikrophon aus. Der Minister scherzt: „Hierbei wird es doch wohl kein Boykott geben … Diese Ablehnung bei Teilen der Bevölkerung ist ein politisches Problem in touristischen Ballungsräumen. Wir müssen darüber öffentlich reden. Das wurde in der Vergangenheit versäumt“, kann der Minister – erst neu eingesetzt – locker erklären. „Wir brauchen in touristischen Ballungsgebieten eine öffentliche Diskussion über Tourismus und Soziales.“ Zudem müsse in diesen Gebieten die Infrastruktur für Einwohner und Gäste weiter verbessert werden, damit diese Konflikte gelöst werden.“ Der Autor denkt: Spanien hat etwa 46 Millionen Einwohner. Dazu stoßen 19 Millionen Touristen. Da wird Ablehnung verständlich. Warum wurde über diesen Konflikt zwischen Tourismus und Soziales so wenig von deutschen Medien berichtet?

„Romeo und Julia“ – 500 Jahre alte Olivenbäume in Liebe umschlungen

Nach 30 Minuten ist alles gesagt. Die Halbe-Frage-Stunde ist beendet. Der Minister eilt mit Energie für den Tourismus davon.
Etwas Verschämt wird am Ausgang den interessierten Journalisten eine 7,5 cm kleine, aus Korkstückchen gepresste Weinfläschchen-Attrappe zugesteckt. Sie entpuppt sich als Stick mit interessanten Informationen.

Flaschenpost mit neuen Inhalten
Aus dem ‚falschen‘ Fläschchen fließen wahrhafte und neuwertige Fakten. Dabei sind Schwerpunktziele im Binnenland der Iberischen Halbinsel. Nur zwei sollen genannt sein: Andalusien mit der Olivenölspur und Picasso.

Vor 80 Jahren malte Picasso eines seiner berühmtesten Gemälde ‚Guernica‘. Zum Geburtstag dieses Gemäldes wird im Museum Reina Sofia in Madrid im April eine Sonderausstellung eröffnet: ‚Erbarmen und Terror bei Picasso – der Weg nach Guernica‘. Der Anlass der Entstehung des überdimensionalen Bildes war die Bombardierung des baskischen Ortes Guernica am 26. April 1937 durch die deutsche Legion Condor. Außer dem Gemälde werden 150 weitere Arbeiten gezeigt Es sind zumeist Phasen zur Entstehung des großen Werkes. Zwei weitere große Picasso-Ausstellungen werden im Museo Picasso de Barcelona und im Madrider Museo Thyssen-Bornemisza zu sehen sein: Porträts, darunter Karikaturen, in Barcelona und Picasso und der französische Maler in Madrid.

Der Weg zum Olivenöl
Ein anderes Beispiel für einen Weg ‚weg vom Strand‘: in Andalusien dreht sich viel um das Olivenöl. Etwa 60 Millionen Olivenbäume stehen in der andalusischen Provinz Jaén. Mit der ‚Andalusischen Olivenbaum-Landschaft‘ wird sich Spanien um den Titel Welt-Naturerbe‘ der UNESCO bewerben. Zu Recht, denn eine ähnlich geschlossene Olivenbaum-Kulturlandschaft gibt es wohl kaum auf der Welt.

Einmalige Kulturlandschaft der Olivenbäume

Seit einigen Jahren gibt es die Route des Olivenöls. Der Gast kann die Oliven ernten, pressen, abfüllen. Er kann auf der ‚Via Verde del Aceite‘ – auf dem Grünen Öl-Weg – per pedes oder Bike wandern. Hier ratterte bis Anfang der 70er Jahre des vorherigen Jahrhunderts eine kleine Eisenbahn, und brachte Personen und Oliven an ihr Ziel. Unweit dieser ehemaligen Eisenbahnstrecke, nahe der Stadt Martos, gibt es in seiner Größe einmalig auf der Welt einen Olivenhain mit 5.400 Olivenbaum-Methusalems. Die 500 Jahre alte Olivenbäume bringen auch heute noch Früchte, zwar nicht mehr so viele, aber von hoher Qualität. Dabei sind auch ‚Romeo und Julia‘. Im Gegensatz zu dem literarisch jungen Liebespaar in Verona, kamen die beiden Bäume in jungen Jahren  zusammen. Die vor 500 Jahren gepflanzten Triebe hatten sich umschlungen und sind es heute noch. Sie wurden für viele Einheimische zu einem Denkmal der Natur, zu einem Denkmal für eine starke Liebe. Sie bleiben zusammen bis der Tod sie scheidet.

Ein Nachsatz: Über dem ITB-Stand der Spanier hingen große rote Laternen. Kein Symbol, denkt der Autor, sondern ausschließlich ein Hingucker. Spanien bleibt im Tourismus wie während der zurückliegenden zwei Jahrzehnte weiterhin Spitze.

Weitere Infos:
www.spain.info
www.reisebarometer.com

Fotos:  Dr. Harald Schmidt