CTOUR on Tour: Das Volk der Dai: Schwarze Zähne sind schön (Teil 2)

Der Name der Region Xishuangbanna in der chinesischen Provinz Yunnan bedeutet übersetzt „12 Reisanbauende Distrikte“. Neben Reis wird in dieser fruchtbaren Gegend auch Tee angebaut. Weit über die Landesgrenzen hinaus ist der Pu`Er Tee der bekannteste.

Der Flughafen „Xishuangbanna Gasa“ in Jinghong, der Hauptstadt des Autonomen Kreises Xisuangbanna, ist nur fünf Kilometer von der Innenstadt entfernt. Von dort aus lassen sich wunderschöne Ausflüge ins Umland machen. Jinghong liegt am Mekong-Fluss, der im Chinesischen „Lancang Fluss“ (turbulenter Fluss) genannt wird. Palmen säumen die Straßen und vermitteln eine entspannte Atmosphäre. Inmitten des Stadtzentrums liegt der künstlich angelegte „Pfauensee“, hier treffen sich allabendlich Jung und Alt. Es wird gemeinsam musiziert, getanzt und gelacht.

Fütterung am „Pfauensee“.

Herr Li, ein freundlicher Chinese, den ich im Hotel kennengelernt habe, möchte mich auf eine Entdeckungstour rund um Jinghong einladen. Wir haben die Wahl, ein Fahrrad zu leihen oder uns mit dem Tuk-Tuk, einer Fahrradrikscha, chauffieren zu lassen. Letztendlich entscheiden wir uns für ein Taxi, die bequemste und dazu noch kostengünstigste Variante. Wir machen uns auf nach Yexianggu, ins sogenannte Tal „der wilden Elefanten“, ein Naturreservat im tropischen Regenwald.

Im Tal der „wilden Elefanten“.

Unterwegs erzählt mir Herr Li von weiteren besonderen Traditionen des Dai-Volkes. Eine davon ist, sich die Zähne zu schwärzen. Das dient nicht nur dem angesagten Schönheitsideal, sondern auch dem Schutz der Zähne. Das „Betelkauen“ reinigt die Zähne. Doch nur verheiratete Frauen dürften Betel kauen und ihre Zähne schwärzen.

Das Schwärzen der Zähne gehört zum Schönheitsideal.

Und auch vom speziellen Kalendersystem weiß Herr Li zu berichten, das mit dem Jahr 638 unserer Zeitrechnung anfängt. 2018 wäre demnach das Jahr 1380. Zu Neujahr, das zwischen dem 13. und 15. April gefeiert wird, lassen die Dai eine Kongming-Laterne in den Abendhimmel steigen und schicken so ihre Wünsche ganz nach oben.

Mit den Laternen steigen auch die Wünsche in den Himmel.

Die Dai hängen der ältesten noch existierenden Lehre des Buddhismus an, der Theravada. Diese Lehre geht auf eine Mönchsgemeinde zurück, die zu den ersten Anhängern Buddhas gehört haben soll. Ihr innerhalb der Stadt gelegene DaFo Tempel (大佛寺)mit seiner 25 Meter hohen Buddha Statue ist ein „muss“. Hier hat man auch die schönste Aussicht über die ganze Stadt.

DaFo Tempel mit seiner 25 Meter hohen Buddha Statue.

Und weiter geht’s zu einem Abstecher in den Manting-Park (曼听公园). Herr Li spaziert mit mir rund um den See, der den Park umgibt. Wir bewundern Grünanlagen, Pagoden, Tempel, sowie ein Theater, das eine abendliche Tanzshow ankündigt. Die Kostüme auf dem Plakat sehen prächtig aus, aber Herr Li meint etwas abschätzig, dass sie mit den traditionellen Gewändern der Minderheiten aber auch gar nichts zu tun hätten. Ein echter Fake! Er blinzelt mir zu.
Wahrhaftig ist jedoch die über 1.300 Jahre alte Geschichte dieses ehemaligen königlichen Parks, in dem es einen im Thailändischen Stil errichteten Tempel und eine Voliere mit unzähligen Pfauen gibt. Vor vielen Jahrhunderten war es einzig den Feudalherren vorbehalten, sich hier zu erholen und zu amüsieren. Der Park wird auch ‚Chunhuan Park‘ genannt, was bedeutet, dass man hier seine Seele entspannen und alle irdischen Sorgen beiseitelassen kann. Wie alle Namen in China hat auch dieser eine Geschichte. Eines Tages soll der König diesen Park mit seiner Prinzessin besucht haben. Sie war von der Schönheit des Ausblicks so begeistert, dass sie ihre Seele verlor und alles andere um sich herum auch gleich vergaß.

Der schöne Anblick lässt einen die Welt vergessen.

Dafür, dass der heutige Besucher nicht die Welt vergisst, sorgt der frühere Premier Zhou Enlai, der als Bronzestatue den Eingang zum Park bewacht. Einst war er zu den einfachen Leuten gekommen, heißt es, und hatte am Fest des Wasserplantschens teilgenommen. Die Statue soll an diesen unvergesslichen Tag erinnern. Links von der Statue stehen zwei Bodhi-Bäume, die von der Prinzessin von Thailand gepflanzt wurden und ein Zeichen der Freundschaft zwischen Thailand und China darstellen sollen. Immerhin soll unter einem Bodhi-Baum auch Siddharta Gautama meditiert und Erleuchtung gefunden haben.
Dafür zeigt der Garten für Tropische Pflanzen (花卉园)nicht weit vom Park gelegen, Palmen, Blumen und Sträucher, die typisch sind für die Region. Hier stimmt alles, meint Herr Li. Besonders die Anlagen mit Nutzpflanzen haben es ihm angetan: Lokale Früchte, wie Ananas, Jackfrucht, um die die Veganer derzeit so einen Hype machen; Pomelo, irgendwas zwischen Pampelmuse und Grapefruit, die den Blutdruck senken soll; Drachenfrucht, die von Kakteengewächsen stammt; und die Litschis, die man eher aus exotischen Fruchtsalaten kennt. Außerdem kann man im Tropengarten auch an bestimmten Tagen die Kautschukernte miterleben.
Der Garten wurde 1959 unter Leitung des Botanikers Cai Xitao aufgebaut. In dem insgesamt über 860 Hektar großen Gebiet wachsen außer den tropischen Pflanzen der Region noch weitere subtropische Pflanzenarten aus China und Übersee. Es gibt hier auch Pflanzen zu sehen, die vom Aussterben bedroht sind, wie der Drachenbaum, nicht zu verwechseln mit den pflegeleichten Zimmerpflanzen gleichen Namens, und der Upas-Baum, der ein tödliches Pfeilgift enthält. Interessant ist auch die „Uhren-Blume“, deren Kelch sich mit der Sonne öffnet und schließt, sowie das sogenannte „tanzende Gras“, das sich zu musikalischen Tönen bewegt, sowie die „mysteriöse Frucht“, deren Geschmacksrichtung sich ständig ändert, von sauer nach süss und wieder zurück. Auch der „König der Tee-Pflanzen“ ist hier zu bestaunen. Sollten die offiziellen Quellen stimmen, ist der Baum mindestens 800 Jahre alt und bringt nach wie vor neue Triebe hervor.

Ein 800jähriger Teebaum.

Gleich neben dem Manting Park kann man in einem traditionellen Hof Dai-Cuisine probieren. Jede Nacht soll hier eine Lagerfeuerparty abgehen, an der die Dai ihre Tänze vorführen. Dazu wird ein traditionelles chinesisches Instrument die Hu Lu Si, eine Mundorgel gespielt.

Diese fein gestickte Umhängetasche, in der Dai-Sprache „Tong pa“ genannt, gehört zur Handwerkskunst der Dai.

Doch Herr Li hat anderes vor. Er will mir die echten Trachten der Dai zeigen. Wir fahren mit der Fahrradrikscha, dem Tuk Tuk, zum Ethnologischen Museum (西双版纳州民族博物馆), das erstaunlicherweise so spät noch geöffnet hat. Hier ist viel über die zum Teil noch gelebten Gebräuche der Minderheiten zu erfahren.

Im Bambusrohr gebackener Reis ist eine bekannte Spezialität in Yunnan.

Danach haben wir mächtig Hunger und Herr Li verspricht mir einen kulinarischen Rundgang durch die vielen Köstlichkeiten der regionalen Küche. Obwohl in der Provinz Yunnan gelegen, hebt sich die Dai-Küche schon deutlich von allen anderen ab. Die Gerichte sind meist scharf gewürzt und enthalten eine Vielzahl an lokalen Kräutern und Gewürzen. Eine Delikatesse ist z. B. der Bambusreis, der in einem Bambusrohr zubereitet wird.

Aber auch die sogenannten „Über die Brücke Nudeln“ (Guo Qiao Mi Xian), eine Reisnudelsuppe, deren Zutaten, wie Gemüse- und verschiedene Fleischsorten, erst am Tisch mit heißer Brühe übergossen werden. Angeblich wurde das Gericht von der Ehefrau eines kaiserlichen Gelehrten erfunden. Irgendwann in der Qing Dynastie (1636-1911) bereitete sich ein Gelehrter im Landkreis Mengzi auf einer kleinen Insel auf seine kaiserliche Prüfung vor. Jeden Tag erwartete er seine Frau, die ihm pünktlich das Mittagessen brachte. Doch wenn die Frau die lange Brücke zur Insel überquert hatte, war die Suppe meist kalt und die Nudeln pappeweich geworden. Um Abhilfe bemüht, füllte die Frau einen großen Topf mit kochendem Wasser und umhüllte ihn mit einer Ölschicht als Isolierung. Nudeln und andere Zutaten wurden extra transportiert. Erst auf der Insel schüttete sie die Zutaten in das heiße Wasser. Ob deswegen oder aus anderen Gründen, der Gelehrte bestand die Prüfung und schwärmte von den raffinierten Kochkünsten seiner Frau. Seitdem heißt das Gericht „Über-die-Brücke-Nudeln“ und wird auch heute noch erst am Tisch mit den Zutaten zusammengemischt.
Und weiter geht es ins nächste Restaurant. Hier wollen wir Chaofengyong 炒蜂蛹 „Gebratene Hornissenpuppen“ probieren. In fast jedem Restaurant sieht man Hornissenwaben schon im Schaufenster. Der Koch löst die noch lebenden Puppen, egal wie groß oder in welchem Entwicklungsstadium sie sind, aus ihrem Nest und brät sie mit Gewürzen sowie einer ordentlichen Portion Chili im Wok bis sie knusprig sind. Die jungen Larven sind bei den Dai jedoch am beliebtesten. Ich bin noch unschlüssig und stippe die Puppen erst mal in den feurigen Dip.
Kaum habe ich die Hornissenpuppen geschafft, geht es weiter mit einem Eiersalat. Während bei uns der Eiersalat eher in Mayonnaise ertränkt wird, gibt’s hier eine gesündere Variante. Der „Tausendjährige Eiersalat“, Pidan Shala 皮蛋沙拉, wird als Beilage zu einer deftigen Mahlzeit gegessen. Tausendjährige Eier sind zwar üblich in der chinesischen Küche, aber hier an Grenze zu Myanmar wird das Hühnerei nur kurz fermentiert und dann erst gekocht. Dadurch schmeckt das Ei nicht ganz so streng. Das gekochte Pidan wird in Würfel geschnitten und mit frischen Tomaten, Zwiebeln, Gewürzen, sowie einer Soja-Essigsauce und natürlich einer ordentlichen Prise Chili serviert. Wenn alles richtig gemacht wurde, tränen jetzt jedem Gast die Augen.

Die Ananas wird ausgehöhlt und roter Reis eingelegt. Schon ist das süßsaure Dessert fertig.

Interessant sind auch die Kalten Reisnudeln und der Ananas-Klebreis. Während die kalten Reisnudeln noch an meinem Gaumen hängen und die dazugehörige Meerrettich-Sauce ihren beißend scharfen Geschmack entwickelt, entschließe ich mich, danach unbedingt etwas Süßes zu probieren. In einer halbierten Ananas wird deren saftiges Fruchtfleisch mit Palmzucker und Klebreis vermengt, Bananenmus oben drauf getan und das Ganze im Dampftopf zu einem köstlichen Brei geschmolzen.

Herr Li und ich sitzen wie die Kugelfische auf unseren Stühlen, nichts geht mehr. Doch eines muss noch, verlangt Herr Li, den Shouzhua Reis. Shouzhuafan 手抓饭heißt so viel wie den „Reis, mit den Händen anfassen“. Serviert wird er auf riesigen Bananenblättern, dazu kommen auf einem Bambusbrett noch Fleischgerichte und vegetarische Spezialitäten, sowie Reis und Früchte. Und ja, wir essen alles mit den Händen. Ich ernte dafür Lob von der Kellnerin und kriege hausgemachten Reiswein als Belohnung.

Jinghong am Ufer des Mekong gelegen ist eine Reise wert.

Noch mal kurz zusammengefasst: Der Autonome Bezirk Xishuangbanna der Dai (chinesisch 西雙版納傣族自治州 / 西双版纳傣族自治州), liegt im Süden der Provinz Yunnan der VR China an der Grenze zu Myanmar und Laos. Seine Hauptstadt ist Jinghong am Ufer des Lancang Jiang, Mekong, gelegen. Obwohl noch in China ansässig, hat das Dai-Volk eine ganz eigene Tradition bewahrt. Gastfreundlich und aufgeschlossen sind sie allemal. Wenn Sie Herrn Li treffen, können Sie sich ihm unbeschwert überlassen. Er führt Sie an jeden gewünschten und vor allem unvergesslichen Fleck der Region. Die Reise lohnt sich allemal!

Fotos: Elisabeth Escher