Stippvisite in Reykjavik und im Süden der Vulkaninsel
Teil 2: Wasserfälle und Vulkane
Jedes Land hat die Helden, die es verdient. Während weltweit sehr oft Militärs in kämpferischer Haltung für die Nachwelt posieren, hat die Insel in seiner jungen Geschichte keinen einzigen isländischen Soldaten aufzubieten.
Die tapfere Isländerin Tómasdóttir
Doch Island hat auch kämpferische Helden, denen ein Denkmal gesetzt wurde, wie beispielsweise der jungen Frau Sigriður Tómasdóttir. Für sie wurde von ihren Landsleuten ein kleiner Reliefstein sowie mehrsprachige Informationstafeln aufgestellt. Die Bauerntochter lebte vor 90 Jahren mit ihrer Familie auf einem Bauernhof in der Nachbarschaft von einem der schönsten Wasserfälle Islands, dem Gullfoss. Als ein englisches Unternehmen hier einen Staudamm und ein Kraftwerk bauen wollte, kämpfte die junge Frau hartnäckig mit den Behörden, um die Naturschönheit zu erhalten. Die erste Umweltschützerin der Insel drohte sogar, sich in die 31 Meter tiefe Schlucht des Wasserfalls zu stürzen. Auch ein Jahrzehnte später unternommener Versuch, hier Wasserturbinen einzusetzen, konnte verhindert werden. Erst seit 1979 stehen Wasserfall und Schlucht unter Naturschutz. Viele zehntausende Touristen bestaunen, wie der Gletscherfluss Hvita in zwei Kaskaden in einem 90 Grad Winkel die Schlucht hinunter stürzt. Auch für Sigriður Tómasdóttir lohnte sich der Kampf. Die 1874 geborene Isländerin lebte dort ihr ganzes Leben und starb 1957.
Pragmatischer Umgang mit Natur
Wer nun allerdings glaubt, hier auf Island, wo in Städten und Siedlungen keine Schornsteine rauchen, sondern nur Geysire dampfen, sei das Paradies eines nachhaltigen all umfassenden Naturschutzes errichtet, täuscht sich gewaltig. „Die Isländer sind immer Siedler gewesen, die gezwungen waren, der Natur ihr Leben abzutrotzen. Wir gehen mit unserer Natur pragmatisch um“, sagt die isländische Reiseleiterin Asa-Maria. So ist jedes neue Stück Betonstraße ein Sieg. Und in Mode sind solche Todsünden der „grünen Ideologie“ wie das Herumfahren in Sprit fressenden großen Jeeps, Cola trinken aus der Büchse oder alles in Plaste einwickeln. Zu guter Letzt, so heißt es, wird von den meisten Isländern ein ökologisches Verhalten nur belächelt. Beim Energieverbrauch rangiert Island hinter den USA an der Weltspitze.
Weltspitze als Vulkanland
Island ist einzigartig, auch weil es ein Vulkanland ist. Islands Vulkane haben seit der Besiedlung Jahr für Jahr immer wieder Lava aus Magmakammern, -spalten und -kanälen ausgespuckt. Die Insel, die vor Millionen Jahren durch den Ausbruch von Vulkanen tief im Meer erst als jüngstes Land entstand, produzierte seit der Landnahme im 9. Jahrhundert Dutzende Kubikkilometer flüssiges Gestein. Soviel Lava floss nirgends auf der Welt. Die Bruchstelle zwischen der eurasischen und amerikanischen Kontinentalplatte vergrößert sich pro Jahr um einige Zentimeter. Hier ist die Heimat der Vulkanausbrüche und Erdbeben.
In der südlichen Vulkanzone der Insel hat ein Vulkan mit dem schwer aussprechbaren Namen Eyjafjallajökull im Frühjahr 2010 in ganz Europa Berühmtheit erlangt.
Eine der beliebtesten Touristentouren, der so genannte „Goldene Kreis“, führt im Süden der Insel zu spektakulären Naturwundern. Dazu gehören neben dem Wasserfall Gullfuoss, das Gebiet von Geysiren und heißen Quellen sowie das Thingvellir, wo sich für viele Jahrhunderte die Ebene der Volksversammlungen hier mitten im Grabenbruch Islands befand. Seit knapp zwei Jahren ist eine Farm als weitere Sehenswürdigkeit dazu gekommen.
Museum zum Vulkan-Ausbruch
Eine viel besuchte Station auf der viel befahrenen Touristen-Straße Nummer 1 ist die Farm der Bauersleute Olafur und Gudny. Nicht weit von ihrem Anwesen entfernt, erhebt sich ein Gebirgszug mit einem Gletscher, unter dem sich ein Vulkan befindet – der Eyjafjallajökull. Seine ersten Eruptionen wurden von der Bauernfamilie am 20.März 2010 registriert. Der noch anfangs moderate Ausbruch avancierte zur Touristenattraktion und die Familie musste nun tausende Besucher mit Bussen, Jeeps und Hubschraubern ertragen. Am 13. April erfolgte dann der gewaltige Ausbruch, der feine Aschepartikel bis zu acht Kilometer in die Höhe schleuderte. Die Aschewolken verdüsterten den Luftraum Europas und mehrere Millionen Fluggäste konnten ihre Flüge nicht antreten. Damals schien das Schicksal der Farm und seiner landwirtschaftlichen Flächen besiegelt. Fast zwei Jahre später können die Touristen in einem kleinen Museum der Familie, einer umgebauten ehemaligen Werkstatt der Farm, anhand von Fotos und Filmen verfolgen, wie ihr zu Hause gerettet wurde.
Solidarität der Isländer rettet die Farm
Der schlimmste Schaden regnete aus der Aschewolke. Mehr als 400 Tonnen Vulkan-Asche legten sich in einer fünf Zentimeter dicken Schicht auf das Farmgelände. Im ganzen Land setzte eine große Solidaritätsaktion ein und auch der Staat gab Unterstützung. Vielen Dutzenden Helfern gelang das scheinbar unmögliche, den größten Teil der Ascheschicht abzutragen. Schon ein Jahr später grünten die Felder. Glück im Unglück hatte die Farmerfamilie, dass die Asche keine giftigen Bestandteile enthielt und einige Mineralien sogar den Boden düngten.
Zur Überlebensstrategie der Farmerfamilie gehört auch, dass Farmersfrau Gudny im Museum Touristen empfängt, ihnen Filme vorführt, Rapsöl und T-Shirts verkauft. Sie kann die dramatischen Tage des Vulkan-Ausbruchs nicht vergessen und erinnert sich: “Da bewegt sich einfach alles!“ Geologen vermuten, dass nach der Eruption des Eyjafjallajökull in naher Zukunft der Vulkan Katla auszubrechen droht. Kein Landstrich zum Siedeln für Ängstliche.
Haus Vulcano in Reykjavik
Der Besucher Islands kann sich auch in Reykjavik den Vulkanen nähern. Die Krise auf der Insel und die verbreitete Arbeitslosigkeit sorgten dafür, dass vier Geschwister einer Fischerfamilie, die von den Westmänner-Inseln stammen, eine Geschäftsidee suchten und fanden. Im Sommer 2011 eröffneten sie nahe dem Hafen das Cafe Haus Vulcano. Es ist so neu, dass es bisher noch nicht in den einschlägigen deutschen Reiseführern vertreten ist. Hier kann man nicht nur Kaffee trinken, sondern sich in einem kleinen Kinosaal das Treiben der Vulkane ansehen. Derzeit auf dem Programm ist ein Film über das Pompeii des Nordens, die Westmännerinseln. Im Jahr 1973 brach dort für mehrere Monate ein Vulkan aus, der Teile der Stadt Heimaey mit Lava übergoss und ein Drittel der Häuser unter Asche begrub. Der Film zeigt auch den aufopferungsvollen Kampf um die Rettung des Hafens, der Lebensgrundlage der Fischer. Ein zweiter Film widmete sich dem derzeitigen Star unter den isländischen Vulkanen, dem Eyjafjallajökull. Im Vulkan-Cafe liegt auch hinreichend Literatur aus und eine kleine geologische Sammlung bietet Vulkane zum Anfassen. www.vulcanohouse.is
Häpchenweise aussprechen: Eyja-fjalla-jökull
Als Island-Reisender kommt man gegenwärtig um den Vulkan und Gletscher Eyjafjallajökull nicht herum. Die Krux besteht nun darin, dass sich der Name für Nicht-Isländer nur schwer aussprechen lässt. Es wird leichter, so die Erfahrung von Reiseleiterin Asa Maria, wenn man mehrere Silbenhäppchen bildet und sie ein paar mal wiederholt: Eyja-fjalla-jökull, Eyja-fjalla-jökull …na also, geht doch jetzt ganz leicht über die Lippen.
Fotos: Ronald Keusch