Der Hafen von Reykjavik

CTour on Tour: Island im Winter

Stippvisite in Reykjavik und im Süden der Vulkaninsel

Teil 1: „Island ist wie Berlin: arm, aber sexy“ – Hallgrímur Helgason isländischer Schriftsteller und Kultautor
Ist es wirklich eine gute Idee, in den Wintermonaten nach Island zu reisen? Da herrscht doch nur Kälte und Dunkelheit, so die vorherrschende Meinung zumeist aller, die das Land nur vom Hörensagen kennen.

Der Hafen von Reykjavik
Der Hafen von Reykjavik

Milde helle Insel des Nordens
Der Besuch zum Jahreswechsel in der nördlichsten Hauptstadt Europas Reykjavik hält zunächst die erste Überraschung parat. Hier ist es, gerade im Winter, viel wärmer als erwartet. Aufgrund des Golfstroms ist das Klima milder als in anderen Breitengraden dieser Region. Die Temperaturen schwanken auch in diesem Jahr um den Gefrierpunkt. Allerdings sorgten anhaltende Schneefälle im Dezember 2011 mit Nachtfrösten und eisigem Wind für glatte Straßen und Gehwege.
Die zweite Überraschung wartet nach drei Flugstunden von Kopenhagen auf dem isländischen Flughafen Keflavik. Bei abendlicher Ankunft ist von einer dunklen Insel nichts zu entdecken. Die Autofahrt von einer knappen Stunde führt auf einer auffallend hell erleuchteten Straße nach Reykjavik. Preiswerter „grüner Strom“ auf der Insel aus Wasserkraft und Erdwärme lässt wie in einer Märchenwelt unzählige Lampen brennen, die die Dunkelheit vertreiben. Die Fahrt führt durch eine in das Gestein gefräste Landstraße, durch Lavafelder, deren bizarre Basaltformen mit Schnee bedeckt sind. Etwa auf der halben Wegstrecke von Keflavik nach Reykjavik taucht am Horizont ein großer heller Lichtflecken auf. Es ist die von hier mehrere dutzend Kilometer entfernte Blaue Lagune, die bekannteste Badestelle der Insel.

Stadtbild am Tjörninsee
Stadtbild am Tjörninsee

Solebad im Abwasser des Kraftwerks
Die Karriere der Lagune, sich zur ersten Adresse für die Touristen zu entwickeln, begann bereits vor 40 Jahren. Die Insel im Norden kümmerte sich intensiv um ihre großen Potentiale, die Erdwärme und baute hier in Svartshengi ein Geothermalkraftwerk. Es holt aus 2000 Meter Tiefe Meerwasser mit einer Temperatur von 240 Grad Celsius an die Erdoberfläche und treibt damit Turbinen an, um Strom zu erzeugen. Dabei kommt dieses heiße Wasser mit abkühlendem Magma in Kontakt und nimmt dabei Mineralien auf. Das nicht mehr benötigte, aber noch recht warme Wasser wurde einfach in die Umgebung des auf einem Lavafeld liegenden Kraftwerks abgeleitet. Schon bald entdeckten die Isländer, dass sie in diesen Abwässern des Kraftwerkes wunderbar baden können, in sauberstem, dank der Wärme dampfendem Wasser. Außerdem enthält dieses geothermale Meerwasser eine besondere Zusammensetzung aus Mineralien und einem hohen Silcaanteil sowie einem Salzgehalt von 2,5 Prozent. Seine Temperatur liegt Sommer wie Winter bei 37 bis 39 Grad Celsius. Diese unaufhörlich sprudelnde Quelle entdeckte dann auch der Tourismus, es entstanden Bustransfers und erste Holzhütten. Mittlerweile ist ein modern gestaltetes Geothermal-Bad mit Duschen und großen Umkleidebereichen errichtet worden.

Kühles Bier in blauer Lagune
Saison ist zu allen Jahreszeiten. Auch am Neujahrstag standen bei dichtem Schneetreiben eine Handvoll Busse auf dem Besucherparkplatz. Nachdem man sich durch das Gewühl von Reisegruppen aus aller Welt ein Garderobenfach eroberte und Badekleidung trägt, wartete die sich riesig ausbreitende Lagune. Der Besucher wird von dem warmen Meerwasser umhüllt und die Schneeflocken kühlen das Gesicht. Mitten in der an diesem Wintertag dampfenden Lagune werden in einem Holzverschlag mit kleiner Theke Bier und Cocktails verkauft. Auch zwei große Saunen, die eher an ein Bus-Wartehäuschen erinnern und durch herein- und herausströmende Badegäste ständig offene Türen haben, sind gut beheizt – dank pausenlos sprudelnder heißer Quellen. www.bluelagoon.is

Das Sonnenschiff
Das Sonnenschiff

Museum über die Wikinger
Wie die Insel insgesamt, hält auch ihre Hauptstadt für die Besucher jede Menge Überraschungen parat. Direkt im Zentrum in der Adalsträti fand man im Jahr 2001 beim Neubau eines Hotels die Reste eines alten Wikingerhauses. Es handelte sich um die ältesten jemals gefundenen Relikte einer menschlichen Ansiedlung in Reykjavik. Daraufhin entstand hier die Besiedlungsausstellung 872 plus/minus 2. Der Name der Ausstellung bezieht sich auf den Zeitrau der ersten Besiedlung in der Bucht des Rauches hier in Reykjavik im neuten. Jahrhundert. Der Fund stellt insofern etwas Seltenes dar, da es sich um ein so genanntes Langhaus handelt, aus Steinen erbaut, ein zur damaligen Zeit äußerst rares Baumaterial. Hier haben die Isländer eine Menge Geld in die Hand genommen. Beeindruckend ist vor allem, dass sich die Ausstellung der Siedler mit modernster Multimedia- und Computer-Technologie präsentiert. Überall sind Computer-Animationen installiert, auf Bildschirmen tauchen Figuren auf und um die Mauerreste des alten Hauses sind Tafeln angebracht, die interaktiv nutzbar sind. Zu einer solchen zeitgemäßen Ausstellung gehört auch, dass man sich mittels deutschem Audioguide umfassend informieren kann. www.reykjavikmuseum.is

Die faszinierende Glashaut der Harpa
Die faszinierende Glashaut der Harpa Fotos: Ronald Keusch

Demonstration mit Kochtöpfen
Der Tourist in Reykjavik wird bei seinem Stadtbummel auf offene Geheimnisse Islands mit seinen 320.000 Insel-Bewohnern stoßen. Mitten in der Stadt Reykjavik, in der knapp 200.000 Isländer wohnen, liegt der Platz Austurvöllur, direkt vor dem Parlamentsgebäude. Hierher kommen die Isländer, wenn sie mit der Politik ihrer Herrschenden unzufrieden sind. Als im Herbst 2008 der Vulkan der Wirtschaftskrise die Insel erschütterte, begannen hier die Proteste tausender Demonstranten. Ihr Erkennungszeichen war das Trommeln auf Kochtöpfe. Damit haben sie nicht nur ihre Regierung, sondern auch Bankenchefs aus ihren Sessel getrommelt. Island bekam eine Chance, ein Stück der Krise zu bewältigen, in dem man die Banken in die Pleite schickte. Diese und andere Geschichten rund um den Austurvöllur sind auf Informationsstelen in Text und Bild gut dokumentiert. Die Krise sorgte auch dafür, dass die isländische Krone gegenüber dem Euro um die Hälfte ihres Wertes einbüßte. Viele Isländer bezahlten den Wertverfall mit Arbeitslosigkeit und dem Verlust ihrer Häuser. Für die Touristen aus dem Euroraum ist beim Islandurlaub der Restaurantbesuch wieder erschwinglich. Das Bier in der Gaststätte kostet nicht mehr umgerechnet zwölf bis 15 Euro, sondern ist schon für fünf bis sechs Euro zu haben. Und die legendäre, sehr zu empfehlende Hummersuppe in der kleinen Hafenkneipe mit Selbstbedienung „Sea Baron“ kostet sechs Euro.

Krisenopfer McDonald
Die berühmten isländischen Fastfoot Stände Pylsur sind überall in der Stadt zu finden. Sie verkaufen Hotdog, deren besonderer Geschmack durch einen Lammfleischanteil geprägt wird. Prominente wie Bill Clinton waren Gast in der Pylsarbude nahe dem Hafen und sind in einer Fotogalerie verewigt. Hier steht der Lenker des Mercedes-Geländewagens mit dem Opel Corsa-Fahrer und dem Rucksack-Touristen einträglich vereint und sie verspeisen Hotdog.
Nachdem schon im Jahr 2006 die letzten US-Soldaten ihren Stützpunkt in Island räumten, mussten den GI`s drei Jahre später die letzten drei McDonald`s Filialen folgen. Allerdings führte nicht etwa mangelnder Appetit auf die Burger und Nuggets zur Schließung, sondern die Finanzkrise verdoppelte die Kosten für eingeführte Ausgangsprodukte. Die über Jahrzehnte mit American way of live erzogenen Isländer bereiteten der Fastfood-Kette einen eher tränenreichen Abschied. Besser als McDonald erging es in der Finanzkrise der schräg gegenüber von dem Pylsor-Stand gelegenen Konzert- und Konferenzhalle Harpa. Mitten in der Krise erst halbfertig gebaut, gelang es noch, diesen herrlichen Blickfang im Hafen mit seiner raffiniert gestalteten gläsernen Außenfassade fertig zu stellen. Im großen Saal Eldborg mit seinem dunkelroten Farbton fand Anfang Januar das traditionelle Silvesterkonzert statt und begeisterte mit einer herausragenden Akustik. Übrigens wird selbstverständlich auch der Hoddog in Island mit Kreditkarte bezahlt.