Reklamationsquote unter 0,5 Prozent / Schienenreisen liegen im Trend
Den Anfang machten amerikanische Soldaten und ihre Familien. Ihnen wollte man ab Gründungsjahr 1951 Deutschland zeigen. So war der Name „AMEROPA“ geboren, eine Verbindung aus Amerika und Europa eben. Heute hat der Name seine Bedeutung verloren, räumte Geschäftsführer Kai de Graaff beim CTOUR-Salongespräch am 11. Dezember 2014 in der Berliner „Gerichtslaube“ ein. Andererseits sei man mit diesem Namen seit Jahrzehnten erfolgreich unterwegs.
21 CTOUR-Journalisten diskutierten mit de Graaff und DB-Personenverkehrssprecher Andreas Fuhrmann Trends und Hintergründe im Bahn- und Veranstaltergeschäft. De Graaff zeigte sich mit dem ablaufenden Jahr 2014 zufrieden, ohne in Euphorie zu verfallen: „Wir schließen ein Prozent besser ab als 2013. Städtereisen liegen mit zehn Prozent im Plus, auch Wellnessreisen haben angezogen. Verloren hat Last-Minute.“
Ameropa ist der Bahnspezialist unter den Veranstaltern. Die Schienenan- und -abreise kombiniert mit handverlesenen Hotels bringen dem Unternehmen traumhaft niedrige Reklamationsquoten. „Wir liegen bei unter 0,5 Prozent“, freut sich de Graaff zu Recht. 120 Mitarbeiter betreuen von Bad Homburg aus mehr als 510.000 Gäste jährlich, Tendenz weiter steigend. „Unser Kunde ist in der Regel ein Bahn-Neukunde, kein täglicher Bahnfahrer“, so de Graaff. Dann allerdings erweise er sich häufig als Wiederholungstäter. Vor allem die „Best Agers“, also Menschen um die 50, wissen die Vorteile der Bahn zu schätzen und buchen deshalb gezielt AMEROPA. Kommt dazu noch ein Städtereiseziel – mit 79 Prozent das Hauptgeschäft dieses Veranstalters – verzichtet der Kunde gern aufs Auto. Denn Stau und teures Parken will niemand. Top-Destination bei AMEROPA-Städtereisen ist übrigens Berlin mit über 100.000 Kunden jährlich. Mit Abstand folgen Hamburg (60.000), München (25.000) und Dresden.
Etwa 250 Euro pro Person zahlt der Kunde im Schnitt für eine AMEROPA-Reise. „Wir legen Wert auf Qualität, achten natürlich auf Preis-Leistung, aber das Billigsegment überlassen wir gern anderen“, so de Graaff. Bis vor ein paar Jahren habe man der Endpreise wegen noch die Bahnanreise mit Hotels gekoppelt, die in Stadtrandlage lagen. Das ist vorbei. „Heute bieten wir qualitativ hochwertige Häuser in zentraler Citylage“, sagte de Graaff. „Unsere Kunden wünschen es so.“
Nicht nur Deutschlandreisen werden angeboten. Gemeinsam mit Lernidee-Erlebnisreisen sind weltweit Bahnreisen buchbar, so der berühmte „Zarengold“ auf der transsibirischen Eisenbahn, oder auch Erlebnistouren in Kuba, dem Iran oder Spanien.
Derzeit bietet AMEROPA zwölf Kataloge, dazu kurzfristige Flyer. Vertrieben werden die Reisen über 7.400 Reisebüros in Deutschland, den DB-Reisezentren sowie online. Der Online-Direktvertrieb liegt bereits heute bei über 20 Prozent, die DB-Website hilft sehr. Im Frühjahr 2015 plant AMEROPA einen Relaunch seines Online-Auftritts.
Neben der Stärkung des Online-Vertriebs hat man sich intern zwei weitere Dinge auf die Fahnen geschrieben: das Produkt soll ausgebaut, vor allem vereinfacht werden. „Die Zeit vom Einkauf bis zum Vertrieb müssen wir beschleunigen“, fordert de Graaff. Und: Die Mitarbeiterzufriedenheit soll gestärkt werden. „Da kommen wir gut voran.“
Weniger glücklich ist der Geschäftsführer mit externen Einflüssen im ablaufenden Jahr, „sonst hätten wir deutlich positiver abgeschlossen.“ Zum einen drückte die Fußball-Weltmeisterschaft aufs Ergebnis: „Die Leute blieben zu Hause und haben sich lieber einen Flachbild-TV gekauft“, vermutet de Graaff nicht zu Unrecht. Deshalb hätte es der gebürtige Holländer aus Geschäftsgründen auch lieber gesehen, wäre Deutschland eher aus dem Turnier ausgeschieden. Aber er gibt zu: „Deutschland ist zu Recht Weltmeister.“ Und der zweite Grund? Die häufigen Streiks ab Herbst. De Graaff: „Wenn die Bild-Zeitung nur Streiks ankündigt, merken wir es im Buchungsverhalten. Bereits die reine Ankündigung hat uns jedes Mal richtig Geld gekostet.“
Auf ein Umdenken in der Verkehrsmittelwahl der Menschen verwies Bahnsprecher Andreas Fuhrmann. „Während die Kunden früher gern das Flugzeug wählten, entscheiden sich viele heute ganz bewusst für die Bahn. Die bequeme und erholsame An- und Abreise auf der Schiene wird für sie so zum Teil ihres wohlverdienten Urlaubs.“ Fuhrmann nannte internationale Beispielstrecken, wie Frankfurt–Avignon, die die Leute heute gern auf ganzer Länge befahren. Das Fliegen habe ebenso wie die Pkw-Anreise wegen Enge, Hektik und Staus viel von seinem Glanz verloren. Die Bahn fördert die neue Schienenaffinität für Urlaubsreisen, indem sie sich in Zielgebieten gemeinsam mit örtlichen ÖPNV-Anbietern für bequeme Mobilität einsetzt. Das Programm „Fahrtziel Natur“, dass die DB seit Jahren mit großen Umweltverbänden betreibt, ist dafür ein hervorragendes Beispiel: Mit dem Hotel- oder Zimmerausweis ist der Gast in vielen Zielgebieten wie dem Schwarzwald oder dem Harz kostenlos mobil.
Es war ein kurzweiliger Abend, der beiderseits Denkanstöße lieferte und Hintergründe beleuchtete. Viele CTOUR-Journalisten nutzen selbst gern und häufig die Bahn, sind BahnCard-Inhaber Sie schlugen de Graaff vor, diese Klientel künftig gezielt anzusprechen. „Das können wir nicht, dagegen sprechen Datenschutzgründe“, sagte der Geschäftsführer. Tochterunternehmen der DB, wie es AMEROPA ist, dürfen nicht Datensätze des DB-Konzern nutzen. „Aber vielleicht finden wir ja andere Wege, um interessante Zielgruppen künftig direkt anzusprechen“, sagte de Graaff. Von ihm und AMEROPA darf man noch einiges erwarten in den nächsten Jahren.