CTOUR special: „Böhmische Dörfer“ im ARD-Hauptstadtstudio

Beim CTOUR special im Juni spielten mal nicht touristische Themen die Hauptrolle, es ging eher um journalistische Arbeit im Ausland.
Gut 20 Clubmitglieder pilgerten ins ARD-Hauptstadtstudio in der Berliner Wilhelmstraße, um erst mal eines der europaweit modernsten digitalen Hörfunk- und Fernsehstudios zu besichtigen und dann Jürgen Osterhage, den ARD-Korrespondenten in Prag, kennen zu lernen.

ARD-Hauptstadtstudio Berlin

Osterhage stammt aus Ostwestfalen und begann nach seinem Studium 1986 als Politik-Redakteur bei der „Welt am Sonntag“ in Berlin. Nachdem er zwischenzeitlich auch mal Reden für den damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm geschrieben hatte, zog es ihn ins Ausland, als Reisekorrespondent bei SAT1. Pünktlich zum Sendestart 1992 fing er beim Mitteldeutschen Rundfunk an und leitete ab 1999 das ARD-Studio in Neu Delhi. Nach einem erneuten Zwischenstopp in Berlin im Hauptstadtstudio, zog es ihn 2011 zurück Indien, wo er für Krisengebiete wie Afghanistan und Pakistan ebenso zuständig war, wie für traumhafte Urlaubsdestinationen wie Sri Lanka oder die Malediven.

Korrespondent Jürgen Osterhage (M.) mit Michael Wenkel (Redaktionsleiter MDR Fernsehen, l.) und CTOUR-Mitglied Manfred Vieweg.

Aus Prag berichtet Jürgen Osterhage seit März 2015 für die ARD über Tschechien und die Slowakei. Im Vergleich zu den politischen „Hotspots“ in Amerika oder Asien kein Gebiet, mit dem automatisch fast täglich ein einem der ARD-Programme auftaucht. Wobei sich das im Herbst zumindest zeitweise ändern dürfte, wenn in Tschechien Parlaments- und danach Präsidentenwahlen sind. Dann wird es spannend, denn mit Andrej Babis, einem milliardenschweren Unternehmer könnte ein Mann, der gern auch der „Trump des Ostens“ genannt wird, zurück an die Macht kommen. Bis Mai 2017 war Babis Finanzminister und Vize-Regierungschef in Tschechien, musste jedoch wegen Steuerbetrugsvorwürfen zurücktreten. Babis bestreitet jeden Missbrauch, profiliert sich als Kämpfer gegen das Establishment in Tschechien und schimpft gerne mal über korrupte Politiker. Seine Protest-Bewegung „Aktion unzufriedener Bürger“ (ANO) liegt nach letzten Umfragen mit mehr als 30 Prozent in Führung. Dieses Phänomen erklärt Jürgen Osterhage auch mit der vergleichsweise jungen Demokratie. Tschechien ist erst seit 1992 unabhängig, seit 2004 in der Europäischen Union und hatte – anders als die neuen Bundesländer – keine gewachsenen demokratischen Strukturen in Form der alten Bundesrepublik an der Seite.

Patricia Vellard, neben der berühmten ARD-Maus führte die Reisejournalisten durch das ARD-Hauptstadtstudio.

Neben diesen politischen Exkursen wollten die CTOUR special-Gäste in den fast zwei Stunden auch wissen, wie unabhängig man als ARD-Auslandskorrespondent arbeiten kann (Osterhage: uneingeschränkt) und wie man sich ganz privat in einer fremden Kultur zurechtfindet. Osterhages Frau und die beiden jüngeren Kindern hatten ihn nach Indien begleitet. Für den damals elfjährigen Sohn und die neunjährige Tochter war es der zweite große Umzug. „Wenn die Kinder klein sind, ist es weniger problematisch. Schwierig wird es, wenn sie schon an einem Ort Wurzeln geschlagen haben“. Aber der Fortschritt ihrer Englischkenntnisse war beachtlich und das Kennenlernen neuer Kulturen sei ein Abenteuer für die ganze Familie. Das Schafshirnmenü, das er im Norden Pakistans aus Höflichkeit mit gegessen hat, ist nur ein Beispiel. Auch seine Frau nutzte die Zeit im Ausland. Sie ist Internistin. Weil sie in Indien nicht als Ärztin arbeiten konnte, machte sie eine Ayurveda-Ausbildung, um später in Deutschland die klassische Schulmedizin und die traditionelle indische Heilkunst kombiniert anzuwenden.

Blick aus dem Studio A, wo unter anderem die Politikergespräche im ARD Morgenmagazin geführt werden.

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Korrespondentenstelle im nahen Prag hat Jürgen Osterhage mehr Zeit für Land und Leute und auch touristische Themen. In seinem Tagesschau-Blog „Böhmische Dörfer – Geschichten aus Tschechien“ sind interessante und emotionale Filme über die Böhmische Schweiz mit dem „Prebischtor“, der größten Felsenbrücke Europas, ebenso zu finden wie eine Spritztour ins Detroit des Ostens – Bratislava. Mehr als eine Million Autos werden hier jährlich produziert, Osterhage besuchte aber eine kleine Oldtimermanufaktur am Rande der Stadt.
Es gibt übrigens auch einen großen Vorteil der heimatnahen Korrespondentenstelle. Jürgen Osterhage kann an vielen Wochenenden regelmäßig zuhause in Berlin sein. Dort will er sich nach seiner Pensionierung auch niederlassen.

Fotos: Hans-Peter Gaul