CTOUR on Tour: Eine Reise um die Welt in zwei Stunden

Ort der Handlung – das Völkerkundemuseum auf der Leipziger Kunstinsel Grassi: „Den ersten Aufguss trinkt man selbst, gibt ihn unliebsamen Mitmenschen oder schüttet ihn weg“, schmunzelnd gießt Meister Zhao weißen Tee über einen lächelnden Buddha mit dickem Bauch sowie über eine Kröte jeweils aus Keramik. Den Buddha will Herr Zhao freundlich stimmen. Die Kröte soll für Geldfluss sorgen. Der erste Aufguss rieselt nun über das Tee-Tischchen in einen Abfluss. Herr Zhao hatte, bis er in Leipzig-Reudnitz vor einigen Monaten einen Teeladen mit Gastronomie eröffnete, ein Teehaus in Shanghai betrieben.

Der zweite Aufguss wird in Tässchen kleiner als für einen Espresso gegossen. Frisches Gebäck aus Brandteig wird gereicht: „Öffne den Mund und lächele“ heißt übersetzt dieser leicht gesüßte Happen. Zum Teegenuss gehört eben auch Essen. Das sei sinnvoll für die Sinne erklärt der Experte. Der Sinologe Linus Schlüter vom Leipziger Konfuzius Institut plaudert während dieses sinnlich ‚kulinarischen Rundgangs‘ über den Genuss von Tee, über Sitten und Gebräuche in China. Er erklärt die kleinen Trinkgefäße: „Der Aufguss erfolgt in Teekännchen für zehn und mehr Gäste. Diese kleinen Teekannen sind mitunter sehr wertvoll. Je häufiger sie benutzt wurden und Tee-Patina ansetzten, desto teurer sind sie. In China gefragt sind gegenwärtig Teekannen mit markigen Sprüchen aus der Zeit der maoistischen Kulturrevolution. Für so ein Original werden schon mal tausend Euro bezahlt.“ Herr Zhao nickt zustimmend. „Der Tee soll immer frisch sein. Wenn der Gast mit zwei, drei Schlucken den Tee genossen hat, wird nachgegossen. Der Frische wegen sind die Teeschälchen hauptsächlich so winzig…“

Eine Chinesische Tee-Zeremonie ist eine ernste Sache
Eine Chinesische Tee-Zeremonie ist eine ernste Sache

Eine Teezeremonie kann ein Tourist überall in China erleben. „Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute in die Nähe kommt…“, wandelt Dr. Birgit Scheps-Bretschneider, kommissarische Direktorin vom zweitgrößten Museum dieser Art in Deutschland (nach Berlin), den bekannten Spruch etwas um. In ein bis zwei Stunden wandert der Besucher durch die Kulturen der Welt, von denen nicht wenige ihre traditionelle Kultur allmählich vergessen oder bereits vergessen haben.

Zu jedem Museum gehören heute kulturelle Veranstaltungen, Vorträge, Märchenstunden oder Kreativ-Kurse. Mehr als andere Museen will ein Völkerkundemuseum allerdings lebendig sein. Der Besucher soll etwas erleben. In Leipzig führt z. B. Frau Madhavi Mandira als ‚tanzende Sita‘ durch die indische Dauerausstellung. Sie erzählt Mythen und Geschichten über den Subkontinent, erklärt die bedeutungsvollen indischen Tanzfiguren. Danach kann im Museum indisch gegessen werden. Westafrikanisch speisen können die Besucher zudem nach einem Workshop mit einem Trommler aus Gambia.
Das Leipziger Völkerkundemuseum im Grassi-Komplex am Johannisplatz will sich noch mehr als bisher öffnen. Mehr Programvielfalt lautet das Programm. Bausteine werden nach den Wünschen von Gruppen zusammengesetzt. Für Vorschläge sind die Museumsmacher dankbar. Erste Ideen kommen von Besuchern: chinesische Heilkunst praktizieren oder Geschichten über Arganöl – das ‚flüssige Gold aus Marokko‘ – hören und selbstverständlich probieren.

Sita tanzt indisch durch die Ausstellung
Sita tanzt indisch durch die Ausstellung

Nicht wenige der 260tausend sichtbaren Exponate auf den viertausend Quadratmetern Fläche sind einmalige und originelle Schätze: zum Beispiel die Bronzetafeln und die Elfenbeinschnitzerei aus dem alten Königreich Benin, mystische Fetischfiguren aus dem Kongo, die Federmäntel der Ainu, der Urbevölkerung Japans, die Schamanentrommeln aus Sibirien oder die weltweit größte Gesichtsmasken-Sammlung der Makonde aus Süd-Tansania.

Viele Exponate erzählen Geschichten, denn sie haben oft viel Geschichte: die den menschlichen Körpern nachgeformten Fetisch-Figuren aus Afrika sollen über magische Kräfte verfügen. In ihre Holzleiber werden Nägel geschlagen, die vor bösen Menschen und Geistern schützen oder bei Gerichtprozessen helfen sollen. Oder: Matroschkas aus Russland sind ein bekanntes Souvenir. Ursprünglich waren es allerdings Götterfiguren aus dem alten Japan. In Russland werden diese verschachtelnden Holzpüppchen erst seit 1850 hergestellt. Oder die Geschichte über das Steingeld: große runde Steinscheiben aus seltenem Steinmaterial bis zu einem Meter Durchmesser stehen an eine Wand gelehnt. Dieses Zahlungsmittel der westpazifischen Inseln Yap – zwischen den Philippinen und Guam gelegen – ist heute noch gebräuchlich und mitunter auch international anerkannt. Die Einwohner einer Yap-Insel wollten eine Satellitenanlage bauen. Da gaben sie eine 80 cm Scheibe bei einer New Yorker Bank gegen Dollar in Zahlung. Gegen Dollar können sie später ihre Geld-Scheibe wieder einlösen. Tradition und Moderne verschmelzen mitunter… und nicht nur im Leipziger Völkerkundemuseum.

Epilog: Was bringt ein Besuch in Leipzig für Berliner? Das Grassi Völkerkundemuseum wurde vor 85 Jahren von der Leipziger Bürgerschaft gegründet und mit Exponaten aus aller Welt gefüllt. Zwar befindet sich das größte Völkerkundemuseum Deutschlands, hervorgegangen aus der Königlichen Kunstkammer als Museum des Deutschen Reiches, in Berlin. Leipzig bietet jedoch Besonderheiten. Dazu gehören z. B. die Sammlungen der Makonde, der Ainu und der Völker Sibiriens.
Zur Präsentation der Programme waren Journalisten und Tourismusmacher eingeladen. CTOUR war dabei.

www.mvl-grassimuseum.de

Fotos: CTOUR/Dr. H. Schmidt, © GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig/Margit Kuffemann