von Lutz Schönfeld
Wussten Sie, dass der Amazonas den größten Regenwald der Welt bewässert? Das Amazonasbecken hat eine Fläche von knapp sechs Millionen Quadratkilometern und beherbergt 140.000 Pflanzenarten und fast 400 Milliarden Bäume. Allein die Amazonasregion enthält ein Fünftel des Süßwassers unseres Planeten. Kein Wunder also, dass die Amazonasregion Touristen aus aller Welt anzieht. Speziell Flusskreuzfahrten sind populär und erfreuen sich nach Corona wieder zunehmender Nachfrage.
Startpunkt vieler angebotener Flusskreuzfahrten im Amazonas-Gebiet ist Manaus. Hier fließen Amazonas und Rio Negro zusammen. Populär für ein erstes Kennenlernen der Region sind Fahrten mit drei bis vier Übernachtungen auf unterschiedlich großen Flusskreuzfahrtschiffen unterschiedlicher Qualität. Je kleiner die Schiffe, um so geringer der Tiefgang. Ihre Bauart ist den Bedingungen einer Flusskreuzfahrt angepasst, um möglichst weit eintauchen zu können in die Flora der Region. Viele der Schiffe führen kleine Expeditionsboote mit, mit denen verwunschene Gebiete befahren werden können, um die Tier- und Pflanzenwelt intensiv erkunden zu können.
Es ist empfehlenswert, vor Beginn der Flusskreuzfahrt oder nach ihrem Ende noch mindestens einen vollen Tag für den Besuch von Manaus einzuplanen. Diese reizvolle Stadt hat viel zu bieten. (siehe Tipps)
Wir checken um 15 Uhr ein für eine fünftägige Flusskreuzfahrt auf dem Rio Negro tief hinein ins Amazonasgebiet. Für unsere Reise wählten wir die Iberostar Heritage Grand Amazon, ein 5* All Inclusive Schiff mit 73 Doppelkabinen und zwei Suiten für maximal 150 Passagiere, untergebracht auf drei Decks, alle Kabinen mit eigenem Balkon und Bad.
Die komplette Crew des Schiffes kommt aus der Region um Manaus, dem Ausgangspunkt der Reise. Die Mehrzahl der anderen, oft lokalen Anbieter, startet ebenfalls von hier.
Wir haben Glück und zu unserem Termin sind nur 43 Passagiere aus sechs Ländern an Bord. Das Team ist auf internationale Gäste eingerichtet und spricht, auch auf den Expeditionen, portugiesisch, englisch und deutsch. Die Formalitäten sind schnell erledigt, die Kabinen bezogen und die obligatorische Einweisung in die auf Kreuzfahrten üblichen Evakuierungsregularien erfüllt. Rechtzeitig zum Auslaufen und Sonnenuntergang sind wir mit einem Drink an Deck und lassen Manaus an uns vorbeiziehen.
Vorbei am pittoresken Vorort Sao Raimundo geht es, hindurch unter der spektakulären, knapp 3,6 Kilometer langen Brücke Ponte Rio Negro auf gleichnamigem Fluss der untergehenden Sonne und einigen erlebnisreichen Tagen entgegen.
Tag 2
Der zweite Kreuzfahrttag (der erste vollständige) bricht an. Während wir den Rio Negro weiter flussaufwärts gefahren sind, haben wir am Vorabend das Welcome Dinner genossen, himmlisch geschlafen (Flusskreuzfahrten sind ja nicht so „stürmisch“ wie Seekreuzfahrten) und heute bereits ein frühes Frühstück eingenommen. Wahlweise kann dies in reduzierter Form für Frühaufsteher bereits ab 05:30 Uhr oben an Deck eingenommen werden, alternativ ab 07:00 Uhr als Buffett im Restaurant.
Um 08.00 Uhr geht es dann endlich mit der ersten Expedition los. Wegen der hohen Tagestemperaturen werden die Expeditionen stets am sehr frühen Vormittag sowie am späten Nachmittag angeboten. Die Auswahl ist vielfältig, anmelden am Vortag obligatorisch.
Unsere deutsch-sprachige, nur sechs Personen umfassende Gruppe wird dabei stets vom deutsch-sprechenden Tourguide Jefferson begleitet. Jefferson ist indigener Abstammung und in der Region um Manaus geboren.
Unsere erste, zweistündige Tour führt uns per Expeditionsboot tief hinein in die Seitenarme des Amazonas, durch die Jaraqui Igarapes.
Die hohen Bäume dieses Gebietes sind die Highlights der Tour.
Bei einer ausgedehnten Wanderung quer durch den Dschungel sensibilisiert uns Jefferson für das Zusammenwirken der Flora (ihre Interaktion ist für sie überlebenswichtig), zeigt uns seltene Pflanzen und Tiere und erklärt uns deren Habitat.
links: Stelzenpalmen stehen auf bis zu 2m hohen Wurzeln und können bis zu 20m hoch werden.
Tief beeindruckt kehren wir nach zwei Stunden zurück an Bord, um uns für kommende Ausflüge zu stärken. Pünktlich um 12 Uhr steht der erste Fachvortrag an, er soll das Gesehene vertiefen und für die kommenden Ausflüge sensibilisieren. Fachvorträge werden auch an den folgenden Tagen zu relevanten Themen regelmäßig an Bord angeboten. Sie werden von erfahrenen Expeditionsmitgliedern mehrsprachig gehalten.
Mittagessen, Vortrag über Amazonasdelphine und ein entspannter Drink auf dem Sonnendeck liegen hinter uns, es ist 17 Uhr und Zeit für die nächste Exkursion. Es geht in die Region der „Tres Bocas“-Inseln. Diese Inseln sind Teil des zweitgrößten Süßwasserflussarchipels der Welt. Die Vegetation der Inseln mit ihren Orchideen, Bromilien und Tukanen ist einmalig und eine perfekte Vorlage für unzählige Fotos.
rechts: Die üppige Pflanzenwelt beeindruckt die europäischen Besucher
Beim Sundowner an Deck wird das Erlebte Revue passieren gelassen, während wir unsere Kreuzfahrt fortsetzen.
Tag 3
Heute besuchen wir auf unserem frühmorgentlichen Ausflug eine Siedlung von Indianerabstämmigen am Cuieiras Fluß. Der Besuch ist zwiespältig, nicht jedes Dorf wünscht den Besuch von Touristen. Die Dörfer, die ablehnend sind, bewahren sich ihre Ursprünglichkeit, stagnieren aber auch in der Entwicklung ihrer dörflichen Infrastruktur und ihres Wohlstandes. Die Dörfer, in denen (in kontrollierter Zahl) Besuche möglich sind, werden dafür entlohnt. Das Geld oder auch die entsprechenden Leistungen werden in die dörfliche Infrastruktur investiert. So wurde uns stolz die moderne und neu erbaute Schule präsentiert (hierher wiederum kommen dann auch die Kinder aus den anderen Dörfern, welche keine touristischen Besuche wünschen).
Man hofft, dass somit auch die anderen Dörfer sich schrittweise weiterentwickeln können.
Der örtliche Dorfshop hat sogar WIFI und die für die Touristengruppe aufgebauten Souvenirstände akzeptieren Kreditkartenzahlung.
Ansonsten präsentiert sich das nur über den Wasserweg erreichbare indigene Dorf noch in relativer Ursprünglichkeit und ermöglicht viele Einblicke in die hiesige Lebensweise.
Tief beeindruckt kehren wir zurück an Bord.
Bei der Nachmittagstour entscheiden wir uns für das Piranha-Angeln. Wir fahren tief hinein in einen weitverzweigen Seitenarm.
Jefferson erklärt uns, wie man mit einer einfachen, aus Bambus, Schnur und einem krummen einfachen Haken gebauten Angel erfolgreich angeln kann. Schon nach kurzer Zeit zappelt der erste Fisch am Haken (alle Fische werden übrigens vorsichtig wieder befreit und lebend zurück in ihr Revier entlassen). Beeindruckend, wie scharf die Zähne sind und was diese damit alles zertrennen können.
Fast alle an Bord sind erfolgreich und so kehren wir pünktlich zum Sonnenuntergang zurück an Bord.
Tag 4
Der nächste Morgen erwartete uns bei bestem Wetter. Das Wort „Morgen“ trifft es nicht ganz, es war eine Expeditionsfahrt zum Sonnenaufgang angesetzt, wir brechen noch vor dem Frühstück auf und sind bereits um 05:45 Uhr pünktlich auf Position, um das Spektakel der aufgehenden Sonne und der erwachenden Tierwelt auf uns wirken zu lassen.
Krakelende Affen und eine erwachende Vogelwelt wetteifern um unsere Aufmerksamkeit. Zurück an Bord und ein kurzes Frühstück später wartet bereits das nächste große Highlight auf uns: ein Besuch bei den sehr seltenen Amazonasdelphinen.
Mit Expeditionsbooten geht es durch die Mangrovenwälder in ihr Habitat.
Diese rosaroten Delphine sind die größten Flussdelphine der Welt. Sie können bis zu 2,5 Meter groß und 180 Kilogramm schwer werden und haben sich an die Besonderheiten ihres Lebensraumes im Amazonas angepasst.
Anstatt des Nachmittagsausfluges zu einer ehemaligen Gummifabrik entspannen wir an Bord, lassen das Erlebte Revue passieren und genießen das schöne Wetter bei einem Drink am Schiffspool. Nach dem Galaabschiedsdinner und einer Folkloreshow gehen wir früh ins Bett, denn am nächsten Morgen steht das letzte Highlight der Tour auf dem Programm.
Tag 5
Über Nacht sind wir auf dem Rio Negro zurückgekehrt nach Manaus, haben die Stadt bei Sonnenaufgang passiert und erreichen pünktlich um 06 Uhr unser letztes Ziel, welches im Programm recht lapidar mit „Meeting of the Waters“ beschrieben ist: der spektakuläre Zusammenfluss von Amazonas und Rio Negro. Spektakulär aus mehreren Gründen: an dieser Stelle treffen zwei der mächtigsten Flüsse der Welt zusammen, der 6.400 km lange Amazonas sowie der 2.250km lange Rio Negro.
Aufgrund des unterschiedlichen PH-Wertes beider Flüsse können Tiere des einen nicht im anderen Fluss überleben. Spektakulär an diesem Zusammenfluss auch die unterschiedlichen Flusseinfärbungen durch die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten und damit verbunden die Mitführung von Schwebestoffen und Sedimenten.
Pünktlich um 08 Uhr erreichen wir unsere Anlegestelle in Manaus und checken aus.
Fazit: Eine fünftägige Flusskreuzfahrt im Amazonasgebiet bildet eine gute Einstiegsmöglichkeit für ein erstes Kennenlernen der Amazonasregion und vermittelt ein wichtiges Gefühl für die Bedeutung und den Schutz der Natur. Sie lässt sich sehr gut koppeln mit weiteren Reisebestandteilen wie zum Beispiel dem Besuch der Iguassu-Wasserfälle, der Pantanal-Region oder dem pulsierenden Rio de Janeiro. (siehe Tipps)
Für Wanderungen im Amazonasgebiet sind Insektenschutz und Sonnenschutz unabdingbar. Lange Hosen, lange Ärmel, feste Schuhe und Hut sollten zur Grundausrüstung gehören, ebenso ein aktueller Impfschutz.
Die von uns genutzte Iberostar Heritage Grand Amazon ist ein 5* All Inclusive Schiff mit drei Decks, ausschließlich Balkonkabinen, WIFI via Starlink und einem mehrsprachigen Expeditionsteam, welches, nach Sprachgruppen sortiert, die jeweiligen Expeditionen fachkundig begleitet und anleitet.
TIPPS UND HINWEISE
Manaus: Unbedingt einplanen sollten man einen Tag für Manaus. Die Altstadt rund um das imposante Operngebäude Teatro Amazonas (täglich außer montags auch von innen zu besichtigen) kann gut zu Fuß erwandert werden. Auch der Markt Mercado Municipal lohnt einen Abstecher. Im Museum Museu da Cidade de Manaus findet man eine beeindruckende Ausstellung der stadtgeschichtlichen Entwicklung sowie über die Amazonasregion. Ein Abstecher zum imposanten Palacio Rio Negro sollte nicht fehlen, auch er kann täglich außer montags von innen besichtigt werden. Das Gebäude beherbergt ein beeindruckendes Museum, welches die Geschichte des Kautschuks im Amazonasgebiet veranschaulicht.
rechts: Das Stadtzentrum von Manaus bietet stets kontrastreiche Einblicke.
rechts: Liebevoll restaurierte Gebäude im Kontrast zu modernen Zweckbauten
Den Brasilienaufenthalt ergänzen sollte man durch weitere Reisebausteine, wie z.B.:
Iguassu-Wasserfälle: Sowohl die argentinische als auch die brasilianische Seite sind sehenswert. Für Argentinien etwa acht Stunden einplanen und früh starten, um Wartezeiten an der Grenze sowie zu große Hitze zu vermeiden. Alle Wanderungen sind perfekt nach einem Farbsystem ausgeschildert und auch individuell zu bewältigen. Organisiert erfolgen die Abläufe jedoch reibungsloser, speziell Grenzübertritt und Bahnfahrt im Park. Für die brasilianische Seite reichen ca. zwei Stunden. Auf dem Weg zum Parkeingang passiert man kurz nach dem Flughafen den Hubschrauberlandeplatz von HeliSul. Mit mehreren Helikoptern erfolgen regelmäßig ab 9 Uhr ca. 10-minütige Rundflüge über die Iguassu-Wasserfälle.
rechts: Bei einer Wanderung ergeben sich immer wieder neue Perspektiven auf die Iguassu-Wasserfälle
rechts: Von der brasilianischen Seite kommt man den Fällen sehr nahe
Rio de Janeiro: Neben der Besichtigung der klassischen Highlights der Stadt wie Zuckerhut, Christusstatue (möglichst früh besichtigen, bevor sich die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe an den touristischen Hotspots verteilen) und z.B. der Copacabana (tolle Strandrestaurants und -bars) sollte das Künstlerviertel Santa Theresa mit seinen verzierten Fassaden und viel ursprünglicher Bausubstanz und Graffiti-Kunst unbedingt zu Fuß erkundet werden. Ebenso sehenswert die prachtvolle Nationalbibliothek, der Botanische Garten und, als absolutes Highlight, das Künstlerviertel Santa Theresa mit der spektakulären Fliesentreppe des chilenischen Künstlers Jorge Selaron. Auch in Rio gibt es unterschiedliche Anbieter von Helikopterrundflügen, je nach Dauer und Geldbeutel. Auf halber Strecke zum Gipfel des Zuckerhutes (mit spektakulärem Blick auf die am Stadtflughafen landenden Flugzeuge) befindet sich z.B. ein Heliport für Kurzentschlossene.
Brasilien hat viele weitere Highlights zu bieten. Für Naturfreunde sei z.B. noch das Biosphärenreservat Pantanal empfohlen, das größte Binnenland-Feuchtgebiet der Erde und ideal für Wildtiererkundungen und Naturbeobachtungen. Die Region ist verschwenderische Herberge für unzählige Pflanzen- und Tierarten wie Reptilien, Papageien, Fische und Vögel.
Fotos: Lutz Schönfeld