EINMAL SCHLOSSHERR SEIN

Von Fred Hafner

Das Hirschberger Tal am Fuße des Riesengebirges hat eine hohe Dichte von Schlössern und Herrenhäusern. Viele sind restauriert, andere warten auf ihre „Erweckung“. Ein gelungenes Beispiel ist Schloss Lomnitz.

Die gesamte Anlage gehört heute zu den größten Attraktionen im Südosten Polens.

Lomnitz. Kenner Polens schwören auf Städte wie Krakau und Breslau. Naturliebhaber und Wintersportler zieht es im Süden unseres Nachbarlandes in die Nationalparks Hohe Tatra oder Riesengebirge.

Dass es viel mehr Interessantes gibt, beweist das Hirschberger Tal am Fuße des Riesengebirges. Nirgendwo sonst ist die Dichte an Schlössern und Herrenhäusern höher als hier. Fährt man durch die kleinen Städte und über die Dörfer sieht man große Kontraste. Inzwischen sind viele der prächtigen Gebäude und Nebengelasse liebevoll und detailreich restauriert. Sie bieten Übernachtung mit allem Komfort. Andere warten noch auf „ihre Erlösung“ – einen investierenden Eigentümer.

Ein gelungenes Beispiel ist das Schloss Lomnitz.

Weitläufige Anlage, Sicht bis zur Schneekoppe: Schloss Lomnitz am Fuße des Riesengebirges


Mehr noch: Es zählt heute zu den größten Attraktionen in Südosten Polens. Das Hotel mit Restaurant und Gutshof liegt nur fünf Kilometer vor Jelenia Gora (Hirschberg). Bei guter Sicht hat man freien Blick auf die Schneekoppe. Sie ist mit 1.603 Metern die höchste Erhebung des Riesengebirges.

Für Elisabeth von Küster war Lomnitz schon lange ein Sehnsuchtsort. Die Geschichte geht zurück bis in das Mittelalter. Das 1720 erbaute Barockschloss von Lomnitz gehörte über

mehrere Generationen im 18. Jahrhundert einer Dynastie reicher Leinenhändler. Deren große Zeit endete, als billige Baumwolle und industriell gefertigte Waren den Markt überschwemmten. Doch Lomnitz erlebte bald danach eine neue Blüte: Im Laufe des 19. Jahrhunderts lässt sich die preußische Königsfamilie im Hirschberger Tal ihre Sommerresidenzen bauen. Mit ihr entdecken viele Adelige und Künstler die romantische Landschaft am Rande des Riesengebirges für sich. Der preußische Gesandte Carl Gustav Ernst von Küster übernimmt das Anwesen, lässt das Schloss im Stil der damaligen Zeit klassizistisch umbauen, bringt von seinem Aufenthalt am Hof von Neapel italienisches Flair mit nach Lomnitz und baut dort eine moderne Landwirtschaft auf.

Das Rittergut mit dem Schloss befand sich von 1835 bis 1945 im Besitz der Familie von Küster. Nach dem 2. Weltkrieg, zur Zeit der Volksrepublik Polen, entstand aus dem Gut ein staatlicher landwirtschaftlicher Betrieb. Das Große Schloss wurde zur Schule. Ab den 1970er Jahren verfiel die Anlage zusehends. Das Große Schloss war zuletzt eine Ruine, der der Abriss drohte. 

Im Jahr 1991 schlugen Ulrich und Elisabeth von Küster, beflügelt durch die besondere familiäre Verbindung zu diesem Ort, bei einer Immobilienauktion zu. Sie kauften mit Hilfe eines polnischen Partners die alte Schlossruine samt eingefallenem Dach für damals 10.000 DMark – und begannen umgehend mit ersten Rettungsarbeiten.

„Wir waren jung. Ich glaube, uns war völlig unklar, was da auf uns zukommen würde. Wir kamen hier mit einem alten VW-Käfer an, haben auf Isomatten in der Schlossruine geschlafen und monatelang eigenhändig Schutt weggetragen. Viele haben uns wohl eher bemitleidet“,

erinnert sich Elisabeth von Küster, geborene von Eschenbach. 

Es gab anfangs keinen Strom, kein Gas zum Kochen, nicht mal fließendes Wasser. Doch rasch bemerkten die Anwohner das Engagement der Deutschen und halfen mit dem Notwendigsten aus. „Das Gefühl, nicht willkommen zu sein, hatten wir nie“, sagt Elisabeth von Küster heute. 

Schritt für Schritt bauten die alten und neuen Eigentümer das Schloss, den Gutshof, das Bethaus, die Nebenanlagen und die gesamte Park- und Gutanlage wieder auf. Nach Jahrzehnten des Verfalls und Leerstands zog neues Leben in eines der schönsten Schlossanlagen Niederschlesiens ein. 

Großzügige Zimmerflächen, ausgewähltes Mobiliar und helle Farben: Der Gast kann wählen zwischen historischen und modernen Zimmern, natürlich immer mit zeitgemäßem Komfort

„Wir möchten einen Ort schaffen, an dem Kultur, Geschichte und Natur im Einklang mit den Menschen ist. Unsere Gäste sollen hier im Schloss Lomnitz besondere Momente voller Optimismus, Lebensfreude, Zufriedenheit und Entspannung erleben“,

benennt Elisabeth von Küster den Anspruch für sie selbst und ihre rund 30 Mitarbeiter.

Das Schloss Lomnitz als eine besonderen Platz zu bezeichnen, ist angemessen. Denn die ausschweifende Anlage besteht sogar aus zwei Schlössern.

Dazu gibt einen  weitläufigen, äußerst gepflegten Park und einen Gutshof voller Leben. Hier finden Hotel- und viele Tagesgäste einen Hofladen, ein Leinenkaufhaus, die Gutsküche und ein uriges Restaurant. Im Hofladen gibt es regionale Lebensmittel und schlesische Köstlichkeiten. Dazu Bunzlauer Keramik, Korbwaren, Holzprodukte, Spielzeug.
Das Leinenkaufhaus erstreckt sich über zwei Etagen. Die Auswahl an berühmten schlesischen Stoffen und Leinen ist beträchtlich.

Es gibt Damen- und Herrenbekleidung bekannter polnischer Designer, Tischwäsche und vieles mehr.

In der Gutsküche können Besucher bei der Produktion von Schlosserzeugnissen zuschauen oder bei einem Kochkurs gleich selbst Hand anlegen.

Und wer die polnische Küche mit Zurek, Bigos und Buchweizen schätzt, geht ins Restaurant „Alter Stall“ auf dem Gutshof.

Im Hotel wiederum bleiben die Gäste unter sich. Das kleine sogenannte „Witwenschloss“ bietet elf Zimmer. In drei Gartenhäusern gibt es fünf weitere Doppelzimmer sowie ein Familienapartment. Im Inspektorhaus im Gutshofs stehen den Gästen neun komfortable Zimmer zur Verfügung. Insgesamt gibt es 26 Zimmer und Apartments. Im Schloss finden Hotelgäste und Besucher ein weiteres Restaurant mit polnischer und internationaler Küche. 

Für jeden und täglich geöffnet ist das Museum im großen 1720 erbauten Schloss. Es ist einmalig in seiner Art! Auf drei Ebenen zeigt es die bewegende Geschichte und das Schicksal vieler Menschen, die hier lebten und arbeiteten. Besucher unternehmen in 18(!) historischen Räumen eine Zeitreise. Mit einem Tablet ausgestattet sehen sie 60 kurze Filme.

Zeitgemäße Multimediaausstellung

„Drei Jahrhunderte Leben im Schloss Lomnitz“ heißt diese zeitgemäß aufbereitete multimediale Ausstellung, die den Alltag in guten wie in schlechten Zeiten thematisiert. Die Filme gibt es auf deutsch, englisch und polnisch. Über eine App sind sie auch auf dem privaten Smartphone anzuschauen. Natürlich ist das Museum ebenso nur „analog“ zu besichtigen. Gezeigt wird Mobiliar aus unterschiedlichen Epochen. So ein Teesalon aus der Biedermeier-Zeit, das Büro des früheren Besitzers, eines reichen Leinenhändlers, ein Gartensaal aus der Barockzeit, ein sizilianisches Kabinett sowie die historische Schlossküche mit dem Gesindezimmer im Gewölbekeller. In einem Schulzimmer aus den 1960er Jahren erfährt man leibhaftig, wie das Schloss in der Volksrepublik Polen genutzt wurde.

Klassenraum im Schloss in den 1960er Jahren

In einem kleinen Kinoraum gibt es einen halbstündigen Film zu sehen.

Wichtiger Teil von Schloss Lomnitz ist das rekonstruierte Bethaus. Hier findet sich die Ausstellung „Schlesische Bethäuser–schlesische Toleranz“. Der Eintritt ist frei. Im Bethaus finden auch Meditationen und Konzerte mit Klangschalen aus Kristallglas statt. Teilnehmer sind tiefenentspannt – auch jene, die sich selbst als „verkopft“ bezeichnen würden, weil sie schwer abschalten können …

Ein neun Hektar großer englischer Landschaftspark, angelegt im Stil von Peter Josef Lenné, dem Parkgestalter der Schlossanlagen von Sanssouci, rundet mit satten Grün das prächtige Ensemble ab. 

Direkt am Schlosspark beginnen Spazier-, Wander- und Radwege. Denn das Riesengebirge mit dem Hirschberger Tal und dem Landeshuter Kamm ist ein Paradies für Freunde aktiver Erholung – zu jeder Jahreszeit.

Natur und Landschaft im Hirschberger Tal am Fuss des Riesengebirges faszinieren die Besucher täglich neu

Am Fluss Bober geht es entlang einzigartiger Landschaften zu kleinen Seen mit reicher Tier- und Pflanzenwelt: zu Schlössern und Herrenhäusern in der Nachbarschaft (etwa Karpniki/Fischbach, Wojanow/Schildau, Bobrow/Boberstein und Bukowiec/Buchwald) oder auf mittelhohe Berge (etwa die Falkenberge) mit besten Ausblicken auf die Schneekoppe und das gesamte Riesengebirge.

Egal ob Wandern oder Radfahren: Die Bober ist immer in der Nähe und fließt auch direkt am Schloss Lomnitz vorbei

Das Hirschberger Tal hat eine weitere Besonderheit: es wird von gleich drei Gebirgen umschlossen. Außer dem Riesengebirge südlich liegt östlich der Landshuter Kamm und weiter nördlich das Bober-Katzbach-Gebirge. Diese besondere Lage im Talkessel macht rasche Wetterumschwünge möglich.

Fahrräder sind direkt auf dem Gutshof zu mieten. Oder man fährt gleich nach Jelenia Gora/Hirschberg und besucht etwa die Gnadenkirche mit immerhin 8.000 Plätzen.

Die größte Stadt in der Umgebung hat noch mehr zu bieten, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(Juni 2024)

Fotos: Schloss Lomnitz, Fred Hafner

INFOS UND BUCHUNG

www.palac-lomnica.pl
Palac Lomnica, ul. Karpnicka 3, Lomnica
PL 58-508 Jelenia Gora 14
Tel.: 0048 75 71 30 460

ANREISE AUTO

1. über Cottbus–Forst (A15), dann polnische A18 bis Abfahrt Iowa, weiter über Jelenia Gora (Hirschberg) nach Lomnitz

2. über Dresden–Görlitz (A4), dann polnische A4 bis Abfahrt Jeleniow, weiter über Jelenia Gora (Hirschberg) nach Lomnitz

ANREISE BAHN

über Berlin und oder Dresden nach Görlitz, dann weiter nach Jelenia Gora (Hirschberg). Taxi nach Lomnitz (5 km) 10 Euro

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