Wer aufmerksam an unseren Stränden entlang wandert, kann dabei nicht nur Bernstein, das „Gold des Meeres“, entdecken, sondern auch andere Schätze. In früheren funklosen Zeiten ein Signal von Schiffbrüchigen, heute dagegen ein Spaß.
Wer sind Madeleine und Pascal habe ich mich gefragt, als mir dieser Tage eine bunte Postkarte aus Korsika ohne Absender ins Haus geflattert ist. Bis ich bei genauerem Lesen feststellte, dass mir ein französisches Paar geschrieben hatte. Die Übersetzung ergab schließlich folgendes: „Wir sind sehr glücklich, Ihre Flaschenpost vom 21.10.2014 am Strand von Solenzara gefunden zu haben. Wir haben gesehen, dass die Flasche schon in Dänemark, Portugal, auf Kuba und den USA war. Gratulation zu dieser Sensation! Wir haben uns den Spaß gemacht, sie wieder ins Meer zu werfen.“
Ich war zunächst mehr als baff und versuchte mich zu erinnern. Es muss auf dem norwegischen Frachter NORHOLM zwischen den Inseln Mön und Hiddensee gewesen sein, als ich – in einem Mobilfunk-Loch – die Flasche über Bord warf. Sozusagen als Jux-Gruß an die nahe Stralsunder Heimat. Wie sie in vier Jahren diese enorme, tausende von Kilometern lange Strecke zurücklegen konnte, war mir noch ein Rätsel.
Dadurch, dass ich als Schifffahrtsjournalist viel auf See bin und gern Flaschenposten schreibe, bekomme ich auch Antworten aus der ganzen Welt. Längste Flaschenreise bisher: in drei Jahren von den Kapverdischen Inseln nach Mexiko. Oder aus der Antarktis an die argentinische Pampa-Küste. Was mögen die „Buddeln“ alles unterwegs erlebt und heil überstanden haben: Stürme, Hitze, Eiseskälte, Schiffe, Küsten, schließlich auch ihre Finder. Immer wieder erstaunlich, was Wind, Wellen und Strömungen bewirken können! Das ist so etwas wie praktische Ozeanografie. In den Niederlanden gebe es sogar ein Meeresforschungs-Institut, schrieb mir ein dortiger Wissenschaftler, der die verschlungenenen Wasserpfade untersucht. Auch er hatte einen Gruß von mir aufgefischt und ausgewertet.
Beim nochmaligen Lesen der Postkarte aus Korsika ist mir schließlich ein Licht aufgegangen: dass Madeleine und Pascal die Schraubverschluss-Flasche geöffnet und wieder auf Reisen geschickt haben müssen. Wie mir das auch schon eine andere Finderin geschrieben und bildlich dokumentiert hatte. Bestückt natürlich mit einer weiteren Nachricht über den letzten Fundort. Genauso – allerdings ohne Foto – haben es offenbar auch ihre Vorgänger und das französische Paar gemacht. Nur so lässt sich die ungewöhnliche Schwimmstrecke aus der Ostsee, über den Atlantik, in die Karibik, zurück über den Atlantik und dann ins Mittelmeer erklären. Weg und Zeit sind nicht nur sensationell, sondern auch rekordverdächtig!
Inzwischen ist aus den Antworten eine Sammlung geworden, die sogar mal im Hamburger Museum für Kommunikation ausgestellt war. Darunter war auch mein erstes Erfolgserlebnis von 1958: die Antwort eines Mädchens, die mir freudig mitteilte, dass sie die in Eckernförde ins Wasser geworfene Flasche am Strand von Schleimünde gefunden hatte. Der mit nur 30 Kilometern kürzeste Weg bisher. Aber draus geworden ist meine erste Liebe und schließlich eine lange Freundschaft – bis heute.
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