Die Stadt Antibes an der Côte d’Azur
begeistert mit mittelalterlichem Flair,
Küstenlandschaft und Kunst
Von Ronald Keusch
Nur wenigen Künstlern auf der Welt ist es vergönnt, anlässlich ihres 50. Todestages in einer Vielzahl von Ländern mit großen Ausstellungen geehrt zu werden. Der spanische Maler, Grafiker und Bildhauer Pablo Picasso gehört zu diesem auserlesenen Kreis.
Picassos großes Atelier im Chateau Grimaldi
Die Stadt Antibes wurde neben Paris zum zweiten zuhause für Picasso, er verbrachte hier über ein halbes Jahrhundert lang seine Urlaube. Im Jahr 1946 wurde dem damals schon berühmten Maler von der Stadt das Angebot gemacht, im Kronjuwel von Antibes, dem historischen Chateau der Familie Grimaldi, für zwei Monate sein Atelier einzurichten.
„Das war ein Glücksfall für Antibes, denn hier entstand nach Paris der wichtigste Ausstellungsort für Picasso“,
so beschreibt Béatrice Di Vita, die Presseverantwortliche vom Tourismus Büro Antibes Juan-les-Pins die Bedeutung Picassos für den Tourismus in Antibes.Picasso war von der großen Fläche des Ateliers in der obersten Etage des Schloss-Turms so begeistert, dass er seinen Aufenthalt gleich um zwei Monate verlängerte.
Kurz nach dem Krieg fehlte es an Farbstoffen und Leinwänden für den Maler, aber er arrangierte sich mit Provisorien. Bei Röntgenaufnahmen einiger seiner Bilder wurde nach seinem Tod sogar entdeckt, dass er ältere Bilder anderer Maler einfach übermalt hatte.In der kurzen Zeit entstanden insgesamt 23 Gemälde und 44 Zeichnungen. Der Malerfürst hat alle seine Arbeiten der Stadt Antibes geschenkt unter der Bedingung, dass sie in Antibes verbleiben, und so geschah es.
Die Stadt richtete im Schloss ein Picasso-Museum ein, übrigens neben Barcelona das einzige, das bereits während Picassos Lebzeiten eröffnet wurde.
Mittlerweile besitzt das Museum insgesamt 275 Werke von Picasso und zusätzlich noch etwa 2.000 Werke von Malerfreunden aus seinem Umfeld, wie Hans Hartung, Balthus oder Joan Miro.
Das Meisterwerk ‚La Joie de Vivre‘- ‚Lebensfreude‘
Auf die Frage nach ihrem Lieblingsbild von Picasso muss Béatrice nicht lange überlegen.: „Ganz klar ‚La Joie de Vivre‘- ‚Lebensfreude‘. Da ist alles drin, Liebe, das tanzende Modell, die See, ein Boot, Figuren der Mythologie, ein vollkommenes Bild.“ Über Jahrzehnte haben Picassos Bilder von ihrer Modernität nichts eingebüßt.
Deutschland hält sich im Picasso-Jubiläumsjahr vornehm zurück. Sonderausstellungen gab es in der Kunsthalle sowie dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle und im Von der Heydt-Museum in Wuppertal. Jetzt im Herbst eröffnen noch zwei Ausstellungen von Picasso Druckgrafiken im Kunstmuseum in Münster und von Radierungen im Museum Ludwig in Köln. Die Sammlung Berggruen in Berlin besitzt eine der umfangreichsten und bedeutendsten Picasso-Sammlungen in Deutschland mit über 120 Werken aller Schaffensphasen. Aber: Da das Berggruen-Museum renoviert wird, sind die Picasso-Bilder auf Tour. Sie waren schon in Japan, jetzt kann man sie in China bewundern und im nächsten Jahr dann – nein, nicht in der Berliner Nationalgalerie, sondern in Paris! Nur einige wenige Werke der Berggruen-Sammlung sind gegenwärtig im Rahmen der Reihe „Spanische Dialoge“ im Kontext mit historischen spanischen Skulpturen im Bode-Museum zu sehen. Demgegenüber gab es in Spanien 16 und in Frankreich 12 Sonderausstellungen zu Picasso. Ein guter Grund, sich von Picasso in Antibes empfangen zu lassen.
Ferienort mit verschwenderisch langer Küstenlinie
„Das Museum ist schon der Hauptanziehungspunkt für die Touristen, die zu uns kommen“, bestätigt Béatrice Di Vita.
„Doch die Besucher kommen auch, um den ganzen Komplex des Grimaldi Chateaus und die Altstadt mit ihren Festungsmauern zu sehen. Wir haben den schönsten Strand am Cap d’Antibes, den Plage de la Garoupe, wo auch Picasso regelmäßig schwimmen war“.
Und Antibes hat eine verschwenderisch langen Küstenlinie von insgesamt 23 Kilometern mit jeder Menge Stränden und einer einzigartigen Naturlandschaft.
Geradezu berühmt ist der Zöllnerpfad, auch „Sentier de Tire-Poil‟ genannt. Das heißt wörtlich so viel wie „an den Haaren ziehen“, da fast immer der Wind über die Halbinsel fegt und somit auch in das Haar der hier wandernden Besucher.
Der Zöllnerpfad führt in einem Rundweg fast vier Kilometer um das gesamte Cap d‘Antibes herum. Er schlängelt sich über Schotterwege, über Klippenpfade und durch Buchten und führt
über Treppen im Gestein schier endlos dutzende Meter hoch und runter, ohne ein Zipfelchen von Schatten.
rechts: Unterwegs auf dem Zöllnerpfad um das Cap d’Antibes
Eine gute Kopfbedeckung und gute Kondition sind angesagt.
Man findet viele kleine versteckte Badestellen auf Felsvorsprüngen
mit Leitern und Rampen, die ins klare, saubere Wasser der Cote d’Azur führen, das auch noch im September angenehm warm ist.
links: Versteckte Badestellen entlang des Zöllnerpfads
Fotoverbot, auch für Journalisten
An der höchsten Stelle des Kaps steht die Kapelle Notre Dame de Bon Port auf dem Garoupe-Plateau, 79 Meter hoch, und bietet einen sensationellen Blick, auf der einen Seite das tiefblaue Meer und der anderen Seite die wolkenbekrönten Gipfel der Seealpen, die hier bis weit an die Cote d’Azur heranreichen.
Die ganze Stadt Antibes samt Hafen und Kastell liegt dem Betrachter zu Füßen.
Von hier kann man auch gut die Yachten im Hafen von Antibes sehen – und fotografieren. Mit seinen etwa 2000 Liegeplätzen ist der Hafen einer der größten in Europa. Ein Teil wurde 1986 speziell für Superyachten ausgebaut und erhielt großspurig die Bezeichnung „Quai des Milliardaires“ – Milliardärshafen. Allein der Liegeplatz kann hier schon einmal bis zu 1,5 Millionen Euro kosten! Peanuts für die Milliardäre. In den Vorjahren protzten die Besitzer schon mal gerne mit ihrem Reichtum und posierten vor den Touristen mit ihren Fotoapparaten. Damit ist jetzt Schluss – es gilt ein striktes Fotoverbot für den Yacht-Hafen, auch für Journalisten. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt.
Die Absinth-Bar im Kellergewölbe
In der Nähe des provenzalischen Marktes befindet sich in einem riesigen Kellergewölbe die L’Absinthe Bar, die bekanntesten Absinth-Bar von Antibes.
Schon in früheren Zeiten aber auch heute noch gilt es als schick, zwischen 17 und 19 Uhr einen Absinth zu nehmen. Eingerichtet mit schlichten Holzstühlen und kleinen runden Holztischen sowie einer mit vielen Dutzenden Flaschen bestückten Bar, lernt der Gast schnell etwas über das Prozedere. Auf dem Tisch sind hohe Wasserbehälter mit kleinen Wasserhähnen platziert. Dann wird in einem Glas der Absinth serviert, zuzüglich eines speziell geformten Löffels und mehrerer Zuckerstücke. Der Löffel wird mit einem Zuckerstück belegt und am Glasrand positioniert, das Glas wird unter einen Wasserhahn gesetzt und man lässt Tropfen für Tropfen das kalte Wasser über den Zucker rinnen. Die mit Zucker versetzten Wassertropfen fallen in den Absinth. Ist er milchig-grün gefärbt, kann der Absinth getrunken werden. Insgesamt hat die Bar mehr als 50 Sorten im Angebot.
Wegen seiner grünen Farbe erhielt der Absinth auch den Spitznamen „grüne Fee“. Er wird neben Anis aus Wermut und Fenchel sowie weiteren Kräutern hergestellt. In der Türkei heißt er Raki, in Griechenland Uozo, in Italien Sambuca, im Nahen Osten Arak und in Frankreich erfanden nach einem zwischenzeitlichen Verbot des Absinthes im Jahr 1915 findige provenzalische Bauern den Pastis, zu Deutsch „Nachahmung“.
Zu den berühmten Absinth-Trinkern sollen auch die Maler Paul Gauguin, Vincent von Gogh und Henri de Toulouse-Lautrec gehört haben, Gauguin wurde nur 54 Jahre alt, van Gogh und Toulouse-Lautrec keine 40. Picasso schaffte es mit Rotwein auf 91 Jahre. Keine Werbung für die grüne Fee.
Ateliers Junger Künstler in der Stadtmauer
Die Stadt Antibes ist seit jeher mit den Künstlern und ihrer Kunst eine enge Liaison eingegangen. Wenn man aufmerksam durch die Gassen der Altstadt geht, findet man an Häuserfassaden und an der Stadtmauer kleine wackersteingroße Gesichter eingemeißelt. Sie nennen sich Mauergesichter und stammen von dem chinesischen Künstler Ho Lui, der in der Altstadt lebt und dort auch sein Atelier hat.
Nicht weit vom Kastell entfernt verläuft die alte Stadtmauer zum Hafen.
In ihren Mauerbögen befanden sich früher Kasematten und dann in den 30er Jahren öffentliche Bäder, die Bains Douches.
links: Wuchtige Festungsanlagen rund um die Altstadt und den Hafen von Antibes
Heute sind dort Künstler eingezogen und haben sich ihre Werkstätten und Ateliers eingerichtet. Es sind meist Absolventen der Leonardo da Vinci-Hochschule für Keramik und Design aus Antibes. Die Stadt stellt den jungen Künstlern die Arbeitsräume in den Mauerbögen ein Jahr lang kostenlos zur Verfügung. Da gibt es den Keramik-Workshop Terra Luna, eine Werkstatt für Kunstdruck und nebenan formt ein Glasbläser kunstvolle Flakons in schillernden Farben.
Antibes macht weiter seinem Ruf als Stadt der Künstler alle Ehre.