Die Schweizer Jungfraubahn feiert ihr hundertjähriges Jubiläum
Das Etikett einzigartig und spektakulär wird in heutiger Zeit zunehmend inflationär benutzt und scheint oft nur noch als eine Worthülse zu bestehen. Aber es existiert wirklich DAS Einzigartige und DAS Spektakuläre. Dazu zählt eine weltbekannte Bahnstrecke im Berner Land in der Schweiz – die Jungfraubahn.
Auf Platz eins unter allen Bergbahnen
Im Jahr 1912 eröffnet, führt die Zahnradbahn vom kleinen Scheidegg über 9,3 Streckenkilometer bis zum höchstgelegenen Bahnhof Europas auf sensationelle 3454 Meter Höhe zum Jungfraujoch. Damit behauptet die Jungfraubahn, die insgesamt 1393 Höhenmeter überwindet, bis heute den ersten Platz unter allen europäischen Bergbahnen. Von hier oben ist die Gipfelwelt der Berner und Waliser Alpen aus nächster Nähe zu betrachten. Im Mittelpunkt steht das berühmte Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau sowie der längste Gletscher Europas – der Aletschgletscher.
Bahnziel: Touristen zum Jungfraujoch schaffen
Um die Fahrt auf den alpinen Olymp der stolzen Viertausender in voller Länge zu absolvieren, steige ich am Fuß der Jungfrau in Interlaken Ost in die berühmte Bahn. An diesem Sonnabend im März sind alle Sitzplätze in den neun Waggons gut gefüllt. Als am Anfang des 20. Jahrhunderts dieses Bahnprojekt geplant wurde, stellte es sich zuallererst das Ziel, die Touristen in die Höhe zu befördern. Daran hat sich bis heute nichts verändert. Doch während noch im Jahr 1912 per Schiene 42.000 Gäste zum Jungfernjoch befördert wurden, stieg knapp hundert Jahre später die Zahl auf knapp 700.000. Das sind kaum vorstellbare Heerscharen. Ein kleiner Trost, es soll künftig ein Tageslimit von 5.000 Besuchern geben.
Erster Umsteigebahnhof ist die Bahnstation Grindelwald. Dann noch einmal umsteigen im kleinen Scheidegg und von hier startet die eigentliche Linie der Jungfraubahn. Auf allen Streckenabschnitten sind die Skifahrer in ihren farbigen gestylten Skikombis zu treffen. In ihren modernen Skischuhen poltern sie in den Waggongängen. Viele Jugendliche haben nur ihre Snowboards mit dabei.
Wichtige Durchsagen in sieben Sprachen
Zwei Mal wird ein Stopp für je eine Fotopause eingelegt. Erster Halt an der Station Eigerwand auf 2885 Meter Höhe. An der Station Eismeer auf 3158 Meter eröffnet sich uns Reisenden eine bizarre Gletscherwelt. Eine kurze Information dazu kommt in insgesamt sieben Sprachen aus dem Waggonlautsprecher, davon klingen drei asiatisch in meinen Ohren. Der Zugschaffner klärt mich auf, auch in japanisch, chinesisch und koreanisch wurde darauf verwiesen, dass die Fahrt in fünf Minuten fortgesetzt wird. Wenn Metropolen wie Berlin wirklich weltweit um Touristen werben und nach Maßstäben für Internationalität unter Einschluss von Asien suchen, hier in der Jungfraubahn werden sie fündig.
In dieser Bahn hat jeder dritte Fahrgast asiatische Wurzeln. Aber trotz aller Exklusivität und Ausstrahlung dieser attraktiven Bahn stellt sich schon die Frage: Wie ist das möglich? Eine Antwort gibt Urs Kessler, CEO der Jungfraubahn in einem Sonderdruck der Schweizer Illustrierten. Die Basis des Erfolges in Asien bestehe in einem seit 12 Jahren aufgebauten Vertreternetz in Japan, Südkorea, China und Indien. Da ist nichts dem Zufall überlassen, wenn über 80 Prozent dieser Gäste aus Fernost einmal in ihrem Leben auf das Jungfraujoch fahren wollen.
Schönste Aussicht liegt in den Wolken
Nach knapp zweieinhalb Stunden ist endlich der Bahnhof Jungfraujoch auf 3454 Metern erreicht. Die letzten Streckenabschnitte fuhr der Zug überwiegend überdacht in Tunneln, um sicher die Höhe zu erreichen. Da war von der Wetterlage wenig zu sehen. Doch es deutete sich schon bei den letzten zwei Haltepunkten an, die den Reisenden freie Sicht boten, dass heute ein „Wetter-Unheil“ droht. Hier oben ist es nun Gewissheit. Der Spruch des Tages lautet „Wie du siehst, siehst du nichts“. Einzig aus den Wolken heraus tanzen noch einige Schneeflocken auf dem Bergsattel.
Neuer Erlebnisrundgang wird im April eröffnet
Die Veranstalter wollen vorsorgen und die Besucher bei jedem Wetter, das heißt bei keiner oder schlechter Sicht, auch bei Laune halten. Neben der bereits fertig gestellten Sphinx-Halle und einem Eispalast ist vorgesehen, noch weiter aufzurüsten. Im April des Jubiläumsjahres wird ein 250 Meter langer Erlebnisrundgang eröffnet, wobei an steilen Stellen die Gäste per Rollband befördert werden. In so genannten Erlebnisnischen werden dann die Entwicklung der Alpen und die Geschichte der Jungfraubahn inszeniert. Wer allerdings glaubt, in der guten alten Zeit seien Kosten und Bauzeiten noch eingehalten worden, wird hier vor Ort eher an heutige Bahnprojekte wie Stuttgart 21 erinnert. Der Bau der Jungfraubahn dauerte 16 statt konzipierter 7 Jahre und das Projekt kostete 16 statt geplanter 7,4 Millionen Franken.
Neben dem Erlebnisstollen wird künftig in der Sphinx-Halle mit einer Media-Show ein ganz besonderes Kinoerlebnis geboten. Der Besucher soll dann das Panorama der Jungfrau-Region wie ein Adler im Flug wahrnehmen. Allerdings verspricht CEO Kessler, dass man zwar am weltweiten Wettlauf von neuen Attraktionen teilnehmen müsse, aber er versichert: „Die Jungfrau darf kein Disneyland werden.“
Mancher holt bei den Preisen der Bergbahn tief Luft
Angeblich soll es in der Vergangenheit auch Pläne gegeben haben, die Jungfraubahn bis auf die Bergspitze der Jungfrau zu bauen. Aus heutiger Sicht sind die Schweizer froh, dass die verbliebenen 700 Höhenmeter bis zum Gipfel nicht zu fahren, sondern nur zu erklettern sind. Ich hatte schon während des Aufenthaltes auf dem Jungfraujoch ab und zu spürbar ein anstrengendes Atmen. Auch bei den Preisen holt mancher Interessierte tief Luft. Gegenwärtig kostet die Fahrt ab die kleine Scheidegg zum Normalpreis 112 Franken, von Interlaken Ost ist noch einiges drauf zu legen. Übrigens erhält jeder Gast zum Jubiläumsjahr am Tag seines Geburtstages mit einer Begleitperson eine Ermäßigung von 50 Prozent, um zum Jungfraujoch zu fahren.
Das Jubiläumsfest der Bahn findet, wo sonst auch, auf dem Jungfraujoch statt und natürlich am 1. August 2012 zum Nationalfeiertag der Schweiz. Es wird auch eine Live-Schaltung zu den Olympischen Spielen nach London geben. Denn auch dort sucht und findet die Jungfraubahn für die nächsten Jahre ihre Fahrgäste.
Weitere Infos: www.jungfrau.ch
Fotos: jungfraujoch.ch, Autor