CTOUR on TOUR: „Auf kurzem Weg ins Grüne“

6. Sächsische Landesgartenschau vom 28. April bis 14. Oktober 2012 in Löbau

Wer vom Gasthof „Honigbrunnen“ hinauf kraxelt bis zum Gipfel des Hausberges und dann noch die 120 Stufen zur Spitze des „Gusseisernen“ erklimmt, dem liegt nicht nur die Stadt Löbau zu Füßen, von hier hat er auch die beste Übersicht über das Gelände der Landesgartenschau.


Von diesem Wahrzeichen aus kann man seit 1854 das Wachsen und Werden der Stadt mit bloßem Auge beobachten. Einst zu Ehren König Friedrich Augusts errichtet, der aber die Weihe gar nicht mehr erlebte, hat es anderthalb Jahrhunderte überdauert und war stets Anziehungspunkt im Oberlausitzer Land. Vor zehn Jahren erlebte der Turm eine gründliche Rekonstruktion, die filigran und geschwungenen schwarzen Gussteile strahlen nun wieder im Schattenspiel mit dem Sonnenlicht.

Rundblick ins Lausitzer Land: 28 Meter hoch ist Löbaus „Gusseiserner“
Rundblick ins Lausitzer Land: 28 Meter hoch ist Löbaus „Gusseiserner“

Er ist in neuem Glanz also der Alte geblieben. Die Stadt aber hat sich verändert wie kaum eine in dieser Region. Um 1840 begann sie sich zu einem Industriezentrum zu entwickeln mit einem der größten Textilveredlungswerke der Oberlausitz und einer Zuckerfabrik, die bis ins Jahr 2000 hinein nicht nur die Löbauer beschäftigte. Heute ist der Blick von oben wieder freundlicher und naturbelassener. Fabrikgelände und Lagerhallen sind einer blühenden und grünenden Landschaft gewichen, auf die so mancher alte Löbauer möglicherweise mit Wehmut schaut. Metamorphose einer Landschaft. Trotz aller Wehmut: Das Experiment ist gelungen. Mitten in die Stadt hineingepflanzt, entlang am Löbauer Wasser, auf der Wiese der Leineweber, mit interessanten Resten der Zuckerfabrik ist eine attraktive Gartenschau entstanden.

Gartenschauen präsentieren ja längst mehr als nur blühende Blumen und Sträucher. Die vorhandene Landschaft, das gegebene Profil, die erlebte Geschichte sind heute bestimmende Elemente für eine moderne gärtnerisch-architektonische Gestaltung. Integration von Vergangenheit heißt heute die Aufgabe für planende Gestalter mit Sicht auf die weitere Nutzung über den Tag hinaus.

Entree zur Berg- und Talpromenade: Begrüßung in wechselnden Farben
Entree zur Berg- und Talpromenade: Begrüßung in wechselnden Farben

Der Berg- und Talweg ist der Geleitweg durch die Schau. Er führt den Besucher übers Zuckerplateau, durch das Kalkwäldchen, vorbei an den Setzgärten, über Wiesen und die Färberinsel zum barrierefreien Ausgang in der Brunnenstraße… Informative Textaufsteller verquicken Vergangenheit und Anliegen der Aussteller.

Das Zuckerplateau ist Eingangs- und Veranstaltungszentrum. Wo einst die Rüben von nah und fern zur Weiterverarbeitung abgekippt wurden, bleibt der „Rübentower“ als historisches Denkmal erhalten, quadratisch und symbolisch von Zuckerahornbäumen umpflanzt.
Das Kalkwäldchen liegt in einer Senke, in der der Kalkofen stand. (Kalk war ein wichtiges Bindeglied zwischen Rübe und Zucker.) Eine weiße Splittfläche wird von kalkliebendem Ginster und Seidelbast als Böschung umschlossen, und auf der Fläche grüßen Fabeltiere aus dem nahen Saurierpark in Kleinwelka.
Talabwärts führt das Schräge Wäldchen an 600 frisch gepflanzten Birken vorbei.
Besonders gelungen ist, dass die ehemaligen Schlämmteiche in das Gesamtprojekt einbezogen wurden. Drei von den Absetzbecken präsentieren sich heute als Setzgärten: Seerosen und andere Schwimmblattpflanzen erheben sich über der Wasseroberfläche, Goldfische schlängeln durch das Nass. Über einen Steg gelangt man von Teich zu Teich.
Direkt am Viadukt – der Überführung der Eisenbahnstrecke Görlitz-Dresden – liegt die Mühleninsel. In seinem Schatten wächst die aus acht Weidenzweigen gebaute Kirche in den Himmel. Jeden Tag um 12 Uhr lädt sie zur Andacht ein. Offen aber ist sie jederzeit und für jeden als Raum der Stille nach einem turbulenten, erlebnisreichen Tag.

In der Blumenhalle: Farbenpracht über 170 Tage
In der Blumenhalle: Farbenpracht über 170 Tage

Das Herz jeder Bundes- oder Landesgartenschau bildet die Blumenhalle. Für sie wurde das ehemalige Zuckerlager außen und innen völlig neu gestaltet. Es ist übrigens das einzige erhaltene Gebäude des riesigen Industriekomplexes. Jede zweite Woche zeigt sich hier eine andere Blütenpracht: vom Frühblüher bis zur Herbstaster. Gärtnereien und Floristen aus allen Teilen Sachsens zeigen ihren Einfallsreichtum: Rhododendren, Fuchsien, Hortensien, Rosen, Nelken – die ganze Pracht zahlloser Gärten auf engem Raum.

Die Schminke-Villa: Scharouns Hauptwerk im privaten Wohnungsbau (1930/33)
Die Schminke-Villa: Scharouns Hauptwerk im privaten Wohnungsbau (1930/33)

In einer Ecke der Blumenhalle verweist ein aus Holz gestalteter Infostand auf die Villa Schminke: ein schwacher Abglanz dieses historischen Kleinods. Da muss man schon hinaus in die Kirschallee fahren, um das einzigartige Baudenkmal der klassischen Moderne zu „entdecken“. Als Wohnhaus für den Industriellen Fritz Schminke hatte es Hans Scharoun 1930 entworfen – mit großflächigen Glasfenstern und Bullaugen, wobei in die Hausausgestaltung der Garten einbezogen wurde: Sichtflächen nach innen und außen. „Das Haus, das mir das Liebste war…“ bekannte Scharoun später, ist heute – nach gründlicher Renovierung 2009 – Wallfahrtsort für Architektur- und Kunstfreunde und wird weltweit zu studentischer Fortbildung als Ort des Studiums und der Bleibe auf Zeit genutzt. Wenn Löbau – dann auch unbedingt Schminke-Villa!

„Sonderzug“: Tuckert bis zum Oktober über das LAGA-Gelände
„Sonderzug“: Tuckert bis zum Oktober über das LAGA-Gelände Fotos: Günther Wolfram

Wer nicht mehr oder noch nicht gut zu Fuß ist, kann sich auf Rädern von Höhepunkt zu Höhepunkt durchs Areal kutschieren lassen. Zwei kleine Bahnen mit je 56 Sitzplätzen fahren den ganzen Tag über das Gelände, eine verkehrt sogar bis zum Altmarkt und zum Rathaus.
Auch an den Besucher, der zwischendurch ausruhen möchte, ist gedacht. Überall am Wegesrand stehen geschmackvolle Bänke, deren Sitzflächen selbst bei kühlem Wetter Wärme ausstrahlen.

Gartenschauen erstrecken sich jeweils vom Frühjahr bis zum Herbst eines Jahres. Sie sind für eine bestimmte Zeit – auch durch die verschiedenen Veranstaltungen – Anziehungspunkte für Besucher aus nah und fern. Aber was wird danach? Wenn die Tore im Oktober schließen? Wie nachhaltig wird Löbau 2012 sein? Fragen stellen sich schon jetzt. Das Motto übers Jahr hinaus aber wird immer lauten können: Auf kurzem Weg ins Grüne!

 

Infos:
www.landesgartenschau-loebau.de
www.oberlausitz.com