Die besondere Premiere: Hausbootfloß-Abenteuer auf der Havel
CTOUR-Kapitän Hans-Peter Gaul zieht es geradezu magisch aufs Wasser. Normalerweise an Bord von Kreuzfahrt-Riesen, diesmal ist es ein Zwerg, der es dem Thüringer angetan hat: ein Hausbootfloß vom Typ Havel Cruiser. Der ist noch ein Frischling, weil erst im Mai 2015 zu Wasser gelassen. Von der Müritz sind inzwischen sieben Boote – oder soll man sagen schwimmende Häuser? – huckepack per LKW an ihren Liegeplatz in Brandenburg verfrachtet worden.
Vom 2. bis 3. Juni hat er die „Nummer 4“, so der prosaische Name, auf einem Kurs rund um Brandenburg gemeinsam mit weiteren CTOURisten getestet. Zwar schon hausbooterfahren, doch weniger mit Manövern, hat er sich gleich ans Ruder gesetzt und wollte es jetzt genauer wissen: „Wie fährt sich eigentlich so ein schwimmender Bungalow?“ Dazu braucht er keinen Bootsführerschein.
Alles klar, Käpt´n!
Das Rückwärts-aus-der-Parklücke-Fahren gelingt geradezu bravourös – ohne einen der eng stehenden Begrenzungspfähle des Liegeplatzes an der Potsdamer Straße zu touchieren. Maschine rückwärts, und zwar gaaanz langsam, dann das Ruder nach rechts, pardon Steuerbord, legen, Stopp, Ruder nach Backbord und dann einfach geradeaus weiter. „Fast wie beim Auto“, meint er und lächelt entspannt in die Kamera. Der Wasserstraßenatlas zeigt ihm, dass er die voraus auftauchende grüne Tonne rechts liegen lassen muss, die rote an Backbord. Auch muss rechts gefahren werden. Alles natürlich mit kleiner Fahrt, denn zehn Kilometer pro Stunde sind hier maximal erlaubt. Mehr gibt der 15 PS-Motor auch nicht her. Für „richtig“ Power bräuchte man auch den amtlichen Bootsführerschein.
Dann steuert der Mann mit der weißen Mütze – die hat er sich jetzt verdient – hinaus auf die Havel – zu Berg, wie es in der Schiffersprache heißt, also flussaufwärts. Ein Frachter kommt entgegen und nötigt Hans-Peter – an Bord sprechen sich übrigens alle per Du und Vornamen an – Respekt ab. „Mein Gott, dem Koloss möchte ich nicht vor den Bug kommen!“ Kameramann Jeremy gibt ihm Recht und schaut sich vorsichtshalber schon mal nach hinten um, ob nicht von dort Gefahr in Gestalt eines anderen Schiffes droht. „Alles klar, Käpt´n!“, meldet er, damit Hans-Peter problemlos die Fahrrinne überqueren kann, um den „Wuster Durchstich“ anzusteuern. Der verspricht Natur pur und Null Hauptfahrwasser-Stress.
Havel-Himmel vergoldet
Die vier Passagiere sind begeistert von der üppigen Flora und Fauna. Das ist ein Ergebnis der Havelbegradigung, liest man im Törnatlas. In Anlehnung an die Peene in Mecklenburg-Vorpommern, findet Hans-Peter, „ist das hier der Amazonas Brandenburgs“. Die Temperaturen verlangen nach einer Badepause. „Den Anker wegwerfen“, nennt das Jeremy etwas unfachmännisch. Sein Kollege Mike erinnert daran, dass man den noch mal brauchen könnte und daher nicht wegwerfen sollte. Na ja, Hans-Peter findet ein schönes Plätzchen, doch Wind und Strömung drücken das kastenförmige Gefährt mit seiner großen Windangriffsfläche und dem geringen Tiefgang locker ins Gebüsch. Der Anker hält nicht ganz das, was er verspricht. Eine Anwohner-Grillrunde am Ufer wird aufgeschreckt, aber das erfrischende Bad hat jetzt Vorrang.
Während die Abendsonne den Himmel über Brandenburg vergoldet, legt Hans-Peter die „Nummer 4“ Nase voraus an die Pier. So als hätte er das schon x-mal gemacht. Dennoch, das Schweißband seiner Mütze mit der Aufschrift „Captain“ ist durchnässt. „Wahrscheinlich nur wegen der tropischen Temperaturen“, sagt er und wischt sich die Stirn ab.
Die Mini-Kombüse bleibt indes kalt. Verlockend ist das indische Restaurant „Mala Bar“ um die Ecke mit Blick auf den Stadtkanal. Bei scharfen Speisen vom Subkontinent und hausgebranntem Mango-Schnaps lässt die CTOUR-Crew den Abend ausklingen. An Bord folgt noch ein Bier, das im Havel-Wasser vorgekühlt worden ist. Denn einen Kühlschrank gibt´s an Bord nicht. Den muss man in Form einer Kühltasche schon mitbringen.
Stylisch: NORMA und BUGA
„Das ist die neue, stylische Generation der Hausboot-Flöße. Schick, mit bester Ausstattung und starkem 15 PS Motor, führerscheinfrei. Mit edlen Terrassenmöbeln und lässigen Liegestühlen auf der Dachterrasse“, liest man auf der Havel Cruiser-Webseite. Und wundert sich, wenn man in seiner wenig körpergerechten Koje liegt: eindeutig zu kurz für Menschen über 1,70 Meter Länge. Da stoßen Kopf und Füße an ihre natürlichen Grenzen. Eine Decke für den Bettbezug – auch das muss man ebenso wie Handtücher von zu Hause mitbringen – vermisst man für die Nacht auf der Pritsche. Dafür kann man auf eine Dusche verzichten, denn schließlich liegt man auf der Havel mit der viel erfrischenderen Möglichkeit eines Ganzkörper-Bades im Fluss.
Gefrühstückt wird bei NORMA. Da gibt´s belegte Brötchen, Kaffee. Dazu Sonne pur am Rande des Supermarkt-Parkplatzes und fröhliche Kommunikation mit keineswegs morgenmuffligen Brandenburgern.
Die Vorstadtschleuse Brandenburg muss passiert werden, die Zeichen stehen erfreulicherweise auf Grün. Vor- und Achterleine werden locker belegt, nicht festgemacht. „Sonst hängt ihr das Boot auf!“, warnt Skipper Peer, „da hilft dann nur noch ein Küchenmesser“.
Ein Abstecher zur BUGA Havelregion 2015 muss sein. Mit prominentem Anlegeplatz vor der „Jahrtausendbrücke“ und am Packhof, der „Alten Werft“ neben dem Museumshafen mit den Dampfern „Nordstern“ und „Luise“. Zum Mittagessen bei Nudeln mit Gemüse wird für 1,80 Euro pro Nase beim Vietnamesen links von der Brücke eingekehrt.
Abkühlung im Beetzsee
So gestärkt entscheiden wir uns für „links herum“, also weiter auf der Brandenburger Niederhavel zum Breitlingsee, den wir nach sieben Kilometern Grün-Fahrt erreichen. Alles schreit nach Badepause, die auch dieses Mal nicht versagt wird.
Schnurstracks geradeaus lenkt unser Mann am Steuer das „stylische“ Wassergefährt am Stahlwerk Brandenburg vorbei bis in den Beetzsee hinein. Vorbei an der Regattastrecke zum nächsten Ankerplatz. Die Tropen-Temperaturen schreien nach Abkühlung. Wir finden ein Plätzchen und stellen fest: a) der Anker hält und b) das Wasser ist nur brusttief. Da kann man problemlos einmal ums Schiff gehen und beeindruckende Weitwinkel-Aufnahmen schießen, um sie später zu zeigen mit den Worten: „Sooo groß war unser Dampfer!“ Jeremy stellt sich zur Untermalung dieser Aussage an den Bug und gibt mit ausgebreiteten Armen die „Titanic“.
Auch der schönste Nachmittag geht mal zu Ende, und so heißt es nach zwei entspannten Stunden: „Anker auf und Kurs Marina!“ Doch vor dem verdienten Feierabend steht noch einmal die Brandenburger Vorstadtschleuse. Ein riesiges Ding, das sogar komplette Schubverbände schluckt – und, wenn man als Hobby-Skipper Glück hat, auch ein paar Boote.
Finale mit Schleusen-Theater
Die Ampel zeigt Doppel-Grün, das Tor steht offen. Der Sportboot-Anleger ist voll. Der Blick nach achtern ist wichtig, denn mit gewichtiger Bugwelle schiebt sich der Frachter EILTANK 30 aus Duisburg heran. Der hat natürlich Vorrang, dem wir ihm auch lassen, als wir am rechten Fahrwasserrand brav gestoppt liegen und darauf warten, nach ihm einzulaufen. Doch dann macht sich die Kavalkade der Wartenden auf den Weg. Selbstverständlich lassen wir denen den Vortritt und queren hinter dem letzten Motorboot das Fahrwasser. In dem Moment prescht ein Wasserschutzpolizist auf den Kai und bedeutet uns, anzulegen. „Sie wissen ja, was Sie falsch gemacht haben!“, faucht der uns böse an. Wir sind echt ahnungslos. „Vor der Schleuse darf man nicht liegen!“ Auf unseren Einwand, dass wir uns ja ganz rechts gehalten und niemanden behindert haben, reagiert er nicht. „Der Schleusenwärter wird Ihnen auch noch was erzählen“, meint der Uniformierte. Doch Letzterer denkt nicht daran und lässt uns ziehen. Anruf bei dem befreundeten Schiffsführer des Frachters DÖMITZ. Der meint nur: „Im Sommer seid Ihr dran, im Winter wir!“ „Nicht gerade touristenfreundlich“, meint Mike zu diesem Schleusen-Theater.
Dann geht es zurück per Bahn nach Berlin.
Auf der Webseite von www.havel-cruiser.de wird geworben:
„Die Yacht unter den Hausbootflößen“
Es gibt rustikale Flöße – und es gibt die schicken Havel-Cruiser. Lounge Feeling vom Feinsten, beste Ausstattung und ein starker Motor … So lässt es sich leben!“
Für Tagestouren, den Wochenendtrip oder gleich den richtigen Bootsurlaub. Entdecken Sie die idyllische Brandenburger Havellandschaft, entdecken Sie die Buga 2015-Havelregion vom Wasser aus oder lassen Sie sich einfach mal treiben. Wir wünschen Ihnen unvergessliche Abenteuer mit Stil!“
Seit Mai 2015 können die derzeit sieben führerscheinfreien Hausbootflöße an der Station Havel Cruiser an der Potsdamer Straße in Brandenburg für Ein- oder Mehrtagesfahrten ausgeliehen werden. Wie Pressesprecher Andreas Stefanis sagte, plant das Havel Cruiser-Unternehmen nach dem erfolgreichen Start zur BUGA 2015 seine weitere Entwicklung im kommenden Jahr. So soll es einige neue Hausbootflösse und vielleicht sogar eine Hotelpension geben.
Unsere Erfahrung: die Havel Cruiser können für Familien oder Kleingruppen eine interessante Möglichkeit sein, die reizvolle Havellandschaft um Brandenburg mal bequem aus der Wasserperspektive auf Tagesfahrten zu erkunden. Mit der derzeitigen Ausstattung (kein Kühlschrank und keine Küche sowie beengte Schlafplätze – Bettwäsche ist mitzubringen) sollte man bei Mehrtagesfahrten besser auf geeignete Übernachtungsmöglichkeiten an Land zurückgreifen. Vorsicht ist auch bei der möglichen Nutzung des Bootdachs (ohne Geländer) mit den beiden Liegestühlen während der Fahrt geboten. Durch plötzliche Wellen vorbeifahrender Boote könnte es hier schnell kipplig werden. Bei Schleusenfahrten kann auch die mögliche Hilfe erfahrener Skipper von Nutzen sein. Mehr über unsere Erlebnisse und Erfahrungen mit Havel Cruiser sowie ein Gespräch mit BUGA-Marketingchef Mathias Ullrich zeigt das Video „Mit Havel Cruiser rund um Brandenburg“.