Eindrücke einer Pressereise in die Hauptstadt Russlands und zum Goldenen Ring auf Einladung von Visit Russia
Die nationale Tourismus-Agentur in Deutschland „Visit Russland“ hat im Juni in Berlin ihre erste Auslandsvertretung eröffnet. „Wir sind hier, um eine Botschaft des Willkommen zu senden. Kommt zu uns nach Russland, deutsche Urlauber, schaut Euch mit eigenen Augen unser Land an und informiert Euch vor Ort“, so Maria Pushkarewa, die Leiterin der Repräsentanz. Zu den ersten Vorhaben von Visit Russia gehört eine Road-Show durch Deutschland mit Stationen in Berlin, München und Frankfurt, Presseinformationen sowie kurze Reisen für Journalisten. Wir fahren nach Moskau und zum goldenen Ring.
„…Fragen und Unverständnis entstehen, wenn man sieht, WAS in Deutschland über Russland geschrieben wird und WIE es geschrieben wird. Nicht von ungefähr habe ich das WIE hervorgehoben. Denn die Fakten, die Anlass zur Kritik bieten, stammen ja oft aus der Realität oder werden aus russischen Zeitungen übernommen. Übrigens treten russische Zeitungen zuweilen sogar kritischer auf als die ausländischen.
Beim aufmerksamen Blick auf die Flut von Veröffentlichungen in Deutschland wird man jedoch schwer den Eindruck wieder los, als ob man es mit einer gezielten Kampagne zu tun hat, als ob alle aus einer einzigen Quelle schöpften, die eine Handvoll Thesen enthält (in Russland gebe es keine Demokratie; die Meinungsfreiheit werde unterdrückt; eine arglistige Energiepolitik werde durchgesetzt; die Machthaber drifteten immer weiter in Richtung Diktatur ab – und so weiter und so fort.) Diese Thesen werden in verschiedenen Tonarten wiederholt. Die Zeitungsmacher scheinen auch keinerlei Interessen jenseits dieser Aussagen zu haben….“
Diese Worte wurden bereits im Jahr 2008 explizit an die deutschen Journalisten gerichtet, nicht von irgendwem, sondern von einem Russen, der für Deutschland und seine Bewohner sehr viel getan hat, Michail Gorbatschow.(I)
An dieser von Gorbatschow beschriebenen Situation hat sich nichts geändert. Keine einfachen Zeiten für eine Russland-Reise. Das scheint für alle aus deutschen Landen zu gelten, für Politiker wie Manager der Wirtschaft, für Journalisten… aber auch für Touristen?
Hürdenlauf zum Visum
Dass der deutsche Tourist nicht nach Barcelona oder Amsterdam reist, wird ihm bereits richtig deutlich, wenn er sich um sein Visum nach Russland kümmern muss oder Reiseveranstalter für beachtliche Gebühren beauftragt. Zuallermeist verwöhnt durch das Reisen innerhalb der EU-Länder in Europa kann es recht kompliziert werden, alle Papiere und Informationen zur Erteilung eines Visum zu besorgen. Beispielsweise ist eine Auslandskrankenversicherung vorzulegen und der Nachweis, ein regelmäßiges Einkommen in Deutschland zu besitzen. (Da reicht übrigens der deutsche Rentenausweis.) Wer weiß von den darüber verblüfften deutschen Touristen, dass bei deutschen Stellen dieser Nachweis bei der Erteilung des Visums für Russen seit langem eingeführt und selbstverständlich ist.
Vielfalt an Fernsehkanälen
Sind diese bürokratischen Hindernisse erfolgreich überwunden, wartet auf den Russland-Reisenden eine weitere Überraschung. Wenn er in die Aeroflot-Maschine in Berlin Schönefeld einsteigt, kann er sich u.a. kostenlos die „The Moscow Times“ oder auf dem Flughafen Scheremetjewo in Moskau die „Moskauer Deutsche Zeitung“ in die Hand nehmen. Die Ausgabe der Times (II)vom 24. Juni kritisiert auf dem Titel scharf die Überschwemmungen in Moskau nach Regengüssen wegen Mängel der Kanalisation und stellt außerdem in einem vierspaltigen Kommentar fest, dass die Russen nur dem Staat, aber nicht gegenüber Putin loyal sind. Total gleichgeschaltete russische Medien ohne jegliche Meinungsvielfalt, wie deutsche Zeitungen und Sender ständig beklagen, lesen sich anders. Zumal in den Hotels in Moskau und Susdal der Hotelgast mehr als ein Dutzend US-amerikanische und europäische Fernseh-Sender empfangen kann, einschließlich CNN, ARD und ZDF und sogar das Fernsehprogramm aus Kiew.
Roter Platz zum Anfassen
Eine der am meisten besuchten Sehenswürdigkeiten ist der Rote Platz vor den Toren des weitläufigen Geländes der Kreml-Festung. Am südlichen Ende des Rotes Platzes steht auch die berühmte Basilius-Kathedrale, errichtet aus Anlass des Sieges über die Tataren. Überall Spuren der Geschichte und natürlich haben viele Besucher die Bilder von Aufmärschen und Militärparaden unterschiedlicher Epochen im Kopf. Doch heute im Alltag – und das vermutet nicht jeder ausländische Besucher – ist der Platz zum Anfassen. Auf dem Platz ist eine große Bühne aufgebaut, auf der eine Band mit einer Sängerin auftritt und sich im großen Halbkreis die Zuschauer versammelt haben. Nur ein paar Dutzend Meter weiter beginnt eine lange Kette von Verkaufsständen einer Buchmesse, es werden vor allem Kunstbücher gehandelt. Und mittendrin und zwischendurch Familien mit Kinderwagen, Spaziergänger jeden Alters, einzelne fotografierende Pärchen und immer wieder ein Touristen-Pulk, die Normalität einer Großstadt, die mittlerweile offiziell mehr als 12 Millionen Einwohner zählt.
Lenin erwartet meist Touristen
Etwas abseits an der Kreml-Mauer erhebt sich im grauen Stein und gedrungener Form das Mausoleum, in dem der Leichnam der Ikone der Oktoberrevolution Lenin aufgebahrt ist. Noch vor einigen Jahrzehnten standen vor allem Besucher aus allen Teilen der Sowjetunion in langer Schlange davor. „Und wie ist es heute Maria?“ „Ich glaube, die meisten Besucher im Mausoleum sind heute nur noch Touristen.“
Doch die Schatten der Geschichte und der Gegenwart reichen auch auf den Roten Platz. Gleich links und rechts neben dem Mausoleum an der Kreml-Mauer befinden sich die Gräber mit den Kopf-Skulpturen von sowjetischen und russischen Staatslenkern. Unschwer zu erkennen ist darunter eine Stalin-Büste. Und an den großen Zugängen zum Platz drängen sich an aufgestellten Sicherheits-Sperren wie auf Flughäfen die Besucher, um ihre Taschen kontrollieren zu lassen. Der internationale Terrorismus bringt sich in Erinnerung.
Klöster der russischen Zaren
Wie alle Großstädte in Europa und überall auf der Welt belegt auch Moskau, dass selbst sechs Autospuren in eine Richtung zu bestimmten Zeiten das Stehen im Stau oder das Zuckeln im Schritttempo nicht verhindern. Die Straßen in den Nordosten von Moskau führen zu einer Reihe von alten russischen Städten mit unzähligen Kirchen und Klöstern, in denen das traditionelle, das zaristische Russland seinen Ursprung hat. Beeindruckend ist für mich bei den russisch-orthodoxen Kirchenbauten, dass sie weniger Pracht-Architektur sein wollen, die Macht ausstrahlt, sondern eher ein menschliches Maß finden, fast einen häuslichen Charakter aufweisen.
Die Kuppeln der vergoldeten Kirchtürme leuchten im Sonnenschein weit ins Land und prägten den Begriff „Goldener Ring“. Der Weg führt uns zunächst nach Sergiev Posad, berühmt durch das Kloster der Dreifaltigkeit und des Heiligen Sergius. Der Mönch Sergius gründete das Kloster im 14. Jahrhundert. Es überstand alle Stürme der Zeit, die Zerstörung durch Mongolen, Anbauten späterer Jahrhunderte und auch die Ära der Sowjetunion. Heute bewohnen hunderte von Mönchen die restaurierte Klosteranlage, deren Ensemble sogar als Weltkulturerbe der UNESCO gekürt wurde.
Renaissance tiefer Gläubigkeit
Hier ist einer der bedeutendsten Wallfahrts-Orte der russisch-orthodoxen Kirche.
Es kommen nicht nur viele Pilger aus ganz Russland, sondern sehr viele Touristen werden von den unzähligen Ikonen angezogen. Allerdings sind die Touristen in der Kirche in der Minderheit. Ein ständiger Strom von russischen Gläubigen ergißt sich in den Kirchenraum, darunter eine erstaunlich große Zahl junger Menschen, es wird inbrünstig und lange andauernd gebetet. Für nicht wenige ausländische Besucher und auch für mich ist diese so offen manifestierte tiefe Gläubigkeit der russischen Bevölkerung schon erstaunlich. Die Religion erlebt eine Renaissance.
Ein unbestrittener Höhepunkt des goldenen Ringes sind die unzähligen goldenen und vielfarbigen Kirchenkuppeln in Suzdal. Hier scheinen die Touristen wieder mehr unter sich. Ich höre eine ganze Reihe deutscher Stimmen aus Reisegruppen. Aber häufig im Blickfeld sind eng beieinander stehende und laufende Touristen-Gruppen aus Asien. „Leider sind aus Westeuropa in letzter Zeit etwas weniger Touristen zu uns gekommen“, sagt mir Maria.“Aber die leicht rückläufige Zahl wird zum Teil durch Besucher aus China ausgeglichen.“
CD-Verkauf in der Kathedrale
In der imposanten Kathedrale von Suzdal empfangen uns gregorianische Gesänge. Mehrere Frauenstimmen singen mit kräftiger und melodiöser Stimme und mit großer Ausdauer Choräle. Die mystische Stimmung mit ihrer musikalischen Symbolik erzeugt bei mir wie sicher auch bei anderen Touristen ein Gänsehaut-Gefühl. Nur wenig später verstummen die Frauenstimmen und fünf junge Mönche versammeln sich vor dem Altar und tragen mit kräftigen Stimmen einen Psalmengesang vor.
Anschießend im Vorraum der Kathedrale präsentieren die jungen Männer, die meisten bartlos und gut rasiert, ihre CD Kollektion. Wegen der sehr guten Akustik werden ihre Gesänge im Kirchenraum aufgenommen. Ich kaufe ihre CD mit russischen Liebesliedern für 400 Rubel (ein Euro entspricht 60 Rubel).
Abschied auf der Moskwa
Wieder in Moskau beziehen wir unser Quartier in einem früheren Gästehaus der Regierung, dass vor zwei Jahren zum Touristen-Hotel Petroff Palace umgewandelt wurde. Hotel-Manager Nikolai Glodin beschreibt ausführlich die spannende Geschichte dieser neu restaurierten Hotelanlage. Hier nächtigte vor 250 Jahren mehrmals Katharina die Große, bevor sie sich auf den Weg zum zehn Kilometer entfernten Kreml machte. Wir haben es heute bequemer. Ganz in der Nähe des Hotels befindet sich die Metro-Station Dinamo. Die Metro, Wagen wie Stationen wie aus dem Ei gepellt und fast unanständig sauber, bringt uns schnell und bequem in das Zentrum der Stadt.
Die Veranstalter buchten eine zweistündige Kreuzfahrt auf dem Schiff – Abschied von Russland auf der Moskwa. An diesem Sonntagabend ist unser Schiff knapp zur Hälfte mit Gästen belegt. Wir befahren die attraktivste Strecke, die wie in London oder Berlin durch die Innenstadt führt. Das Wetter hat ein Einsehen am frühen Abend und zieht die Regenwolken beiseite. Wir erleben einen langen Sonnenuntergang, der die Kuppeln der Klöster und Kathedralen, den Kreml und die Brücken über den Fluss
in ein anmutiges und feuriges Licht taucht. Wer von den Fahrgästen könnte da widerstehen, ehrlichen Herzens zu sagen: Moskau ist eine Reise wert.
Anmerkungen:
(I) Offener Brief von Michail Gorbatschow an die deutschen Medien, Petersburger Dialog, Moskau März 2008
(II) The Moscow Times, 24.june 2015, page 1,9 ; www.themoscowtimes.com