Hat einen Turm und ist doch kein U-Boot, so könnte die Quizfrage lauten beim Blick in den Laderaum. „Sieht wohl so aus“, grinst Bernd Blanck geheimnisvoll, als er seinen Passagier, der immer mal wieder mitfährt, auf der Brücke begrüßt.
Kurz zuvor hat ein Kran der M-V-Werften das ominöse Stahlteil in der Tiefe des Küstenfrachters abgesetzt. Bootsmann Wilhelm Flores von den Philippinen und seine zwei Kollegen sind gerade dabei, die Sektion seefest zu laschen, so dass sie standsicher transportiert werden kann. Ansonsten ist der Laderaum, den sonst 1600 Tonnen Rapsschrot für eine Oldenburger Ölmühle füllen, gähnend leer.
Klar vorn und achtern!
Blanck, Kapitän und gemeinsam mit seinem Bruder Willem Eigner des Küstenfrachters „Fredo“ – sie nennen sich scherzhaft „Kümonauten“ -, freut sich über die saubere Ladung: „Kein Staub und gutes Geld, was will man mehr“. Sie wiegt schlappe elf Tonnen, ist acht Meter hoch, sechs Meter lang und fünf Meter breit, wie aus den Begleitpapieren ersichtlich ist. Für den Laien nur ein „Gerüst“. Der Fachmann würde sagen: eine Schiffssektion, also Teil eines Schiffes. Zwischen den Werften werden viele hin und her transportiert. Auf von Schleppern gezogenen Spezialpontons oder in den Laderäumen von Schiffen. Ein an sich normaler Vorgang. Nur in unserem Fall ist es anscheinend etwas Besonderes. Doch das soll sich spätestens am nächsten Tag zeigen.
15 Uhr: Klar vorn und achtern! Die Männer der Werftfeuerwehr lösen die Leinen, die von den Matrosen an Deck eingeholt werden. „Beginn der Seereise“, notiert Bernd Blanck ins Schiffstagebuch und legt den Maschinentelegrafen auf langsame Fahrt voraus. Von Land verabschieden sich die Kameraden per Sirene. „Fredo“ verlässt seinen Heimathafen Stralsund, dessen rotes Wappen am Steven prangt und Namenszug gut sichtbar am Heck steht. Es ist der einzige in der Hansestadt registrierte Frachter und daher auch in vielen Ostseehäfen ein bekannter Gast.
Steuermann hält die Wacht
Der steife Westwind treibt den 83 Meter langen 1700-Tonner aus dem kabbeligen Sund und Bodden hinaus auf die viel bewegtere Ostsee. „Bin zwar lange nicht mehr hier gewesen“, meint Blanck, „aber das Revier kenn ich noch wie meine Westentasche“. Einen Lotsen braucht er aufgrund der Schiffsabmessungen nicht. Spät abends blitzt das Kap Arkona-Leuchtfeuer an Backbord, irgendwann grüßt auch der Hiddenseeer Dornbusch-Turm herüber. Wind und See haben merklich zugenommen, über die Vollmondscheibe wischen bedrohlich schwarze Wolkenfetzen. Hurrikan „Florence“ letzter Hauch. Der sorgt für eine unruhige Nacht, wenn Wellenberge sich am hoch aufragenden Steven des leichtgewichtig beladenen Frachters wummernd brechen. Der junge Steuermann Kevin Oltmanns hält derweil die unbeeindruckt davon Wacht.
Am nächsten Nachmittag wird wie üblich die Kieler Förde angesteuert, aber es geht unüblich an der Einfahrt zur Schleuse Kiel-Holtenau vorbei und stattdessen tief hinein in die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt, der Partnergemeinde von Stralsund.
Das Turm-Skelett schwebt
Wo kann hier bloß die Ladung gelöscht werden? Bis Kapitän Bernd Blanck das Ostufer ansteuert. Vor einer Halle tront hoch aufgebockt auf einer Absenkplattform ein neues U-Boot. Das Ziel ist erreicht, als „Fredo“ am Liegeplatz 11 der Werft German Naval Yards – früher hieß die renommierte, traditionsreiche Werft HDW/Howaldts-Werke/Deutsche Werft AG – festmacht. Feierabend. Landgang? Fällt flach, denn die Koje ruft. Man will frisch sein für den kommenden Tag.
Löschen der Ladung am HDW-Liegeplatz 11 in KielSechs Uhr früh. Eine Gruppe von behelmten Männern in leuchtender Sicherheitskleidung taucht am Schiff auf. Wenig später brummt ein Schwerlastkran heran und fährt seinen gewaltigen Ausleger in die Höhe. Am Haken hängen breite Gurte. Die Ladeluke wird hydraulisch geöffnet und das ominöse Teil mit Schäkeln angeschlagen, also befestigt. Der Kran dröhnt auf, die Gurte straffen sich und das stählerne Stahl-Skelett schwebt durch die kühle Morgenluft auf eine Stahlplattform, die auf Rollen weiter transportiert werden kann. Auf der Brücke von uns mit Spannung beobachtet.
Geheimnis gelüftet
Darunter ist auch ein Logistik-Spezialist der Werft. Was es denn sei, was wir da im Unterauftrag von einem bekannten Stralsunder Stahlbau-Unternehmen hierher transportiert hätten?, möchte ich wissen. „Ich kann´s ja verraten“, lächelt er, „das ist das Turmgerüst für ein neues U-Boot“.
Für welches Land das bestimmt sei? Er zuckt mit den Schultern, zieht die Augenbrauen hoch und schweigt vielsagend. Bekannt ist allerdings, dass das führende Unternehmen für den konventionellen U-Boot-Bau nicht nur die Deutsche Marine beliefert, sondern auch an solche „sensiblen“ im krisengeschüttelten Nahen Osten wie Türkei, Israel und Ägypten. Vielleicht deshalb die Geheimniskrämerei? Fotos sind kein Problem, weil vom Schiff aus geschossen, das kein Werftgelände ist.
Kapitän Blanck und seinen Männern ist das alles egal. Sie freuen sich stattdessen auf weitere Sektionen vom Sund, „damit unser schönes Schiff weiterhin sauber bleibt“. Allerdings führt die Anschlussreise erst mal in den Rostocker Seehafen – zum staubgeschwängerten Rapsschrotladen für Oldenburg.
Infos:
MS FREDO: Bauwerft: Schiffswerft Hugo Peters, Wewelsfleth/Stör; Baujahr: 2/1985; Bau-Nr.: 607; Flagge: Deutschland; Taufname: „Premiere“ (bis 2002), danach „Montis , ab 1. Mai 2010 FREDO (Zusammensetzung aus den Heimatorten der Eigner Willem (Freiburg/Unterelbe) und Bernd Blanck (Dornbusch/Unterelbe).
Abmessungen: Länge: 82,45 m, Breite: 11,33 m, Tiefgang (max.): 3,43 (Typ Saima/Vänern-max, da der Frachter früher jahrelang zu den finnischen Seen unterwegs war); 1 Luke (3105 Kubikm. Schüttgut); eingerichtet für Container-Transport: 46 TEU, verstärkt für Schwergutladung; BRZ: 1649, Tragfähigkeit: 1829 tdw, Ladetonnen: 1700 Tonnen; Displacement (Ladetonnen und 865 t Schiffsgewicht): 2694 t; Maschine: MWM, Typ TBD 440-6K, 441 kW (700 PS), Geschwindigkeit (max.): 10,6 kn; GL-Klasse: GL+100 A4 MEG; Crew (max.): 7; Passagiere: 1 Einzelkammer ( Bad/WC/Dusche gemeins. mit 1. Offizier), breite Koje, Schrank, Sitzecke, Tisch, Stuhl, Schubfächer, Sat.-TV, Waschmaschine/Trockner können problemlos benutzt werden, Preis (inkl. Vollpension): 50 Euro/Tag (Info/Buchung: fredo@gmx.info; Kapitäne Bernd + Willem Blanck: 01712111839); Brücke und Maschinenraum stehen dem Gast jederzeit offen;
Tipp: FREDO (Passagiers-Tagessatz nur 60 Euro/Tag) bietet sehr reizvolle Reisen zwischen großen, kleinen und kleinsten Nord-Ostsee-Häfen –Flüssen, -Kanälen und –Seen. E-Mail: fredo@gmx.info
Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther