Der Sundgau, im südlichsten Zipfel des Elsass gelegen, ist trotz seiner reizvollen Landschaft touristisch noch weitgehend unentdeckt. Bekannt ist die Region vor allem durch seine Karpfen und die Auszeichnung als „Site remarquable du Gout“ (Bemerkenswerter Ort für Geschmack).
Das sanfte grüne Hügelland, überragt vom Gebirgszug des Jura, ist ein Paradies für Radfahrer. Viele kleine verkehrsarme Landstraßen und Wege führen durch malerische Dörfer, durch Ackerland und Wälder, vorbei an Weihern, Burgen, Seen und Teichen. Ob allein und nach Lust und Laune oder bei einer Rundreise mit Gepäcktransport, können dreihundert Kilometer Radwege erkundet werden.
Ein Tourenführer und die Broschüre „Mit dem Fahrrad durch den Sundgau“ – erhältlich beim Fremdenverkehrsamt und den Tourismusbüros – sind dabei äußerst hilfreich. Denn neben der genauen Wegbeschreibung vermitteln sie auch Informationen über Traditionen, die bewegte Vergangenheit und das lebendige Heute des Sundgau.
Von Altkirch, der kleinen Hauptstadt des Sundgau, führt eine Tour ins unweit gelegene Hirtzbach – einem der typischen, blumengeschmückten Dörfer, die mit dem „Gran Prix du Fleurissement“ ausgezeichnet wurden. Zu beiden Seiten des von der Ill durchflossenen Bachbetts bezaubern schmucke Fachwerkhäuser aus dem 17. Jahrhundert. Eindrucksvoll erhebt sich hinter einem schmiedeeisernen Tor das Chateau der Barone von Reinach. Mit seinen 145 Türen und Fenstern ist es eines der wenigen derartigen Gebäude im Oberelsass. Das Schloss wird nicht mehr von der Familie bewohnt und ist auch nicht zugänglich, doch die Privatkapelle des Adelsgeschlechtes in der Kirche von Hirtzbach kann besichtigt werden. Zu einem kleinen Spaziergang lädt der Schlosspark ein, der 1816 von Baron Charles de Reinach als englischer Garten errichtet und seit einigen Jahrzehnten von dessen Nachfahren der Gemeinde zur öffentlichen Nutzung überlassen wurde.
Weiter geht die Erkundungstour durch die anmutige Landschaft und die Geschichte des Sundgau. Ob auf asphaltierter Straße, auf Wald-, und schmalen Sand- oder Schotterwegen – man radelt gemütlich und ungestört von Autolärm und Abgasen in der reinen Luft. Weit geht der Blick über Wiesen, Obstgärten und Viehweiden. In der Ferne kündigt der schlanke Turm einer Kirche schon das nächste Dörfchen an. Und wieder sind es die schönen alten Fachwerkhäuser, die den Blick gefangen halten und Anlass sind, vom Rad zu steigen. Bei genauem Hinsehen erkennt man nun schon die Unterschiede im Fachwerk und an den Fassaden, denn wie sich die Balken kreuzen, ist von symbolhaftem Wert: so stehen Rauten am Dachgiebel für Fruchtbarkeit, das Andreaskreuz für Schutz, schräg liegende Balken erinnern an Menschengestalten und auch vom Reichtum der einstigen Besitzer erzählen markante Symbole. Viele der bis zu vierhundert Jahre alten Bauernhäuser haben trotz der Anpassung an das moderne Leben nichts von ihrem Charme verloren und werden als Hotel oder Gites de France genutzt. So auch das „le Liseron“ in Grentzingen, wo Eigentümerin Monique Haab, die wie viele Elsässer deutsch spricht, gern zu einer Besichtigung ihres Ferienhauses einlädt. Und das bezaubert mit kleinen Stuben wie zu Großmutters Zeiten, modernen und lichtdurchfluteten Räumen oder dem eleganten Salon Afrika. In der kuschligen Atmosphäre des Hauses würde man gern verweilen.
Oftmals führt der Weg die Radler an Stellen, die ein herrliches Panorama bieten und zu einer Pause verleiten. In Hausgausen ist es eine in üppigem Grün versteckte Mühle aus dem 17. Jahrhundert. Hier hat sich die Schweizerin Brigitte Buser ihr kleines Paradies geschaffen. Ihr Restaurant „Au Petit Paradis“ ist im Sundgau bestens bekannt, nicht nur wegen der typisch elsässischen Gerichte wie dem Eintopf Backofen. Die agile Frau und Schottlandkennerin begrüßt ihre Gäste im Kilt und überrascht sie mit einem Ständchen auf dem Dudelsack. Ihre Begeisterung für das ferne Land und seine Tradition ist so groß, dass sie seit zwei Jahren auch zu Keltischen Abenden und Tattoos einlädt. Vom 7. Bis 9. September 2012 ist es wieder so weit. Und wenn beim großen Tattoo die 68. Highlanders, ein internationaler Verein begeisterter Dudelsackspieler, auftreten, dürfte das Ereignis zahlreiche Besucher von weither anlocken.
Einst war es der kleine Ort Carsbach, der von sich reden machte, als Ende des 19. Jahrhunderts die feine Gesellschaft aus Europas hierher zur Badekur reiste. Im Herrenhaus der Baronin von Reinach, das später dem Adelsgeschlecht derer von Sonnenberg gehörte, hatte der geschäftstüchtige Pfarrer Jean-Baptiste Ellerbach 1894 einen Kurbetrieb eröffnet. Jahre später konnten die Gäste bereits in 200 Zimmern mit Strom und Zentralheizung logieren, 32 Badekabinen, vier Speisesäle, eine Sporthalle und ein Theater nutzen. Das endete mit Beginn des 1. Weltkriegs. Heute ist das Institut Sonnenberg, umgeben von einem zwölf Hektar großen Park mit alten Bäumen, eine Schule. Carspach liegt am Rand eines riesigen, von Teichen übersäten Waldgebietes. Schon im Mittelalter sollen die Augustinermönche aus Saint-Ulrich hier Fische als Fleischersatz an Fastentagen gezüchtet haben. Später waren es die Zisterzienser der Abtei Lucelle, die die Fischzucht im gesamten Sundgau verbreiteten. Heute werden in den fast tausend Teichen vor allen Karpfen, aber auch Hechte, Schleie und Rotaugen gezüchtet. Kein Wunder, dass sich das Angeln fast zum Sundgauer „Volkssport“ entwickelt hat. In 47 Anglervereinen finden 600 Männer und Frauen bei ihrem Hobby Freude und Entspannung, erzählt der Vorsitzende des regionalen Anglerverbandes Hubert Habermach. Der schwerste hier gefangene Karpfen hat 23 Kilo gewogen, weiß er nicht ohne Stolz zu berichten. Ihm darf man glauben, dass es kein Anglerlatein ist.
Seit kurzem haben auch Touristen die Möglichkeit, ihr Glück beim Angeln zu versuchen. In den Fremdenverkehrsbüros vor Ort können sie für 10 Euro pro Tag einen Berechtigungs-schein erwerben. Wie dem auch sei – Karpfen selber fangen, das muss nicht sein – jedoch Karpfenessen ist im Sundgau unverzichtbar. Denn nirgendwo sonst werden sie so zubereitet und gegessen wie hier. Nicht von ungefähr wurde die Region ausgezeichnet mit dem „Site remarquable du Gout“, was soviel wie bemerkenswerter Ort für Geschmack bedeutet. In zahlreichen Restaurants ist die Spezialität Carpe Frite – frittierter Karpfen – im Angebot. Seit 1975 gibt es sogar eine „Straße des gebackenen Karpfens“, in der 30 Wirtsleute diese Delikatesse streng nach Tradition zubereiten. Das Geheimnis der Zubereitung liege in der Mischung des Paniermehls, der Ölqualität und Bratdauer. Serviert wird der in schmale Streifen frittierte Karpfen mit hausgemachter Mayonaise, Zitronenscheiben, Pommes frites und grünem Salat. Und gegessen wird mit den Fingern! Das Restaurant La Couronne in Caspach ist bekannt für seinen ausgezeichneten Carpe Frite. Um die Mittagzeit herum ist dort kaum ein freier Stuhl zu haben und serviert wird meist ausschließlich diese Sundgauer Spezialität. Ein Augenschmaus ist der Carpe Frite nicht unbedingt, aber er schmeckt! Und am Besten in geselliger Runde.
Infos
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