CTOUR on Tour: Impressionen aus Serbien

Tradition, Historie und Moderne in Landschaften an der Donau
Der Balkan ist ein Schmelz-Tiegel der Kulturen. Das gilt besonders für die Hauptstadt Serbiens Belgrad, die über Jahrhunderte als das Tor zwischen Ost und West diente.

Donau-Landschaft

Doch auch viele Regionen Serbiens sind multikulturell geprägt. Dazu zählt die Vojvodina, die sich im Norden von Belgrad in der pannonischen Tiefebene ausbreitet. In dem flach gestreckten Land mit scheinbar unendlichen Weiten, durchzogen von den Flüssen Donau, Theiss und Save. haben sich seit Jahrhunderten viele Völker mit unterschiedlichen Sprachen und Religionen angesiedelt. Hier leben mit den Serben auch Ungarn, Kroaten,
Slowaken, Rumänen, insgesamt 26 verschiedene Ethnien. Sie alle suchten und fanden fruchtbaren Boden, teilweise hervorgerufen durch Ablagerungen von Meeresfossilien und es dominierte eine ergiebige Landwirtschaft.

Früheres Städtchen der Habsburger
Nur 80 Kilometer von Belgrad entfernt liegt das Städtchen Vrsac (dt. Werschatz, ungar. Versec, rum. Varset), früher ein wichtiges Zentrum des alten Habsburger Monarchie. Wie überall in der Region wird seit jeher viel und gut gegessen, wie die serbischen Reisebegleiter nicht müde werden zu betonen. Die Wege durch die großzügig angelegte Stadt mit breiten Straßen und Fußgängerzonen wird durch eine Reihe von Konditoreien flankiert. Spezialitäten verschiedenster Sorten von Teig-Strudeln und Teegebäck Vanilici werden gern auch von den Besuchern verkostet. Mehr als 100 Millionen Pflaumenbäume sollen hier wachsen, die vor allem Nachschub liefern für das Nationalgetränk Sliwowitz. Das kulinarische Angebot, zu dem unbedingt üppige Fleischgerichte gehören, wird durch Sehenswürdigkeiten wie den Bischofspalast und die neogotische Nikolaus-Kathedrale würdig ergänzt. Für Reisegruppen besonders aus Österreich ist Vrsac kein Geheimtipp mehr.

Galerie Naive Malerei

Wallfahrtsort naiver Malerei
Nicht weit entfernt von Vrsac im südlichen Banat in Kovacica, befindet sich ein Wallfahrtsort für Kunstfreunde der naiven Malerei. In der Gemeinde, in der überwiegend Slowaken leben, haben sich bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts Künstler niedergelassen, die sich der naiven Malerei verschrieben haben.

Pavel Babka

Gegenwärtig gibt es im Dorf eine ständige Ausstellung, die der Galerist Pavel Babka betreibt. Ein standesgemäßes mit knalligen Farben gemaltes Motiv ziert den Eingang der Galerie. Es zeigt ein in ihrer Trachten gekleidetes junges Bauernpaar, das auf einem Maiskolben tanzt. Darunter steht der Name der Malerin Zuzane Holubekowa. Ihre künstlerischen Arbeiten sorgten für den nationalen und internationalen Durchbruch der hier angesiedelten naiven Maler. Heute geben sich die Besucher die Klinke in die Hand. “Die Nachfrage ist groß nach der vereinfachten, unbekümmerten und phantasievollen Gestaltung von Mensch und Natur.“ sagt Galerist Babka, der in den Ausstellungsräumen insgesamt 63 Künstler präsentiert und ihre Bilder verkauft. Zu den bereits Etablierten dieser Kunst-Szene zählt Zuzana Veresky, die ihre Arbeiten in ihrem geräumigen Wohnhaus präsentiert. Auf die Frage nach den Gründen für den Erfolg ihrer naiven Malerei ist die Antwort so schlicht wie ihre Bilder mit den Motiven von den Dorfbewohnern, Kürbissen und Gänsen. „Weil ich das Gefühl vermittle, bei der Oma zu sitzen und Ruhe zu finden.“ Ihr Handy klingelt mehrmals, eine kleine Gruppe von Touristen aus den USA wartet bereits in einem der Wohnzimmer. Die moderne neue Welt schafft es zwar, bis in ihre Wohnung vorzudringen. Aber an ihrer Staffelei beginnt die No-Go-Area für die modernen Zeiten.

Nachdenklicher Tito

Museum für Tito`s Jugoslawien
In dem Künstlerdorf existiert seit lange Zeiten ein friedliches multikulturelles Zusammenleben, das für mehr als drei Jahrzehnte sogar den gesamten Vielvölkerstaat der Förderativen Volksrepublik Jugoslawien unter der politischen Führung von Staatsmann Tito prägte. Wer etwas mehr über dieses interessante multikulturelle Staatenmodell und über die prägende Persönlichkeit Tito erfahren will, kann im Süden von Belgrad das Museum der Jugoslawischen Geschichte besuchen. Für geschichtsinteressierte Touristen ist der Besuch spannend. Der von dem Partisanenführer Tito gegründete sozialistische und förderative Staat Jugoslawien fand bekanntlich im Jahr 1992 sein Ende. Der Prozess des Zerfalls begann aber bereits mit dem Tod von Tito, der mit seiner Nationalitäten-Politik und seiner Autorität den Vielvölkerstaat zusammen hielt.

Das Museum ist in einem gepflegten Parkgelände angelegt. Es besteht derzeit aus einem Gebäudekomplex mit hohen Bäumen, zudem die ehemalige 1975 erbaute Residenz von Tito gehört. Sie fungiert heute unter dem Namen Haus der Blumen als Grabstätte für den 1980 verstorbenen Staatsmann Tito. Der Grabstein ist schlicht gehalten und besteht aus weißem Marmor. Ein weiteres Gebäude erzählt mit einer Reihe von historischen Exponaten die Geschichte Jugoslawien vom Beginn Ende des 19. Jahrhunderts bis zu seiner Auflösung vor 25 Jahren. Schließlich zeigt ein weiteres großes Gebäude wechselnde Ausstellungen so derzeit die Politik des Tito-Jugoslawien als damaliges Schwergewicht der blockfreien Länder in Afrika, Bilder von Titos Staatsbesuchen bei Gamal Abdel Nasser in Ägypten und Muamar al-Gaddafi in Libyen. Der Charme, den die in den 60er und 70er Jahre errichteten Gebäude ausstrahlen, zeigt ohne große Worte, dass hier ein vergangenes Zeitalter besichtigt wird. Für viele serbische Besucher ein Stück ihres Lebens von das ihrer Eltern, für die Touristen vielfach unbekannte Seiten des Geschichtsbuches von Europa.

Vor dem Parlamentsgebäude in Belgrad

Anklagen vor dem Parlamentsgebäude
Doch die Neuzeit holt die mit der Vernichtung des jugoslawischen Staates einher gehende Zerstörung des Zusammenlebens der Völker auf dem Balkan wieder ein. Vor dem Parlamentsgebäude in Belgrad sind gegenwärtig großflächig und unübersehbar Losungen und Plakate angebracht. Sie klagen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO 1999 an (*) und zeigen die Bilder vieler hunderter Serben, die dem Terror der albanischen paramilitärischen UCK im Kosovo zum Opfer fielen. Davon ist im Museum der Geschichte nichts zu erfahren. Aber die anklagenden Plakate können für den Besucher einen Anstoß geben, sich über diese Ereignisse der jüngeren Geschichte auf dem Balkan zu informieren.

Das Eiserne Tor

Faszinierende Landschaft am Eisernen Tor
Entlang der europäischen Flüsse liegen eine Vielzahl von historischen Stätten mit wunderschönen Sehenswürdigkeiten. Das gilt im besonderen für die 2414 Kilometer lange Donau. Die Länge des Flusslaufes durch Serbien beträgt immerhin 588 Kilometer. Ein unvergleichliches Bild bietet das Eiserne Tor, so wird die Durchbruchsstelle der Donau durch die Karpaten genannt. Hier verengt sich die Donau bis auf eine Breite von 150 Meter. Zwei Staudämme, die in den 60er und 70er Jahren im damaligen Jugoslawien gebaut wurden, zähmen die Wasserstrudel, schützen vor Überschwemmungen und produzieren mit Turbinen Strom. Die steilen Wände der Schlucht bieten von der Wasserstraße wie auch vom Rad bzw. Fahrweg am Ufer eine imponierende Sicht. Nach den Bombenangriffen der NATO auf Serbien vor 18 Jahren, die auch einige Strecken des Fahrweges der Donau lahm legten, sind mittlerweile die Schäden wieder behoben.

Imposante Festungen an der Donau
Zu den Perlen der Kette von Sehenswertem zählen die verschiedenen historischen Verteidigungsanlagen an der Donau. Eine der schönsten Festungen befindet sich in Smedereva. Sie wurde im 15 Jahrhundert im Kampf gegen den Vormarsch der Türken erbaut und zeugt von der wechselhaften Geschichte der Kriege und Besiedelungen über Jahrhunderte. Zwar zerstörte die Explosion eines Munitionslagers der deutschen Wehrmacht im Jahr 1941 einen großen Teil der historischen Anlage. Doch die noch heute bestehenden und restaurierten kolossalen Mauern und Innenhöfe sowie begonnene Restaurierungsarbeiten zeigen das Bild von einer beeindruckenden Festung.

Die Festung Golubec

Neben der berühmten Burg in Belgrad zählt Golubac zu den wichtigsten Festungen in Serbien. Sie liegt am rechten Donau-Ufer an der Grenze zu Rumänien. Wie auch andere Befestigungsanlagen fiel Golubac für rund 400 Jahre in osmanische Hand und wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts endgültig von den Türken aufgegeben. Gegenwärtig wird die Festung noch aufwendig rekonstruiert, alle zehn Türme umgebaut, ein neues Besucherzentrum und ein Schwimmbad errichtet und sogar ein Tunnel neu angelegt. Aber schon heute ist die Silhuette der mittelalterliche Burg von den Fluss-Schiffen auf der Donau wie auch vom Donau-Ufer eine optische Attraktion.

Die Höhle von Rajkova

Schatzkammern der Tropfsteinhöhle Rajkova
Nur wenige Kilometer von der Donau entfernt, bei dem kleinen Kupfer-Bergbau-Städtchen Majdanpek stößt der Tourist auf eine weitere Sehenswürdigkeit – die Tropfsteinhöhle von Rajkova. Der Legende nach soll hier der berühmte und sehr erfolgreiche Räuber Rajko seine Schätze versteckt haben, aber niemand hat sie bislang gefunden. Dafür sind 1400 Meter der Höhle für den Besucher zugänglich gemacht, der besonders von den sehr auffälligen schneeweißen Stalaktiten und Stalagmiten in den Bann gezogen wird. Faszinierend sind beim Rundgang zahlreiche große Säle, die durch spezielle Beleuchtungstechnik die geheimnisvolle Wirkung von Schatzkammern ausstrahlen.

Im Garten über der Donau

Künstlerisches Refugium des Stefanovic Zika
Wieder über Tage zurück zur Donau und zum Eisernen Tor findet der Tourist an der Donau entlang, unweit des kleinen Ortes Donji Milanovac, ein künstlerisches Refugium besonderer Art. Es trägt den Namen „Kapetan misin Breg“. Dahinter verbirgt sich ein weitläufiges Grundstück, mit einigen kleinen Holzhäuschen, einem Weinlager und jeder Menge von anspruchsvollen Holz-Skulpturen unter freiem Himmel. Der Hausherr und zugleich Schöpfer ist Stefanovic Zika. Der 64jährige Serbe hat keine Kunsthochschule besucht, sondern musste von frühester Kindheit an hart auf dem Feld arbeiten. Seine Inspiration waren immer Menschen, Bäume und die Donau. Jetzt hat er sich schon seit einigen Jahren dem Tourismus verschrieben. Mittlerweile ist sein Anwesen mit 12 Schlafplätzen und einem kleinen feinen Zeltplatz mit überwältigendem Donaublick bei Gästen aus aller Welt gefragt. Authentisch ist auch die Speisetafel für seine Gäste. Sie enthält solche serbischen Spezialitäten wie den dunkelroten Paprikamus Ajvar, mit Maismehl panierte Brennesseln, Pita Teigblätter mit weißem Käse und knusprig gebratene Lamm-Koteletts. Eine Übernachtung mit Halbpension kostet pro Person und Tag 20 Euro. Allerdings hat Holzschnitzer Stefanovic in seinem Garten der Künste auch kostenloses WLAN und TV installiert. Zwar ist der Blick auf die Donau erste Programmwahl. Aber er kennt seine Urlauber.

Infos:
www.serbien.travel

(*) Nach dem humanitären Völkerrecht, der Haager Landkriegsordnung, dem Genfer Rotkreuz-Abkommen, der Kulturgutkonvention von 1954 und der UN-Waffenverbotskonvention dürfen zivile Ziele weder angegriffen noch zum Gegenstand von Repressalien gemacht werden. In einem 65-seitigen Bericht forderte Amnesty International die Untersuchung der Verstöße und die Bestrafung der Verantwortlichen. Amnesty bezog sich unter anderem auf den Angriff auf den serbischen Fernsehsender RTS und auf den Einsatz von Uran-ummantelter Munition. (Amnesty International Deutschland)

Fotos: Ronald Keusch