Die Küstenlandschaft im Süden der Grafschaft Devon schmückt sich mit dem Titel einer englischen Riviera
Raue, steile Felsen, die sich mit langen Stränden und malerischen Buchten abwechseln, sind das Markenzeichen der südenglischen Küstenlandschaft. Hier kann im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung Englands Wetter auch anders: Wenig regnerisch, selten neblig oder kalt.
Verantwortlich dafür ist der Golfstrom mit seiner warmen und salzreichen Luft, der die Südküste der britischen Insel umspült. Er sorgt für ein subtropisches Klima, so dass der erstaunte Besucher glauben kann, die an der Küste liegenden Grafschaften Cornwell und Devon haben etwas von einem überdimensionalen Gewächshaus. Da sind Kamelien und Magnolien, Rhododendren, Azaleen und Hortensien, sowie auch subtropische Baumfarne und manche Palme im Vorgarten. Die beiden benachbarten Grafschaften haben neben ihrem unterschiedlichen Charakter doch einiges gemeinsam: eine Vielzahl von wunderschönen Gärten, eine spektakuläre Landschaft, die atemberaubenden Küsten mit teilweise langen breiten Stränden – und jede Menge Urlauber.
Drehorte für Rosamunde Pilcher-Geschichten
An der etwa 1000 Kilometer langen Küste Südenglands zählen in der Grafschaft Devon die Ferienorte Torquay, Paignton und Brixham zu einer der beliebtesten Urlauberregionen am Meer. Die Ortschaften bilden gemeinsam die Verwaltungseinheit Torbay. Die Bucht ist geformt wie ein Hufeisen und durch Küstenstraßen, Fährschiff-Linien und die Dampfeisenbahn Dartmouth Steam Train vernetzt.
Ein attraktiver Anziehungspunkt ist die Landzunge Berry Head am südlichen Ende von Torbay. Hier auf dem dünnen kalkhaltigen Boden und in dem milden Klima auf der Landzunge entdeckt man ein Paradies für seltene Tierarten in Seevögel-Kolonien. Fündig wurden hier auch die Filmemacher von Rosamunde Pilcher-Geschichten. Hier spürten sie die perfekten Drehorte auf, um „Gezeiten der Liebe“ oder „Dornen im Tal der Blumen“ in Szene zu setzen. Die Einstellungen an der bizarren Küstenlandschaft können nicht kitschiger und zugleich erhabener sein. Eine Steigerung kann Berry Head seinen Besuchern nur noch liefern, wenn sie mit ein wenig Glück eine Gruppe von im Meer auftauchenden Delphinen erspähen.
Exotische Gewächse von Lady Dorothy
Wie überall in Großbritannien wird hier an der Südküste jede Menge gegärtnert. Dank der klimatischen Besonderheiten machen zahlreiche bekannte Gärten mit subtropischen Pflanzen ihre Aufwartung, darunter viele ausgefallenen Pflanzen. Sie gelangten im 19. Jahrhundert nach England, als vermögende Landlords so genannte Pflanzenexpeditionen ins britische Empire unternahmen. So kamen dann aus aller Welt wie aus China, Australien, Neuseeland, Japan, Burma und dem Himalaya eine Vielfalt von Sämlingen und Samen in die Gärten.
Etwas versteckt in der Nähe des kleinen Ortes Kingswear liegt das Anwesen Coleton Fishacre, einst der Landsitz von Dorothy und Rupert D’Oyly Carte. Heute ist der 12 Hektar große wunderschöne Garten für Besucher zugänglich, denn er befindet sich im Besitz des gemeinnützigen Vereins National Trust, dem in England 200 historische Gebäude und Gärten und 19 Schlösser gehören. Das Coleton Fishacre Haus mit seinen ruhigen und minimalistisch gestalteten Räumen ist der perfekte Wohnsitz im Stil der 1920er-Jahre. Ein waldreiches Tal mit ruhig gelegenen Teichen führt zu einem hoch gelegenen Kliff mit Blick auf den Sandstrand und das türkisblaue Wasser. Von einer eleganten Art-Déco-Laube gibt es eine wunderbare Aussicht über den Atlantischen Ozean. Die Stars dieses Gartens sind die farbenprächtigen exotischen Pflanzen. Hier stehen Bambus und dichte Rhododendronbüsche neben Magnolien, Kamelien, Mimosen und vielen anderen Pflanzen. Den größten Teil der Gewächse, so in einer kleinen Ausstellung im Haus zu lesen, brachte die ehemalige Bewohnerin Lady Dorothy Carte von Ihren Reisen mit.
Cricket-Feld im Park
Ebenfalls in Torbay am Stadtrand von Torquay liegt das für Touristen herausgeputzte, malerische Dorf Cockington. Das frühere Fischer- und Bauerndorf präsentiert heute Kunsthandwerker in ihren Werkstätten mit Töpferei, Textilkunst, Kalligrafie, Schmiedekunst und Glasbläserei und dem Höhepunkt: hausgemachter Schokolade. Auf der Terrasse des imposanten Herrenhauses, des Cockington Court, eines früheren Gerichtshofes, ist Tea-Time. Hier kann der Besucher über den Park mit den ausgedehnten Rasenflächen schauen, die als Cricket-Feld dient. Und gleich hinter dem Haus erwartet den Gast ein ausgedehnter Rosengarten.
Die Heimat von Agatha Christie
Das Dorf Cockington mit seinem Herrenhaus, das Anwesen Coleton Fishacre und die Hügellandschaft Dartmoor mit Moor und Heideflächen gehören zum Agatha Christie-Land. In Torquay wurde die Bestseller-Autorin 1890 geboren. Sie schrieb mehr als 80 Bücher und viele der Orte und Landschaften ihrer Heimat tauchten wieder in ihre Krimis auf. So verwandelte sich in dem Roman „Das Haus an der Düne“ ihr Geburtsort Torquay in den Badeort St. Loo.
Nach zurück haltenden Schätzungen hat Agatha Christie, wie ihre glücklichen Erben stolz verkünden, über zwei Milliarden Bücher verkauft. Sie gilt damit als die erfolgreichste Kriminalschriftstellerin der Welt. Doch gerade in ihrer südenglischen Heimat hat einer der britischen Krimi-Autoren sie wohl übertroffen. Sir Arthur Conan Doyle hat mit dem Triller „Der Hund von Baskerville“ den bekanntesten Roman geschrieben, in dem er die Kargheit und mystische Stimmung der Dartmoor-Landschaft am Besten ins Bild gesetzt hat. Aber das stört die Agatha Christie Bewunderer wenig, die seit 2007 jährlich in der Grafschaft Devon rund um ihren Geburtstag im September ein Agatha Christie Festival veranstalten und natürlich in der Geburtsstadt Torquay ein ganzjährig geöffnetes Museum eingerichtet haben.
tomorrow’s fish are still in the sea
Einst war Brixham am südlichen Ende der Bucht Torbay der größte Fischereihafen Englands, das liegt mehr als hundert Jahre zurück. Mittlerweile liegen stattdessen hunderte von Jachten und kleine Boote im Hafen, die für den Besucher ein wenig dazu beitragen, das Bild der englischen Riviera zu malen. Derzeit laufen wieder täglich einige Dutzend Fischer-Boote zum Fang im Atlantik aus. )Zur Freude der Touristen empfangen die Köche von Rockfish gleich am berühmten Fischmarkt am Hafen in Brixham die Gäste in einem modernen mehrstöckigen Fischrestaurant. Die Restaurant-Kette wirbt mit dem Slogan „tomorrow’s fish are still in the sea“. Und tatsächlich bekommt der Gast eine extra Speisekarte mit einem halben Dutzend Fischsorten präsentiert, die erst vor wenigen Stunden von den Fischern im Ozean gefangen wurden. Das Angebot von Steinbutt, Kabeljau, Seebarsch und Krabben ist für viele Toruisten sehr verlockend. Sie sitzen auf einer Terrasse mit einer Ballustrade und an großen Fensterfronten mit Blick auf das Meer und viele werden den Spruch an der Restaurant-Wand von Rockfish gut verstehen:
„I could never in a hundred summers tire of this view.“
Fotos: R. Keusch