Burnout kann jeden treffen. Die Krankheit kennt keinen Standesdünkel. Banker und Bäcker sind ebenso gefährdet wie Facharbeiter, Künstler, Kassiererinnen, Mediziner, Manager oder Reisejournalisten. Das ist der Grund, warum sich vier Mitglieder von CTOUR auf den Weg nach Reinbek bei Hamburg machten, um einen Mann zu besuchen, der seit Jahren erfolgreich Betroffene „kuriert“. Ihnen die Kraft zu Arbeit und Leben wiedergibt.
Schwer zu sagen, was dem Mann fehlte. Irgendwie wuchs ihm alles über den Kopf. Selbst die Arbeit, die er doch so liebte, wurde zur Zentnerlast. Dabei ging ihm früher alles so leicht von der Hand. Nur mit Unbehagen dachte er an die letzte Woche, an diesen blöden Fehler, der ihm da unterlaufen war. Gott sei Dank hatte niemand das Malheur bemerkt. Hoffte er zumindest. Doch er konnte die Erinnerung daran nicht abschütteln, hartnäckig klebte ihm die Beinahe-Katastrophe im Gehirn, warf dunkle Schatten auf sein Selbstbewusstsein und versaute ihm den Tag. In letzter Zeit schlief er auch nicht mehr gut. So konnte es nicht weitergehen. Also suchte er nach Hilfe. Und da er ein moderner Mensch war, ging er nicht zum Arzt, sondern ins Internet. Er googelte das Wort Schlaflosigkeit. Dann informierte er sich über Stress. Endlich gab er den Modebegriff Burnout ein. Und er las: „Burnout (to burn out, ausgebrannt sein) bezeichnet einen massiven geistigen, seelischen und körperlichen Erschöpfungszustand bei Menschen, die ihre Kraftreserven aufgebraucht und keine Möglichkeit gefunden haben, diese wieder aufzufüllen.“
Die Worte schienen wie für ihn gemacht. Vielleicht sollte er doch etwas kürzer treten und sich fachmännischen Rat einholen!? – Das war der erste Schritt in die richtige Richtung. Der zweite führte ihn zu einem Mann, auf den er in der Zeitung gestoßen war, zu Ekkehard R. Neumann.
Wir treffen den Therapeuten im Romantikhotel „Waldhaus“ am Rande des Sachsenwaldes. Die Nobelherberge aus dem Hochadel deutscher Hotellerie, bekannt für ihre exzellente Küche, ist der Zweitarbeitsplatz von Ekkehard Neumann. Hier steigt schon mal der eine oder andere Manager ab, um sich tagsüber in die fachkundigen Hände seines Coaches Neumann zu begeben. Hotel und Praxis liegen nur rund dreihundert Meter voneinander entfernt. Kein Wunder, dass sich da eines schönen Tages Neumann und Moritz Kurzmann, der junge, innovative Direktor des „Waldhauses“, über den Weg liefen. Die beiden verstanden sich auf Anhieb. Interessiert hörte sich der Fünf-Sterne-Hotellier die Burnout-Management-Therapie Neumanns an, testete sie in einer Art Selbstversuch, danach fanden beide, dass es Sinn machen würde, zu kooperieren.
Auch wir sind Gast im „Waldhaus“, sitzen bei Kaffee und Kuchen und reden über den Krankmacher unserer Tage, der sich auf leisen Sohlen seine Kandidaten holt, stets die aktiven heimsucht, die vitalen, die ständig Erreichbaren, die nicht mehr zwischen Job und Freizeit unterscheiden können.
Besonders betroffen sind laut Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) vom Januar 2013 die 46- bis 55-Jährigen. In dieser Altersklasse gaben 36 Prozent der Befragten an, sich ausgebrannt und leer zu fühlen. Allein die Diagnosen Belastungsstörungen und Depression bescherten der TK 2011 cirka 5,1 Millionen Ausfalltage. Hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung sind das täglich rund 110 000 Menschen, die durch seelische Erkrankungen ausfallen. Burnout ist zur Wachstumsbremse Numero Eins der Wirtschaft geworden.
„Die Krankheit ist ein langer schleichender Prozess“, sagt Rüdiger Neumann, „hervorgerufen durch Stress und Überlastung. Natürlich ist es gut, seine Ziele hoch zu stecken, will man im täglichen Konkurrenzkampf bestehen. Wer jedoch ständig auf Zehenspitzen steht, gerät schnell an seine physischen und psychischen Grenzen. Leider jedoch werden die ersten Warnsignale, die der Körper aussendet, allzu oft überhört. Viele reagieren erst, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist. Dann kann nur noch ein Arzt helfen.“
Für Steinzeitmenschen war dieser Zustand normal. Nur so konnten sie überleben. Unter Stress erreichten sie Hochform. Blitzschnell schoss ihnen bei Gefahr ein Hormoncocktail ins Blut, ihr Organismus aktivierte alle Ressourcen – Kleinhirn an Faust: ballen! – und schickte den Körper in dem Kampf. Aber im Unterschied zu unseren Vorfahren lauern heute keine wilden Tiere mehr auf uns, nur Chefs, Kunden, Aktenberge und Termine. Trotzdem würde so manch gestresster Zeitgenosse gern steinzeitmäßig reagieren, um sich schlagen, Ohrfeigen verteilen oder sich still verkrümeln. „Leider geht das nicht mehr“, sagt Ekkehard R. Neumann. „Und genau das nimmt der Körper auf Dauer übel!“
Der große, freundliche Mann mit der angenehm sanften Stimme strahlt aus, was er gestressten Mitmenschen empfiehlt, freudige Gelassenheit. Seit mehr als dreißig Jahren beschäftigt sich Ekkehard Neumann mit Menschen in Not. Seinen Beruf lebt er als Berufung, Helfen ist für ihn mehr als ein Job. Vater und Mutter haben ihm das vorgelebt. „Vieles von dem, was ich erreicht habe, verdanke ich ihnen. Sie haben immer nur gegeben“, sagt er, „das war Teil ihrer Persönlichkeit.“
Angefangen hatte sein Berufsleben mit einem geplatzten Traum, nämlich dem, Profifußballer zu werden. Das Gefühl, versagt zu haben, bezeichnet er noch heute als „emotional schlimm“. Diese Niederlage stellte die Weichen in seinem Leben neu. Er entdeckte eine Kraft in sich, die ihm half, nicht nur sein beschädigtes Selbstbewusstsein zu reparieren, sondern auch noch Gewinn aus der seelischen Verletzung zu ziehen. Heute weiß Ekkehard R. Neumann, dass der geplatzte Traum die Initialzündung war, die ihn zum Beruf führte.
Seine jugendlichen „Wanderungen“ durch die Welt bestätigten ihm, dass er sich auf dem richtigen Weg befand. Mit 21 Jahren erlernte er in Australien (neben anderen Dingen) das Handwerk des Masseurs. In Japan beschäftigte er sich mit fernöstlicher Medizin und erfuhr das Wunder der Meditation, in Schweden schließlich erntete Ekkehard Neumann, was er auf seiner „Weltreise“ an neuen therapeutischen Ansätzen und Ideen gesammelt hatte. Wie reife Früchte vom Baum der Erkenntnis flossen diese in sein Herzens-Projekt, das Wohl-Fühl-Haus.
Der Name ist Programm, das Haus ein Refugium der Stille und Entspannung. Alles, was im Wohlfühlhaus à la Neumann geschieht, dient dem Ziel, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Nur wer entspannt ist, kann selbstbewusst und mit heiterer Gelassenheit durchs Leben gehen. So lautet die These, die sich hinter Neumanns NeuMann-Methode verbirgt. Mit ihr hat der Entspannungs-„Politiker“ nichts Neues erfunden, wohl aber altes wiederentdeckt. „Eigentlich erinnere ich nur an das, was unsere Vorfahren schon über die Selbstheilungskräfte des Körpers wussten. Über das richtige Verhältnis von Spannung und Entspannung. Zwei Gänge zurückschalten und den Alltag von Unwichtigem befreien, was meinen Sie, wie das hilft! Unsere Gedanken sind der Beginn jeder Handlung. Deshalb sind die Gespräche, die ich mit meinen Patienten führe, so wichtig.“
Grau, mein Freund, ist alle Theorie. Und weil das so ist, hat sich der Schreiber dieser Zeilen zu guter Letzt unvoreingenommen in den leicht schwingenden Massagesessel des Reinbeker Wohlfühlhaus gelegt, um zu erfahren, was mit einem Reisejournalisten passiert, wenn sich Therapeut Neumann seiner annimmt. Ohne in die Einzelheiten zu gehen: Er wurde ausgefragt über Glück und Unglück, sprach über seine Erfolge, seine Niederlagen und einige andere Dinge mehr. Und er wurde massiert. Ausgiebig und meisterlich. Und von sphärischer Musik (sie stammt aus der Feder von Sohn Alexander Neumann) in eine andere Welt getragen.
Am Ende der Séance fühlte sich der Proband wohlig entspannt. Er verließ das Wohlfühlhaus mit der schönen Erkenntnis, dass ohne Neumann die Neu-Mann-Methode nicht funktioniert, da sie untrennbar mit ihm verbunden ist. Mit dieser besonderen Begabung, Lebensfreude zu verbreiten, und Menschen zu motivieren, mit freudiger Gelassenheit in die Welt zu sehen.