Überall, wo Berge und Seen zusammentreffen, sich gleichsam küssen, können wir uns an einem besonders schönen Landschaftsbild erfreuen. Eine solche Bilderbuchlandschaft, freilich im vergleichsweise bescheidenen Maßstab, gibt es
bekanntlich auch in Berlin: im Südosten der Stadt nämlich, wo die größte natürliche Erhebung Berlins – die Müggelberge mit dem markanten schlanken Müggelturm – und das größte Gewässer der Stadt – der Müggelsee, auch „Berliner Meer“ genannt – dicht beieinander liegen.
Optisch am eindrucksvollsten kann man das auf einer Schiffsfahrt von Friedrichshagen aus über den imposanten See mit Blick gen Süden erkennen.
Zu den Berliner Erfolgsgeschichten der letzten Jahre gehört zweifellos die Anfang Mai 2018 erfolgte Wiedereröffnung des traditionsreichen Müggelturm-Areals auf dem Gipfel des Kleinen Müggelberges. Zu verdanken ist sie insbesondere dem ideenreichen, energiegeladenen und couragierten Köpenicker Privatunternehmer Matthias Große. Vor ihm hatte sich erfolglos schon fünf andere Interessenten an dem Objekt versucht, das nach der Wende Anfang der 1990iger Jahre stillgelegt wurde und zwanzig Jahre im Dornröschenschlaf dahindämmerte.
Nach zähem Ringen um den Erwerb des nach dem langen Leerstand heruntergekommenen Filetgrundstückes im Jahre 2014 klotzte „Matthias der Große“, wie er zuweilen genannt wird, mit seiner Firma und Kooperationspartnern mächtig ran, um trotz vieler bürokratischer und anderer Hemmnisse die Immobilie zügig denkmalsgerecht zu sanieren und die ehemaligen Gastronomie-Gebäude am Fuße des Müggelturmes quasi neu und modern wieder auferstehen zu lassen. Inzwischen ist die attraktive Anlage am Müggelturm wieder zu einem Besuchermagneten sowohl für Berliner als auch für Touristen geworden.
Um sich vor Ort von der Erfolgsstory zu überzeugen und zu erfahren, ob und wie es dort noch weiter geht wird, organisierte die Reisejournalisten-Vereinigung CTOUR gemeinsam mit dem Tourismusverein Treptow-Köpenick e.V. und dem Investor/Eigentümer am 28. September einen gut besuchten Medientreff. Übrigens, der Tourismusverein ist unter den 12 Berliner Stadtbezirksorganisationen dieser Art der älteste und gilt als modellhaft. Mit der hauptstädtischen Marketinggesellschaft „visitBerlin“ verbindet ihn – wie Vorstandsvorsitzender Robert Schaddach betonte – seit vier Jahren eine aktiv gelebte Kooperationsvereinbarung. Schaddach begrüßte dabei außerdem die neuerdings viel stärke Einbeziehung der Berliner Außenbezirke in das Tourismusmarketing der deutschen Hauptstadt.
Am CTOUR-Medientreff nahm auch der weltberühmte „Hauptmann von Köpenick“ in Gestalt des Volksschauspielers Jürgen Hilbrecht teil, der – selbst Köpenicker – die abwechslungsreiche Geschichte des Müggelturmes aus eigenem Erleben bestens kennt und auch Gründungsmitglied des 1991 ins Leben gerufenen Tourismusvereins Treptow-Köpenick ist. Natürlich ließ es sich der uniformierte schnauzbärtige „Hauptmann“ nicht nehmen, sein bekanntes Köpenick-Lied zum Gaudi der Anwesenden in den Raum zu schmettern.
Der Geschäftsführer des Tourismusvereins, Mathis Richter, zeigte sich hocherfreut, dass der Müggelturm mit seinen gastronomischen Einrichtungen seit einem halben Jahr zur Freude des Publikums wieder zugänglich ist. Bereits am 1. Mai, dem Eröffnungstag, seien 8.000 neugierige und erwartungsfrohe Menschen heraufgeströmt. Dazu trug sicher auch ein unterhaltsames Showprogramm mit den beliebten Schlagersängern Frank Schöbel und Frank Zander sowie dem Countrystar Tom Astor bei. An schönen Wochend- und Feiertagen kommen jetzt schon mal rund 5.000 Gäste zum neuen Müggelturm; im ersten halben Jahr wurden insgesamt bereits 80.000 Besucher gezählt, wie Inhaber Matthias Große, der Lebenspartner von Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, sehr zufrieden mitteilte.
Er und auch Mathis Richter bezeichneten den heutigen Müggelturm mit seiner bereits bewiesenen Anziehungs- und Strahlkraft als Leuchtturm im zweifachen Sinne. Richter wörtlich: „Wir begrüßen, dass er jetzt seine vielen Gäste nicht nur am Tage erfreut, sondern auch in der Nacht als Wahrzeichen sichtbar bleibt – als ein leuchtendes Beispiel für unsere Tourismusregion Treptow-Köpenick.“ Der Vereinschef beklagte zugleich, dass inzwischen auch Kritiker der Turmbeleuchtung auf den Plan getreten seien. Mit ihrer fragwürdigen Diskussion, ob es überhaupt sinnvoll sei, ein solches Bauwerk nachts zu beleuchten, würden sie offenbar wenig Verständnis für das am Müggelturm gezeigte große Engagement zeigen, dass es ja durchaus verdiene, ins rechte Licht gerückt zu werden.
Immer auf der Suche nach Informationen mit Newswert, waren die Tourismusjournalisten natürlich gespannt zu erfahren, welche weiteren Ideen und Vorhaben es für den Müggelturm gibt. Hierzu wurden sie von Inhaber Matthias Große bestens bedient. „Wir sind stolz darauf, was wir geschaffen haben. Wir sind noch lange nicht am Ende, haben noch viele, viele Probleme zu lösen.“ Insbesondere wünsche er sich als Parteiloser dabei eine bessere Unterstützung durch die Politik im Stadtbezirk und im Land Berlin. Ausgehend von den bisher 80.000 Besuchern – „eine große Zahl“ – in der ersten Saison, sei es das Ziel, im gesamten nächsten Jahr etwa eine Viertelmillion Gäste begrüßen zu können.
Als erstrangiges Vorhaben nannte Große, die Mobilitätssituation zu verbessern. „Ich plane immer noch, einen zweiten Turm zu bauen nur mit einem Fahrstuhl, der die Menschen mit eingeschränkter Mobilität mit ihren Rollatoren und Rollstühlen oder auch Stöcken bis zum Ende des Turms hochbringt, damit auch sie die wunderschöne Aussicht genießen können.“ Dafür gäbe es aber zur Zeit aufgrund der Gesetzgebung leider keine Baugenehmigung. Ein weiteres wichtiges Anliegen sei die Schaffung von Sichtachsen, damit man vom Restaurant und den Terrassen freien Blick auf den Müggelsee sowie den Langen See (Dahme) habe, wie das früher der Fall war. Heute stünden in Jahrzehnten hochgewachsene Bäume im Wege. „Eine Ausflugsgaststätte, ohne dass man hinausschauen kann, wird irgendwann nicht überleben können, weil die Leute nicht im Wald sitzen und Bäume angucken wollen“, argumentierte Große nachvollziehbar. Für diese wünschenswerten Sichtachsen müssten im besten Falle zirka 200 Bäume gefällt werden, wofür er weiterhin kämpfe. O-Ton: „Da muss die Politik strong sein, straight sein.“
Und noch etwas liegt dem Müggelturm-Chef im Interesse vieler Besucher am Herzen. Er möchte eine umweltfreundliche direkte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr durch die bereits vorhandene BVG-Buslinie von/nach Müggelheim. „Der Bus kann vom Müggelseedamm hier hoch auf den Parkplatz fahren, wenden und wieder hinunterfahren.“ Auch für diese Lösung mache er sich weiter stark. Nicht zuletzt nannte Große auch solche Problempunkte, wie die „wegen Personalmangels“ vom Bezirksbürgermeister bislang nicht genehmigte Trauung von Hochzeitspaaren auf dem Müggelturm (wofür ein großer Bedarf vorhanden sei) oder erhebliche Schwierigkeiten, qualifiziertes Gastronomie-Personal für den manchem doch etwas „j.w.d.“ gelegenen Müggelturm zu finden. Positiv für die nicht wenigen auf den Müggelturm kommenden Besitzer von Vierbeinern: Im Eingangsbereich wird demnächst eine Hundeterrasse entstehen. 2019 soll es unter dem Turm attraktive Open-Air-Konzerte z.B. mit Andreas Gabalier, Andrea Berg, Matthias Reim und Michelle geben.
Nun ja, nach so viel Information und Diskussion auf dem CTOUR-Medientreff, bei dem viel Klartext gesprochen wurde, war es dann zum Schluss für die Teilnehmer noch ganz erfreulich, endlich mal dem vielberedeten, legendären Müggelturm aufs Dach steigen zu können. 126 Stufen mussten erklommen werden. Die herrliche Rundumsicht auf der Aussichtsplattform – zumal bei sonnigem Herbstwetter – verlohnte die Mühe. Man konnte etwa 60 Kilometer weit in alle Himmelsrichtungen schauen, so über den Großen Müggelsee im Norden und über den Langen See (Dahme) im Süden. Die Riesentraglufthalle von Tropical Islands waren genauso zu sehen wie der Teufelsberg im Berliner Westen oder der Museumspark Rüdersdorf. Dabei ging sicher manchem dankbar durch den Kopf, wie wunderschön es doch ist, dass – ohne Anklänge von Personenkult! – ein im Berliner Südosten verwurzelter kühner und mutiger Mann mit Weitblick diese Weitsicht wieder möglich gemacht hat.
Text und Fotos (8): Manfred Weghenkel
Foto Müggelturm bei Nacht: TV
Treptow-Köpenick, Jürgen Engler
Historische Informationen:
+++Die beliebte Ausflugsziel Müggelturm auf dem Gipfel des 88,3 Meter hohen Kleinen Müggelberges geht auf den 1880 dort von Carl Spindler gebauten 10 Meter hohen hölzernen Aussichtsturm zurück. 1889/90 ließ Spindler den Turm im chinesischen Pagodenstil erweitern und durch ein Restaurant ergänzen. Ein beliebtes Ausflugsziel war entstanden. Dieses Anlage mit dem ebenfalls noch hölzerne Aussichtsturm mit einer Höhe von 27 Metern wurde in den 1920er Jahren noch einmal baulich erweitert und modernisiert. Die Gaststätte lebte nach dem 2. Weltkrieg wieder auf. Im Mai 1958 brannte der Turm bei Schweißarbeiten vollständig ab. 1960/61 wurde ein völlig neuer Müggelturm in Stahlskelettbauweise errichtet. Maßgeblichen Anteil daran hatte das Engagement und die Spendenbereitschaft der Bevölkerung. Der knapp 30 Meter hohe Turm mit neun Geschossen und einer Plattform, über 126 Stufen erreichbar, bekam eine leistungsfähige Gastronomie mit Restaurant, Weinstube und Sonnenterrassen. Jährlich kamen zu DDR-Zeiten durchschnittlich 240.000 Besucher zum Müggelturm. Das Restaurant schloss nach der Wende und verfiel über viele Jahre. Im Jahre 2014 begann der neue Investor Matthias Große mit der denkmalgerechten Sanierung von Lokal und Turm.
+++Zur Geschichte der legendären „Köpenickiade“ ist unlängst bei Weltweitwerbung UG die 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2018 der Farbbroschüre „Der >>Hauptmann von Köpenick<< Wilhelm Voigt aus Tilsit“ erschienen. Herausgeber der gut recherchierten und reich bebilderten Sonderveröffentlichung sind die Berliner Graciela Pirri und Jürgen Eberhardt.