Thermal-Bäder in den Euganeischen Hügeln liefern Gesundheit aus dem Herzen der Erde
Mit seiner landschaftlichen Schönheit und den unzähligen historischen Zeugnissen avancierten die Euganeischen Hügel zum Naturschutzgebiet. Doch der einmalige Reichtum der sich auf 19.000 Hektar ausstreckenden Hügel nahe der Stadt Padua findet sich einige tausend Meter tief. Es ist das besondere Wasser des Euganeischen Thermalbeckens.
Aus Regentropfen entsteht Thermalwasser-
Das gibt es nirgends auf der Welt. Jedes der rund 100 Hotels in Montegrotto und Abano verfügt über eine oder mehrere Thermalquellen, deren Wasser direkt ins Haus sprudelt. Wenn der Regen auf den Gebirgszug der kleinen Dolomiten fällt, dann begeben sich die Regentropfen auf eine längere Reise. Sie sickern 25 bis 30 Jahre bei hoher Temperatur langsam durch den felsigen Boden bis auf 3.000 Meter Tiefe, werden mit Mineralien angereichert. Nach einer zurückgelegten Strecke von 80 Kilometern sind aus den Regentropfen dann Thermal-Tropfen geworden, die einen riesigen unterirdischen See füllen.
Der Untergrund in Montegrotto ist nun seit tausenden von Jahren so beschaffen, dass das 80 Grad heiße Thermalwasser hier in der Art eines Artesischen Brunnens an die Oberfläche gelangt und im Winter steigt mitunter der Dampf aus den Gullys. Die Hotels schwimmen sozusagen auf einem gewaltigen Thermal-See, der, wie es die Werbung verspricht, die Gesundheit aus dem Herzen der Erde liefert. Die Liste der Anwendungen ist lang. Sie reicht von Arthrose und Rheumatismus bis zu Lungenerkrankungen und orthopädischer Rehabilitation.
Thermal-Fango aus Tonerde
Doch Wohlbefinden und Heilbehandlung kann auch noch gesteigert werden. Das Zauberwort heißt Thermal-Fango. Ich besuche zwei Fango-Experten. Vater Enzo Baratella betreibt seit mehreren Jahrzehnten das Hotel de Bains mit Fango-Anwendungen und sein Sohn Emiliano ist Präsident des Studienzentrums Pietro d`Albano. Hier untersuchen Wissenschaftler weiter intensiv die therapeutische Wirkung der Schlamm-Packungen.
„Die Entstehung von Fango ist einfach erklärt“, erklärt Enzo Baratella. „Es wird Tonerde vom Grund zweier besonders geschützter Thermal-Seen in der Umgebung entnommen. Durch Zufuhr von Thermalwasser und einer Temperatur von 85 Grad Celsius wird die Tonerde von Bakterien und Mikroalgen besiedelt. Sie verleihen wertvolle therapeutische Eigenschaften. Der Reifeprozess in speziellen Becken auf dem Gelände der Hotels dauert zwei Monate. Fertig ist der Fango.“
Mehr Überzeugungskraft mit Patenten
Die Liste der Anwendungen ist lang. Sie reicht von Arthrose und Rheumatismus bis zu Lungenerkrankungen und orthopädischer Rehabilitation.
Nach historischen Beschreibungen hielten sich schon römische Legionäre Gelenke und Glieder mit Thermal-Fango fit, gehörte das Großbürgertum und die Adelsgesellschaft zu den Stammgästen und nach den zwei Weltkriegen subventionierten staatliche Krankenkassen Kuren in Thermalwasser. Doch seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Montegrotto kein Selbstläufer mehr. „Früher lagen nur empirische Aussagen zu der fundamentalen Wirksamkeit von Fango vor“, erläutert Emiliano vom Studienzentrum. „Nunmehr erforschen wir vor allem den Reifungsprozess des Fango und untersuchen die sich bildende stark entzündungshemmende Substanz Formidium“. Dazu habe das Studienzentrum auch ein europaweites Patent angemeldet, das die Überzeugungskraft bei Besuchern wie Krankenkassen stärken will. „Schon ein minimaler Einsatz von sechs Fango-Packungen lohnt sich“, so die beiden Thermen-Profis, „um die Beta-Endorphine, die Glückshormone, im Körper zu vermehren, die wirksam Schmerz bekämpfen.“ Ganz sicher sollen vor allem Krankenkassen in Deutschland angesprochen werden, die sich in den Krisenzeiten weitgehend mit Kurverschreibungen zurück gezogen haben. Doch selbst bei absinkenden Besucherzahlen liegen die Deutschen in der Länderwertung seit Jahrzehnten immer noch ganz vorn. Das hat übrigens zur Folge, dass in vielen Hotels sowohl beim Management wie beim übrigen Personal gut deutsch gesprochen wird.
Das tiefste Tauchbecken der Welt
Für die Besucher ist das Hotel „Millepini Terme“ mit drei Thermal- Schwimmbecken, das sich an die Euganeischen Hügel schmiegt, ein Platz zum Träumen. Nun hat der Hotelier Boaretto, seit frühester Kindheit begeisterter Hobbytaucher, seinen Jugendtraum erfüllt. „Wir haben das tiefste Tauchbecken der Welt eröffnet“, schwärmt Boaretto. “ Und es ist dank der Temperatur unseres Thermalwassers zwischen 32 und 34°C ein Paradies für Taucher.“
Eingeladen sind die Sport- und Freizeittaucher aus der ganzen Welt und darüber hinaus auch alle Neugierigen, die einen Tauchschein ablegen wollen. Und wer sich von unseren Urlaubern nur einmal ausprobieren will, so Boaretto, der müsse nur den Einstiegspreis für eine Tauchstunde von 35 Euro zahlen und seine Badehose mitbringen.
Ist Thermalwasser in der Tiefe wirksamer?
Doch das Tauchbecken mit seinen Rekordmaßen haben auch schon längst Wissenschaftler und Forscher im Blickfeld. Eine der vielen Studien kann für den Kurbetrieb mit Thermalwasser spannend werden. „Die Forscher wollen die Frage beantworten, ob durch den Druck, der beim Tauchen in der Tiefe entsteht, sich die Wirksamkeit des Thermalwassers erhöht“, berichtet Boaretto. Und er ergänzt, dass die Forschung für erste Antworten bis zu 3.000 Personen untersuchen und mindestens zwei bis drei Jahre benötige. Also je tiefer im Thermalwasser, je größer die Effekte für die Gesundheit? Eine steile These. Wenn sie stimmt, wird sie nicht nur die Tauchgäste, sondern den Hotelier mit seinem Tauchbecken erfreuen.
Reisen ins 14. Jahrhundert
Von der Hochtechnologie des Thermal-Tauchens kann der Tourist auf den Euganeischen Hügeln seine Reise ins 14. Jahrhundert beginnen. Der Weg führt durch die Thermal-Gemeinden und über Brücken, die scheinbar vom nicht weit entfernten Venedig hierher verpflanzt wurden. In dem kleinen Ort Monselice finden sich Kultur und Stil von unterschiedlichen Zivilisationen, zuallererst der Römer, der Langobarden und der Franken von Karl dem Großen, es ist wie Blättern in Bänden der Kulturhistorie. In der kleinen Stadt Quarto d’Altino steht bedeutsam der 56 Meter hohe Glockenturm im Ravenna- Stil. Hier direkt am Canale Grande, der nach Venedig führt, wohnten einst die Erbauer der berühmten Stadt der Gondeln.
Besuch beim Dichter Petrarca
Das Ziel, der kleine Ort Arquà Petrarca, ist erreicht. Wenn nicht gerade ein geparktes Auto oder eine Werbetafel im Weg steht, empfängt den Besucher bei einem Rundgang die Magie des Mittelalters. Vom Ortskern mit der Dreifaltigkeitskirche gehen kleine Seitengassen aus mit schlicht und massiv gebauten Häuser. Zu ihren wieder kehrenden baulichen Elemente gehören mit Blumen geschmückte Eingänge und Fenster, eine Loggia und ländliche Kamine.
Eines dieser Häuser mit einem kleinen Garten in der Via Valleselle war im 14. Jahrhundert für vier Jahre der Alterssitz von dem großen italienischen Dichter und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca. Der Ort benannte sich später nach seinem berühmtem Bewohner.
In vielen Gärten wächst der in Deutschland wenig bekannte und nahezu ausschließlich in der Region Venetien beheimatete Baum Giuggiola. Im Sommer trägt er noch lila Blüten, aus denen dann zur Ernte im Herbst braune Früchte wachsen. Diese alte Kernfrucht, lange nicht mehr kultiviert, kann man als Spezialität der Euganeischen Hügel in Marmelade oder Likör mit nach Hause nehmen.
Ganz nah bei Venedig
Montegrotto wird oft als „Therme von Venedig“ bezeichnet, das Privileg seiner Nähe und günstigen Verkehrslage. Denn Montegrotto ist nur 50 Kilometer von der weltberühmten Stadt entfernt Mit dem Zug fährt man eine knappe Stunde bis zum Bahnhof Santa Lucia in Venedig. Dann ist der Marcus-Platz nur noch einen 15minütigen Spaziergang oder eine Fahrt mit der Gondel entfernt.
Doch der Vorteil der Nähe kann sich auch als Krux für die Region erweisen. Bleibt dem Touristen der Thermenstadt weniger Zeit, sind die Euganeischen Hügel nach Venedig oft nur noch die zweite Wahl. Allerdings ist das Problem eigentlich leicht zu lösen: Länger in Montegrotto bleiben und öfter kommen.
Info:
www.turismopadova.it
www.millepini.it
www.stradadelvinocollieuganei.it
Fotos: Tourismo Padua (1), CTOUR/Ronald Keusch