DAS „ZEITSPRUNGLAND“ REGION ZWICKAU

Eine Reise in Vergangenheit und Zukunft

von Heinz Ruhnau

Noch steht dieses Reiseziel in Sachsen nicht auf der Topliste von Touristen oder Städtereisenden. Allerdings zu Unrecht. Die Region um Sachsens viertgrößte Stadt hat nämlich für einen mehrtägigen Aufenthalt allerhand zu bieten.

Der Name „Zeitsprungland“ deutet auf den Zeitsprung vom 13. Jahrhundert, als dort Steinkohle abgebaut wurde. Dann predigte 1520 Martin Luther im Zwickauer Dom und 1810 wurde Robert Schumann dort geboren. Georgis Agricola entdeckte später die Welt der Mineralogie und 1904 begründete August Horch die Automobilindustrie, die zu DDR-Zeiten 1957 mit dem „Trabant“ ihre Fortsetzung fand. Bis zur heutigen Zeit, in der die Volkswagen AG die Serie der ID-Elektro-Pkw baut.  

Industrie und Kultur gehen heute in Zwickau Hand in Hand. Hochmoderne Fabriken stehen im Zwickauer Land in direkter Nachbarschaft zu unberührter Natur, verträumten Parkanlagen, mondänen Schlössern und einzigartigen Museen. Ein Besuch im Zwickauer Land ist eine Zeitreise in die Vergangenheit und die Zukunft. Immerhin erhielt Zwickau 2016 auch die Anerkennung als „Reformstadt Europas“.

Das Hotel First Inn. Foto: Sachsengast

Wir suchten uns zum Quartier in Zwickau das 4-Sterne-Hotel First Inn aus. Es befindet sich mitten in der Altstadt am Kornmarkt, nur 150 Meter vom Robert-Schumann-Haus entfernt. Vom Zwickauer Hauptbahnhof ist es ein nur 1,5 km erlebnisreicher Fußmarsch. Gemütliche Zimmer, ein einladendes Restaurant, eine Bar mit umfangreichem Angebot und ein freundlicher Service boten uns eine hervorragenden Aufenthalt.

Das erste Erlebnis auf unserem Besuchsprogramm war ein Abendspziergang durch die Stadt.

Dazu begleitete uns eine „Hexe“, die gruslige Geschichten zu erzählen wußte, aber auch viele Sehenswürdigkeiten zeigte. Welche Strafen galten im Spätmittelalter für Diebstahl, Raub, Fremdgehen und Betrug? Was geschah beim Blutgericht von 1407? Wie kam es zu den Bierkriegen? Stimmt es, dass Skelette im Fundament des Doms St. Marien gefunden wurden?

Foto links: Die Stadtführerin als Zwickauer Hexe. Foto: Sachsengast

Sie weihte uns ein in die dunkle Geschichte der Stadt, erzählte von Naturkatastrophen und Unglücken über Geister, Henker und Aberglaube bis hin zur Hexenverbrennung.

Das VW-Werk in Zwickau-Mosel. Foto: VW

Unser zweiter Zwickau-Tag begann mit dem Höhepunkt der Reise, dem Besuch des VW-Werkes Zwickau/Mosel, des größten und leistungsfähigsten E-Auto Werkes von Volkswagen. Ein allgemeiner Besuch ist allerdings im Moment nicht möglich. Der Besucherservice wird in diesem Jahr ausgesetzt. Das steht im Zusammenhang mit den umfangreichen Umbaumaßnahmen und produktrelevanten Themen im Rahmen der Transformation des Standortes hin zur E-Mobilität. Man freut sich darauf, Besucher später wieder im umgebauten Zwickauer Fahrzeugwerk, dem Zentrum für Elektromobilität von Volkswagen, zu begrüßen. Über die Wiederaufnahme der Werkführungen wird hier informiert:
www.volkswagen-sachsen.de/de/besucherservice.html

Wir aber hatten eine Sondererlaubnis und wurden durch einen Mitarbeiter durch die Montagehallen geführt.

Roboter montieren sechs Modelle gleichzeitig. Foto: VW

Dort beeindruckten uns die Bänder, auf denen sechs ID-Modelle gleichzeitig montiert wurden, wir erlebten Roboter und fachkundige Menschen, bei denen jeder Handgriff sitzt.

Aber auch Menschen machen geübte Handgriffe. Foto: VW

Das Fahrzeugwerk Zwickau wurde seit 2018 für rund 1,2 Milliarden Euro vom Verbrenner auf die Elektromobilität und zu einer digitalen, flexiblen und hocheffizienten Vorzeigefabrik umgebaut. Zum Einsatz kommen vermehrt unter anderem smarte Industrie-4.0-Roboter und fahrerlose Transportsysteme, die Bauteile vollkommen autonom an die Montagelinie bringen.

Fast 40 Prozent des Investitionsvolumens flossen allein in die Erneuerung und Erweiterung des Karosseriebaus. Die schon vorher hohe Automatisierung in diesem Bereich liegt nun bei nahezu 90 Prozent, die Anzahl an hochmodernen Robotern stieg von 1.200 auf 1.625. Mit der E-Mobilität sind in Zwickau dauerhaft zukunftsfähige Arbeitsplätze entstanden. Die rund 9.000 dauerhaft am Standort tätigen Mitarbeiter sind mit einer großen Weiterbildungsoffensive auf die neue Technologie vorbereitet worden.

In den Hallen des ehemaligen Trabant-Werkes befindet sich das August Horch Museum.
Foto: Museum

Die Autostadt Zwickau hat aber noch ein weiteres Highlight zu bieten – das Automobilmuseum August Horch. Das August Horch Museum befindet sich an der historischen Geburtsstätte von Audi. In diesen ehemaligen Produktionshallen wurden später auch DKW und Trabant gefertigt. Zu entdecken ist hier die Geschichte von über 115 Jahren Zwickauer Automobilbau auf 6.500 m² Ausstellungsfläche. Man kann sich vor allem von den brillanten Kulissen begeistern lassen.

Etwa 160 automobile Großexponate und eine Vielzahl von Kleinexponaten begeisterten uns auf 6.500 m² Ausstellungsfläche. Ein Wechselspiel von Objektpräsentationen und Inszenierungen prägt die Ausstellung, ergänzt durch Multimediastationen und historische Dokumente.

Die ersten Autos von 1911. Foto: Sachsengast

Den Auftakt der Ausstellung bilden ein Audi und ein Horch aus dem Jahre 1911.  Anschließend faszinieren die Prachtstücke der Zwickauer Automobilbaukunst: Die eleganten Horch- und Audi-Modellen der 1920er und der 1930er Jahre. Wir erfahren viel über die Gründung und den Werdegang der Auto Union bis hin zur Kriegsproduktion während des Zweiten Weltkrieges. Daran schließt der Automobilbau in Zwickau nach 1945 an: Zunächst finden sich hier die unmittelbaren Nachkriegsprodukte wie Schrotmühlen und Tretautos, gefolgt von der ersten volkseigenen Fahrzeugproduktion, die anfangs in Zwickau neben Pkw auch noch Lkw und Traktoren umfasste.

Der Erweiterungsbau widmet sich zunächst dem Rennsport der späten 1920er und 1930er Jahre: Man kann Platz nehmen auf den Zuschauerrängen an der Rennstrecke und die spektakuläre Video-Präsentation zur Geschichte der Silberpfeile genießen. Die Auto Union-Typen C und D stehen dabei schon in der Startaufstellung, ein Stromlinienrennwagen wird gerade vom Renntransporter gerollt.

Zentral im weiteren Verlauf ist der Trabant. Er präsentiert sich u.a. mit Wohnanhänger auf der Straße in den Urlaub oder geparkt vor einem typischen DDR-Bungalow.
Man kann selbst virtuell einen Trabant tunen oder eine Simulationsfahrt durch eine Plattenbau-Siedlung antreten.

Foto links: Der letzte Trabanf. Foto: Sachsengast

Einzigartig ist die Fertigungsanlage für die Herstellung von Duroplast – der vielfach patentierten Kunststoff-Beplankung des Trabant.

Ein Protyp Sachsenring. Foto: Sachsengast

Prototypen aus der Entwicklungsabteilung des VEB Sachsenring trifft man im Museum ebenso an wie Rallyeausführungen, den „1.1er“ oder den letzten Trabant. Doch wie ging es nach der politischen Wende 1989/1990 weiter? Diese Frage führt in die Gegenwart zu VW Sachsen, der Zulieferindustrie und den Entwicklungsbüros. So ist Zwickau bis heute die tragende Säule im Autoland Sachsen. Die Ausstellung endet mit einem Wörthersee-Golf des Jahres 2017 praktisch in der Gegenwart.

Schließlich machten wir noch einen Abstecher nach Meerane. Radsportfans kennen die Stadt noch von der „Friedensfahrt“, als hier die „Steile Wand von Meerane“ bezwungen werden musste. Auf 340 Metern musste eine Steigung von 11 Prozent genommen werden.

Die steile Wand von Meerane. Foto: Sachsengast

Heute ist die Stadt ein Ausflugsziel mit dem Romantik Hotel Schwanefeld. Hier kann man Wellness pur über 4 Etagen auf 1200 m², mit ganzjährig beheiztem Außenpool erleben. Die Saunawelt erstreckt sich über mehrere Etagen mit Finnischer Sauna, den Erlebnisduschen, den gemütlichen Ruheräumen mit Ausblick ins Grüne, Chill Ecken, Infrarotstube, Zirben-Biosauna und Dampfsauna. Zusätzlich gibt es den Fitnessbereich, die Salzlounge und das Beautycenter. Das Private SPA mit eigener Sauna, Yin Yang Duo Klangwellenbadewanne mit vitalisierenden Farblicht und dem großen Wasserbett bietet luxuriöse Wellnesserlebnisse für Zwei. Schlemmen und Naschen kann man auch in der hauseigenen Schokoladenmanufaktur.

Das Hotel Schwanefeld. Foto: Sachsengast

Meerane ist aber auch ein Zentrum neuer Unternehmen geworden. Der Industriepark mit 65 Hektar Gesamtfläche liegt unmittelbar am Kreuz Meerane der Autobahn A 4 mit der Schnellstraße B 93 und wird Hand in Hand von metaWERK zusammen mit den Investoren der öffentlichen Infrastruktur und den Unternehmen ausgebaut. Alle Investitionspartner gemeinsam haben bis Ende 2020 über 700 Mio. € investiert. Aufgrund der hervorragenden Ansiedlungsmöglichkeiten für Logistik, leichte Industrie und Produktion wurden bereits acht große Unternehmensansiedlungen abgeschlossen, so dass gegenwärtig Hallen im Umfang von rund 200.000 m² Hallenfläche fertiggestellt sind. In dem Industriepark sind bisher 2.000 Arbeitsplätze neu entstanden.

Im Industriepark Meerane entstehen immer neue Unternehmen. Foto: Meta

Zu den neuen Unternehmen gehört auch die Firma N+P Informationssysteme GmbH. Unter anderem wird hier der „Digitale Zwilling“ programmiert. Das ist ein virtuelles 3D-Modell eines physischen Systems, wie einer Maschine, eines Produktes, eines Fertigungsprozesses oder einer gesamten Fertigungsumgebung. Das Modell wird mit Sensor-Daten (z. B. Temperatur, Druck) sowie Informationen aus einer Vielzahl von IT-Systemen angereichert und bildet das physische System in Echtzeit ab. Der digitale Zwilling verknüpft auch Informationen aus einer Vielzahl von IT-Systemen des Unternehmens zu einem detaillierten Modell der Wirklichkeit.

Die Region Zwickau nennt sich nicht von ungefähr das „Zeitsprungland“. Denn die Region Zwickau inspiriert Besucher und kombiniert Naturerlebnisse mit Schlösservielfalt. Wo kann man in nur einer Urlaubsregion gleich 12 mondäne Schlösser und imposante Burgen erobern? Wo hat man die Qual der Wahl zwischen 65 Museumsschätzchen hat und gleichzeitig die Naturidylle einer landschaftlich besonderen Region genießt? Wir entschieden uns für einen Besuch des fürstlichen Schlosses Waldenburg.

Das Schloss Waldenburg. Foto: Sachsengast

Schloss Waldenburg entstand als eines der letzten Schlösser der Wilhelminischen Zeit im sächsischen Waldenburg. Als Schloss Waldenburg nach einem verheerenden Brand wieder aufgebaut wurde, galt es als das modernste Schloss Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es bis 1998 als Lungenheilanstalt. Der Großteil des fürstlichen Ambientes blieb jedoch erhalten. Seit 2000 ist auch die Filmbranche von Schloss Waldenburg fasziniert. Zu den bekanntesten Produktionen zählen »The Grand Budapest Hotel« und »Die kluge Bauerntochter«.

Im Goldenen Saal von Schloss Waldenburg wurden auch Spielfilme gedreht. Foto: Sachsengast

Eine multimediale Schlosstour mit Virtual Reality Installationen führte uns  durch das einstige Zuhause der früheren Schlossherren und gewährte Einblicke in ihr einzigartiges »Zauberbuch«. Das Café »Sweet Sophie« rundet dann den Besuch mit Kaffee und Kuchen in einzigartigem Ambiente ab.

Zu Hause wieder angekommen konnten wir mit diesem Video    

noch einmal  die Zeitreise machen und erlebten wie man als Schlossherr selbst Geschichte schreiben kann, Geschwindigkeitsrekorde aufstellen oder auf Indianerpfaden wandern kann. Die Vielfalt an Burgen und Schlössern, die artenreiche Naturidylle, außergewöhnliche Freizeitangebote und originelle Kulturevents machten für uns die Region zum Land, in dem Träume wahr werden.

Erinnerung an unseren Zeitsprung. Foto: Sachsengast