CTOUR-Vorstandsmitglied Klaus George sprach im Vorfeld der ITB für das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin „Wirtschaft & Markt“ mit DRV-Präsident Jürgen Büchy über die Bilanz der Tourismusbranche, über politische Rahmenbedingungen für die Reiseindustrie und abenteuerliche Steuerbescheide.
Herr Büchy, die Bücher für das Geschäftsjahr 2012/13 sind geschlossen. Sind Sie mit den Ergebnissen der Brache zufrieden?
Sehr zufrieden, denn die Deutschen haben im abgelaufenen Geschäftsjahr rund40 Millionen professionell organisierte Reisen bei Reiseveranstaltern und Reisebüros gebucht und damit für ein neues Allzeithoch beim Umsatzin Höhe von mehr als 25 Mrd. Euro gesorgt.
Erwarten Sie für 2013/14 eine Fortsetzung dieser Entwicklung?
Ja, denn die Reiselaune der Deutschen ist ungebrochen, wie der aktuelle Stand der Vorausbuchungen vermuten läßt – dieser liegt rund fünf Prozent über dem Vorjahr.
Worauf führen Sie das zurück?
Auf die Steigerung des gewachsenen Einkommens, die hohe Konsumneigung,die gesunkene Arbeitslosigkeit sowie die positiven Erwartungen für die Zukunft der Mehrheit unserer Bürger.
Welchen Anteil hat die Reiseindustrie gegenwärtig an der Wirtschaftsleistung Deutschlands?
Sie trägt jährlich rund 214 Mrd.Euro zum Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik bei. Darin eingerechnet sind Aufträge für die Werftindustrie zum Bau von Kreuzfahrtschiffen, Nutzungsentgelte von Fluggesellschaften an die Betreiber deutscher Flughäfen sowie Ausgaben für Einzelhandel und Dienstleister.
Herr Büchy, weiß die Politik den Stellenwert der Branche für die Wirtschaftsleistung Deutschlands zu schätzen, spiegelt es sich im Koalitionsvertrag von Schwarz/Rot entsprechend wider?
Bedingt, aber immerhin finden wir auf 14 Zeilen des ca.180 Seiten dicken Vertragswerkes Erwähnung. Dennoch darf bezweifelt werden, ob die neue Regierung bereits verstanden hat, welches wirtschaftliche Gewicht die Reiseindustrie im Vergleich mit der Automobilindustrie für unsere Volkswirtschaft hat.
Was erwarten Sie in der kommenden Legislatur von ihren Partnern in Parlament und Regierung?
Wir erwarten, dass sie für ein gesundes Wirtschaftsklima sorgen und unserer Branche keine neuen Knüppel zwischen die Beine werfen.
Welche Knüppel?
Bettensteuer, Luftverkehrssteuer, Gewerbesteuer – allesamt zusätzliche betriebswirtschaftliche Belastungen für die Mehrzahl unserer Klientel, die sie bei einer Marge von ein bis drei Prozent kaum noch zusätzlich zu verkraften vermag.
Was hat es mit der aktuellen Auslegung der im Jahre 2008 erfolgten Novellierung des Gewerbesteuerrechts auf sich?
In einigen Bundesländern fordern plötzlich deren Finanzämter auf weltweit eingekaufte Hotelbetten für Reisepakete fünf Jahre rückwirkend zusätzliche Steuerleistungen.
Was hat die Steuerforderung des Fiskus zur Folge?
Wenn diese Forderung deutschlandweit vollzogen wird, kostete das der Reisebranche zusätzlich mehrere Millionen pro Jahr-rückwirkend seit 2008 summiert sich das auf 1,4 Mrd. Euro. Zusätzliche Belastungen dieser Art treiben insbesondere kleine und mittlere Veranstalter zwangsläufig in die Pleite, vernichten mit einem Schlag zehntausende Arbeitsplätze.
Was muß geschehen, um den drohenden Kahlschlag in der deutschen Tourismuswirtschaft durch eine
offensichtliche Fehlinterpretation des 2008 novellierten Gewerbesteuerrechts abzuwenden?
Die Finanzministerien der Länder müssen dem Treiben ihrer Finanzämter bei der kontraproduktiven Auslegung des Gewerbesteuerrechts einen Riegel vorschieben. Die Zeit drängt!
Wie beurteilen Sie die Aussichten?
Im Moment zeigt die politische Ebene wenig Bereitschaft, sich des Problems anzunehmen. Weder der Bund, der für die Handhabung der Steuergesetze nicht verantwortlich ist, noch die 16 Bundesländer, die sich in der Sache zum Nachteil der Tourismuswirtschaft geeinigt haben. Das bereitet uns große Sorge.
Sorge bereitet Ihnen vermutlich auch Brüssel, das 2013 einen Entwurf für die überarbeitete EU-Pauschalreise-Richtlinie vorgelegt hat, die Rechte und Pflichten für Verbraucher und Reiseveranstalter neu regelt?
Sorge insofern, da die Reiseveranstalter auch in Fällen höherer Gewalt die Kunden finanziell entschädigen sollen. Dabei trifft den Veranstaltern in solchen Situationen keinerlei Schuld an der Störung einer Reise. Durch solch eine Reglung würde das allgemeine Lebensrisiko des Kunden dem Veranstalter aufgebürdet. Das wird zu Mehrkosten bei den Veranstaltern führen und damit die Preise für Pauschalreisen verteuern.
Stichwort Online-Vertrieb: Wird er das Reisebüro auf Dauer überflüssig machen?
Das glaube ich nicht. Noch verfügen wir deutschlandweit über ca. 10 000 Reisebüros, in denen gegenwärtig 90 Prozent aller Pauschalreisen gebucht werden, wobei in Ostdeutschland Thüringen und Sachsen die größte Dichte bezogen auf die Einwohnerzahlaufweisen. Dennoch muß auf Dauer auch der stationäre Vertrieb eine angemessene Antwort auf den unaufhaltsamen Vormarsch des Online- Vertriebs finden, was allerdings gegenwärtig schon geschieht. Es gibt kaum noch ein stationäres Reisebüro ohne Internetauftritt
und Buchungsmöglichkeit.
Herr Büchy, wie würden Sie den reisefreudigen Kunden des Jahres 2014 charakterisieren?
Er ist zunehmend qualitätsbewusst. Für seine Kaufentscheidung ist der Preis allein nicht mehr das ausschließliche Kriterium. Vielmehr erwartet er vom Veranstalter ein differenziertes Angebot.
Die Urlaubsreise von der Stange ist ein Auslaufmodell.
Info
Der Deutsche ReiseVerband e. V. (DRV) ist der Fachverband der Tourismusbranche in Deutschland und vertritt die Interessen der Reisebüros und Reiseveranstalter auf nationaler und internationaler Ebene gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Präsident Jürgen Büchy wurde Mitte November auf dem Verbandstag in Salzburg bis zum Jahr 2016 im Amt bestätigt.
www.drv.de
Foto: W. – G. Kirst (fotac)