„Ein azurblaues Panorama von Ebenen, Bergen und Tälern, am Horizont verstreute Städte und Landhäuser im Spiel von Licht und Schatten“, so beschrieb der Dichter Theophile Gautier von 150 Jahren die Toskana. Auch heute gehört diese von der Natur reich beschenkte Landschaft mit Kunst und Kultur im Überfluss zu den beliebtesten Urlaubszielen.
Eingebettet in heiteres grünes Hügelland liegt Siena im Herzen der Toskana. Einst wichtiges Handels- und Finanzzentrum, wird sie heute als eine der schönsten Städte Italiens gepriesen. Schwarz und weiß sind die Farben des Doms, dessen majestätische Kuppel das Häusermeer überragt. „Zieht bequeme Schuhe an“, hatte Reiseleiter Ralph empfohlen. Denn bei dem auf drei Hügeln erbauten mittelalterlichen Kleinod gehe es ständig hinauf und hinunter. Im Labyrinth der engen Gassen mit Adelspalästen, altehrwürdigen Gebäuden und kleinen Plätzen begegnet man auf Schritt und Tritt spannender Geschichte mit ihren Geschichten.
Nach Treppenaufgängen und durch schmale Torbögen ist der höchste Punkt Sienas erreicht, der Dom. Zu diesem Wunderwerk toskanischer Gotik, dessen Bauzeit fast zweihundert Jahre dauerte, strömen die Besucher. Mit ihrer reichen Verzierung beeindruckt die Fassade aus schwarz-weißem Marmor und der gestreifte schlanke Campanile. Auch innen überwältigt die Kathedrale mit ihrer in mystisches Dunkel gehüllten schwarz-weißen Ausstattung, dem mit Intarsien ausgelegten farbigen Marmorfußboden und der berühmten Marmorkanzel von Nicola Pisano.
Doch das eigentliche Herz Sienas ist die Piazza del Campo. Der muschelförmige Platz, umgeben von gotischen Palästen mit Cafés und Restaurants, ist beliebter Treffpunkt der Einheimischen und Touristen. Hier – oder unmittelbar auf dem mit roten Backsteinen gepflasterten Platz – sitzt man, trinkt seinen Espresso oder schleckert ein Eis. Und blickt auf den Palazzo Pubblico, eines der schönsten gotischen Bauwerke Italiens mit dem grazilen Torre del Maggia. Im 13. Jahrhundert als Rathaus erbaut, war hier das weltliche Zentrum Sienas. Heute sind die mit Fresken ausgestatteten Säle Heimat des Stadtmuseums. Wer sich die schweißtreibende Mühe macht, den 88 Meter hohen Turn zu besteigen, wird mit einem herrlichen Blick über die Stadt belohnt.
Im Land des Chianti
Rund um Siena bis nach Florenz erstreckt sich das idyllische Hügelland, über dem der Gallo Nero, der schwarze Hahn als Gütezeichen zahlreicher Weingüter kräht. Es ist die Landschaft des Chianti Classico, der zu den besten Weinsorten der Welt gehört. Unsere Wanderung führt über sanft geschwungene Hügel mit einsamen Bauerngehöften, durch kleine Steineichenwälder und Straßen, die sich durch Weinberge auf roter Erde schlengeln, vorbei an silbrig schimmernden Olivenhainen und zypressengesäumten Alleen, hinter denen sich manch prächtige Villa versteckt. Immer wieder verzaubert der weite Blick über diese bezaubernde Landschaft unter einem zartblauen Himmel. Ralph hat uns zu einem Picknick im Freien eingeladen. Tagelang hat er alles allein eingekauft, doch verteilt auf 19 Schultern bzw. Rücksäcke wiegt es nicht schwer, obwohl wir auch Teller, Messer, Gläser und Servietten mitschleppen müssen. In einem verlassenen Gehöft machen wir Rast und alle helfen beim Auspacken, beim Schneiden von Brot, Käse und Tomaten, haben Spaß beim Servieren und Garnieren von Wurst, Schinken, Oliven und anderen toskanischen Köstlichkeiten. Natürlich steht auch Wein auf unserer reich gedeckten Tafel und so können wir mit drei verschiedenen Chianti-Sorten auf diesen gelungenen Tag anstoßen. Gestärkt und guter Stimmung wandern wir bis nach Greve, dem Hauptort des Weingebietes mit seinem von Laubengängen umsäumten hübschen Marktplatz. Hier sei auch Mona Lisa geboren worden, die von Leonardo da Vinci gemalte geheimnisvolle Schöne, weiß unser Reiseleiter zu berichten.
Unterwegs zu Leonardo
Auf den Spuren dieses Jahrhundertgenies sind wir am nächsten Tag unterwegs. Unweit von Montecatini Therme, dem größten Kurort der Toskana – von dem aus wir unsere Erkundungstouren unternehmen – liegt Vinci. Die kleine Stadt am Hang des Montalba-Bergmassivs steht ganz im Zeichen ihres berühmten Sohnes und ehrt mit zwei interessanten Museen den Ingenieur, Architekten und Naturwissenschaftler. Im Schloß des Grafen Guidi auf einer Anhöhe über der Stadt und in der Palazzina Uzielli sind mehr als 60 Maschinen, Modelle und Geräte zu bewundern, die die Vielseitigkeit und den Einfallsreichtum Leonardos deutlich machen. Handgeschriebene Anmerkungen und Skizzen des Meisters ergänzen die Modelle und auf Knopfdruck veranschaulichen digitale Animationen die Funktionsweise einiger Maschinen. Wie zahlreiche Besucher pilgern auch wir zu dem kleinen Bauernhaus am Ortsrand, der Casa Natala di Leonardo, in dem der Knabe seine Kindheit verlebte.
Wo kann man in der Toskana auf der größten, längsten und vollständig erhaltenen Stadtmauer spazieren gehen? In Lucca, der schönen mittelalterlichen Stadt. Mehr als vier Kilometer lang und zwölf Meter hoch ist diese baumbestandene breite Festungsmauer, die der Stadt über Jahrhunderte ihre Unabhängigkeit bewahrte. Anwohner, Jogger, Radfahrer und Besucher sind hier gern unterwegs und genießen dabei die Sicht in die Altstadt und auf die Apuanischen Alpen in der Ferne. Zeugen einer glanzvollen Vergangenheit sind die herrschaftlichen Häuser und Paläste, die sich durch die Herstellung und den Handel mit kostbaren Stoffen reich gewordene Bürger erbauen ließen. Beliebte Einkaufs- und Flanierstraße ist die von Palästen und Türmen gesäumte Via Fillungo. Auch die Piazza Antiteatro sollte man unbedingt besuchen. Das Oval des römischen Amphitheaters ist begrenzt von Häusern mit eleganten Geschäften und lockt innen mit zahlreichen Restaurants und Cafés unter freiem Himmel. Mit einer bronzenen Statue vor seinem Geburtshaus erinnert Lucca an seinen prominenten Einwohner Giacomo Puccini, der mit seinen Opern La Boheme, Tosca und Madame Butterfly die Welt eroberte. Palmen umgeben die Piazza Napoleone, doch der schönste aller Plätze ist die Piazza Michele mit der Kirche San Michele aus dem 12. Jahrhundert. Mit ihrer prächtigen Fassade aus fünfzig verschieden gearbeiteten Säulen ist sie auch ein begehrtes Fotoobjekt.
Skyline des Mittelalters
Seit einigen Tagen sind wir gespannt auf San Gimignano, das als „Manhatten der Toskana“ beschrieben wird. Schon aus der Ferne ist die auf einem Hügel erbaute Stadt mit ihren ins Blau des Himmels ragenden Türmen beeindruckend. Bis zu 54 Meter hoch sind diese festungsartigen Wohntürme, mit denen adlige Familien nach dem Motto „je höher desto mächtiger“ ihren Reichtum präsentierten. Von den einst bis zu 72 Geschlechtertürmen sind 15 erhalten geblieben und machen San Gimignano zu einem der Höhepunkte jeder Toskanareise. Fast vierhundert Busse steuern täglich das kleine Städtchen an, erzählt unser Reiseleiter. Und so flaniert durch die zum Domplatz führende breite Hauptstraße mit ihren kleinen Geschäften und Souvenirläden ständig ein Strom von Schaulustigen. Ruhiger ist es in den schmalen Seitengassen, wo manches mittelalterliche Schmuckstück zu bewundern ist. Zwei der Türme können bestiegen werden und bieten einen traumhaften Blick auf das grüne Hügelland. Bei einer Wanderung durch Weinberge und Olivenhaine um das Städtchen herum lassen wir uns immer wieder von seiner ungewöhnliche Silhouette verzaubern.
Platz der Wunder
Pisa ist vor allem bekannt durch seinen berühmten Schiefen Turm. Doch der steht nicht allein auf dem Campo die Miracoli, dem „Platz der Wunder“. Es sind drei Monumente aus schneeweißem Marmor, die sich auf rasengrünem Grund erheben und täglich das Ziel wahrer Touristenströme sind: Dom, Baptisterium und Campanile. Als größtes Bauwerk Pisaer Gotik beeindruckt der Dom mit seiner prächtigen Fassade aus Streifen von hellem und dunklem Marmor. Mittelpunkt des Interesses und meist fotografiertes Objekt ist jedoch zweifellos der 55 Meter hohe Glockenturm mit seiner Neigung von etwa 4,20 Metern. Da ein weiteres Absinken des Turmes inzwischen gestoppt werden konnte, dürfen jetzt auch wieder Besucher bis auf die Balustrade steigen. Allerdings braucht es dafür viel Geduld, denn die Schlange der Wartenden ist lang. Wer dem fast volksfestartigen Getümmel auf dem Campo die Miracoli entgehen möchte, dem sei ein Bummel durch den kleinen Stadtkern mit seinen stattlichen Palästen empfohlen. Für uns heißt es jetzt, die Wanderschuhe schnüren. Wir wollen den Naturpark Garfagnana in den nahen Apuanischen Alpen erkunden, dessen schneebedeckte Gipfel schon aus der Ferne grüßen. Auf kurvenreicher Strecke kämpft sich der Bus durch das Tal der Carrara-Marmorbrüche. Hinauf in eine wildromantische Landschaft mit dichten Wäldern, tiefen Tälern und kleinen Dörfern, die sich wie Schwalbennester an den Berg schmiegen. Auf alten Maultierwegen wandern wir bergauf und bergab und genießen den Blick auf die schroffen Gipfel über uns.
Rendezvous mit Michelangelo
Weithin sichtbar überragt die mächtige Kuppel des Doms die Silhouette von Florenz, dem geografischen, historischen und kulturellen Herz der Toskana. Keine andere Stadt hat so viele bedeutende Künstler wie Michelangelo, Pisano, Brunelleschi und Donatello hervorgebracht – keine Stadt beherbergt auf so engem Raum eine solche Fülle von Kunstwerken, Palästen, Kirchen und Museen. Florenz ist eine Sehnsuchtsstadt für alle an Kunst und Kultur Interessierten, darüber hinaus jedoch auch eine lebensfrohe und lebendige Stadt zu beiden Seiten des Arno. Nahezu im Halbstundentakt kommen und fahren von hier Züge in alle Richtungen. Vom Bahnhof aus sind es nur wenige Schritte bis zur historischen Innenstadt, dem UNESCO-Welterbe, und bis zur Piazza della Signoria. Eingerahmt von Cafés und Restaurants überragt der gotische Palazzo Vecchio mit seinem schlanken Turm diesen schönsten aller Plätze. Seit dem 14. Jahrhundert wurde von hier die Stadt regiert, heute beherbergt der Palazzo mit seinen zahlreichen Sälen voller Fresken und Deckenmalereien das Museo Vecchio. Zwei berühmte Skulpturen – links die Marmorkopie von Michelangelos David – „bewachen“ den Eingang zum Palazzo. Mit dem monumentalen Neptun-Brunnen und der grazilen Loggia die Lanzi ist die Piazza della Signoria ein Freilichtmuseum und stets bevölkert von Touristen. Unweit davon befinden sich die Uffizien, die bedeutendste Kunstgalerie Italiens, und der Dom Santa Maria del Fiore, dessen freitragende Kuppel nach Plänen des genialen Baumeisters Brunelleschi als architektonisches Meisterwerk gepriesen wird.
Große Teile der Altstadt sind Fußgängerbereich und locken zu einem Einkaufsbummel durch die eleganten Geschäfte und Boutiquen, an der Piazza della Republica laden Caféterrassen zum Verweilen ein. Zum Pflichtprogramm aller Besucher gehört die berühmte Ponte Vecchio. Die älteste der zahlreichen Brücken über den Arno ist mehr als ein steinerner Weg übers Wasser. Auf dem im 14. Jahrhundert erbauten Übergang gab es schon immer Werkstätten und Läden. Heute sind es dutzende Gold- und Juweliergeschäfte, die Käufer und Schaulustige anziehen. Von den drei Arkaden hat man einen schönen Blick über den Fluß und auf die südliche Stadtseite mit dem riesigen Palazzo Pitti und dem Giardino di Boboli, dessen Reiz sich schon Goethe nicht entziehen konnte.
Info
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