AUF DEN SPUREN DER WIKINGER – ENTLANG DER WESTKÜSTE DER GRÖSSTEN INSEL UNSERES PLANETEN

von Lutz Schönfeld

Corona und die damit verbundenen Einschränkungen haben auch die Kreuzfahrtbranche hart getroffen. Viele Monate konnten die Schiffe nicht auslaufen, waren die Crews zu Untätigkeit verdammt. Mit den schrittweisen Erleichterungen nahm auch dieser Zweig der Tourismusbranche wieder Fahrt auf und auch Hurtigruten Expeditions kann seine neuen und modernen Expeditionsschiffe wieder auf große Fahrt schicken.

Ein Shuttlebus bringt uns von Islands Flughafen Keflavik zur Fridtjof Nansen, dem Flaggschiff von Hurtigruten Expeditions, einem modernen, teilelektrischen Hybridschiff mit Eisklasse.

Die Fridtjof Nansen kann auch bis zu zwei Stunden rein elektrisch fahren.

Hurtigruten hat sein 2019 in Dienst gestelltes Schiff nicht von ungefähr nach diesem norwegischen Polarforscher benannt, durchquerte Nansen doch als Erster Grönland im Jahre 1888 über das Inlandeis. Für uns wird die Reise komfortabler ablaufen, auch wenn es sich um eine Expeditionskreuzfahrt handelt.

Zunächst liegen jedoch zwei Seetage vor uns an denen es gilt, die Dänemarkstraße auf dem Weg nach Südgrönland zu durchqueren. Wir nutzen die Zeit, um uns mit dem Schiff und seinen Einrichtungen vertraut zu machen und an einigen der vielfältigen, in Deutsch und Englisch angebotenen Veranstaltungen und Vorträge teilzunehmen. Diese Lektorate werden sich wie ein roter Faden durch das tägliche Bordleben unserer Reise ziehen. Die Fachvorträge halten mitreisende Wissenschaftler im Science Center oder der Expedition Lounge. Weitere Informationsveranstaltungen über das jeweilige Reiseziel des Folgetages und damit assoziierende Fachthemen sollen die Vorfreude auf die Erlebnisse des kommenden Tages zusätzlich steigern und Wissen und Verständnis für die fragile Natur Grönlands vermitteln.

Die Fridtjof Nansen ist von der Größe als Expeditionsschiff konzipiert und somit auf 530 Gäste beschränkt, in den Fahrgebieten der Arktis und Antarktis auf maximal 500. Drei Restaurants, eine Sauna, ein Fitnessstudio, ein kleiner Außenpoolbereich sowie diverse Aufenthaltsbereiche sorgen für das Wohl der Passagiere, ein geschultes und erfahrenes Expeditionsteam sowie etliche Zodiacs und Kajaks für abwechslungsreiche Anlandungen und Ausflüge.

Komfortable Außenkabinen, zum großen Teil auch mit Balkon.

Auf den Unterschied von Expeditionskreuzfahrten zu gewöhnlichen Kreuzfahrten legt die 28-jährige Leiterin des Expeditionsteams, Karolin Herrle großen Wert. Sie ist nicht nur verantwortlich für ihr 24-köpfiges Expeditionsteam, sondern insbesondere für die Planung und professionelle Durchführung der täglichen Ausflüge, Anlandungen und Vorträge.

„Unser Schwerpunkt liegt nicht in der Unterhaltung und Zerstreuung der Gäste, sondern in der Planung und Umsetzung eines mit Wissen gefüllten Programms. Es gilt, die hohen Ansprüche an diese nicht gerade preiswerte Kreuzfahrt in allen Belangen perfekt zu erfüllen.“

Wir erreichen Grönland und mit dem Örtchen Qaqortoq steht der erste Landgang auf dem Programm. Qaqortoq mit seinen sehr farbenfrohen Häusern und seiner fotogenen Kulisse bezeichnet sich selbst als einen der schönsten Orte Grönlands.

Die bunten Holzhäuser sind das Markenzeichen des Örtchens Qaqortoq.

Dem ist nicht zu widersprechen. Der Ort erstreckt sich bis hinauf auf die Hügel und ist gut individuell zu Fuß zu erkunden. Zu empfehlen sind die örtlichen Souvenirshops. Hier ist vieles noch lokal produziert und von Hand gefertigt.  

Am folgenden Tag erreichen wir den 48 Kilometer langen Kvanefjord. Er verzweigt sich am Ende in drei Arme, die jeweils an imposanten Gletschern enden. Schon bei der Einfahrt in den Fjord begrüßen uns malerische Eisberge und halb unter Wasser liegende Gletschereisbrocken. Ein einmaliges Spektakel. Wir sind in Grönland angekommen. Mit jeweils 16 Gästen starten die Zodiacs auf Erkundungsfahrt in die Gletscherwelt des Fjordes.

Mit dem Zodiac geht es auf Erkundungsfahrt im Kvanefjord.

Gegen Mittag des sechsten Reisetages erreichen wir Maniitsoq, den sechstgrößten Ort Grönlands. Das unspektakuläre Städtchen liegt in einem von Kanälen durchzogenen Archipel an der Mündung eines Fjords. Im örtlichen Museum werden Artefakte aus der 4.000-jährigen Geschichte der vor Ort lebenden Menschen ausgestellt.

In der darauffolgenden Nacht haben wir unbemerkt den Polarkreis überquert und am frühen Morgen unser heutiges Tagesziel erreicht. Sisimiut ist eine recht moderne Siedlung, deren Wurzeln jedoch 4.500 Jahre zurück reichen. Das kleine Freilichtmuseum vor Ort beherbergt viele Exponate und Bauten aus der geschichtlichen Entwicklung der Region. Spektakulärer ist die Begegnung mit Schlittenhunden am Ortsrand. Erst nördlich des Polarkreises dürfen sie gehalten werden. Ihr Heulen ist markerschütternd.

Schlittenhunde gibt es nur nördlich des Polarkreises, ihr Heulen ist markerschütternd.

Sisimiut selbst ist einen kurzen Besuch wert, die reizvolle Umgebung kann in längeren Wanderungen erkundet werden. Von hier führt zum Beispiel der Arctic Trail bis nach Kangerlussuaq.  

Am Abend lädt Daniel Skjeldam, CEO von Hurtigruten, zu einer Versteigerung zugunsten der Hurtigruten Foundation ein. Mit der 2015 gegründeten Stiftung engagiert sich das Unternehmen im Kampf gegen Klimawandel, für die Stärkung lokaler Gemeinschaften an den Hurtigruten-Zielorten und den Kampf gegen Plastik- und Meeresmüll. Alle gespendeten oder eingenommenen Gelder kommen 1:1 der Stiftung zugute, knapp 4.000 Euro sind es an diesem Abend.

Der vorläufige Höhepunkt der Reise ist am darauffolgenden Tag gekommen. Wir erreichen die Disco-Bucht. Zugang zur Bucht und ihrer Hauptattraktion bildet die kleine Stadt Ilulissat. Die Stadt ist eingebettet in die atemberaubende Landschaft des Ilulissat-Eisfjordes, einer UNESCO-Welterbestätte.

Der Icefjord bei Ilulissat ist UNESCO Welterbestätte.

Der Blick auf die gigantischen Eisberge ist ein absolutes Highlight. Sie erreichen eine Höhe von bis zu 100 Metern über dem Meeresspiegel und stammen vom aktivsten Gletscher der Nordhalbkugel, dem Sermeq Kujalleq.

Bis zu 100 Meter ragen die Kolosse im Icefjord über Wasser.

Wir fahren zunächst mit einem kleinen Fischkutter mitten hinein in die kalbende Gletscherlandschaft und sind sprachlos ob der Monster, die uns in ihrer majestätischen Schönheit und Größe umgeben.

Mit kleinen Fischkuttern kann der Icefjord erkundet werden.

Zwei Gruppen Wale gleiten scheinbar unbeeindruckt von unserer Nähe direkt am Schiff vorbei und zeigen im Abtauchen majestätisch ihre Fluke.

Ungestört tummeln sich Wale im Icefjord bei Ilulissat.

Auf dem anschließenden knapp einstündigen Rundflug mit einem kleinen Sightseeing-Flugzeug des örtlichen Anbieters Air Zafari bekommen wir türkis-schillernde Kraterseen inmitten gewaltiger Eisberge ebenso zu sehen wie gewaltige, tief gefurchte Gletscherlandschaften, die so nur aus der Luft erkennbar sind. Auch Wale können sich aus diesem Blickwinkel nicht vor uns verstecken.

Spektakuläre Blicke auf den Icefjord von Bord einer Rundflugmaschine.

In einem gemütlichen Spaziergang durch Ilulissat erreichen wir anschließend nach ca. 30 Minuten das Isfjordcenter. Auf dem gut ausgeschilderten und mit einem Holzsteg befestigten Weg ist man von hier in 20 Minuten am Eisfjord und genießt weitere spektakuläre Ausblicke.  

Ein gut ausgebauter Wanderweg führt direkt zum Icefjord.

Wir verlassen noch am Abend Ilulissat in Richtung Vaigatsund, dem nördlichsten Ziel unserer Reise. Der Vaigatsund ist eine landschaftlich sehr reizvolle Meerenge, die die Diskobucht mit der Baffinbucht verbindet. Am Camp Frieda nutzen wir unsere erste Anlandestelle für eine Wanderung durch die unberührte Natur.

Surreale Landschaften an den Anlandestellen im Vaigatsund.

Am Nachmittag ankern wir erneut, dieses Mal in einer malerischen Bucht mit feinsandigem Sandstrand. Wie von einem Bühnenbildner drapiert glänzen spektakuläre Eisberge malerisch in der Sonne, ergänzt durch ein gut erhaltenes Walgerippe.

Malerische Kulisse im Vaigatsund.

Am Ende des Tages folgt dann der persönliche Höhepunkt für den Autor: ein Bad im Eismeer, weit nördlich des Polarkreises und bei vier Grad Wasser- und fünf Grad Lufttemperatur.

Evighed Fjord bedeutet übersetzt „Fjord der Ewigkeit“ und er ist das Ziel des nun folgenden Tages. Der erhabene Fjord zieht sich 74 Kilometer ins Inland, sein Wasser ist an manchen Stellen bis zu 700 Meter tief. Gigantische weiße Eisbrocken stürzen ins kalte Wasser und tauchen anschließend als Eisberge wieder auf. Uns umgeben einige der höchsten Berge Westgrönlands. Ihre Gipfel sind bis zu 2.000 Meter hoch. Mit dem Zodiak wird die eindrucksvolle Umgebung ausgiebig erkundet.

Mit Zodiacs auf Erkundungsfahrt im Evighed-Fjord.

Der neue Tag steht ganz im Zeichen der Hauptstadt Grönlands, Nuuk. Die touristisch gut erschlossene Stadt liegt malerisch in die Berglandschaft an der Mündung eines Fjordsystems drapiert und bildet mit seinen farbenfrohen Häusern einen schönen Kontrast zur kargen, die Stadt umgebenden Natur.

Absolut lohnenswert und unbedingt zu besichtigen ist die Altstadt von Nuuk, die direkt hinter der Fußgängerzone beginnt und sich bis ans Wasser fortsetzt. Hier eröffnen sich immer wieder schöne Perspektiven auf die für die Stadt typischen und gut erhaltenen alten Holzhäuser.

Am vorletzten Tag in Grönland besuchen wir zunächst die Geisterstadt Ivittuut, eine abgelegene, längst vergessene Bergbausiedlung mit gespenstischer Atmosphäre. Die verlassenen Gebäude, die alte Mine, ein einsamer Friedhof, dies alles steht im krassen Kontrast zur Schönheit der umgebenden Natur.

Am Nachmittag dann Anlandung im benachbarten Kangilinnguit, einer ehemaligen Militärbasis aus dem Zweiten Weltkrieg. Unser Ziel liegt eine kleine Wanderung in Richtung Landesinneres entfernt: Moschusochsen. Am Horizont tauchen sie schließlich auf, eine Herde von bis zu 18 Tieren. Mit Teleobjektiv und Fernglas gut zu erkennen, halten wir jedoch respektvoll Abstand vor diesen imposanten Tieren.

Ein weiterer Höhepunkt der Reise am letzten Tag in Grönland: der Prins Christian Sund.

Zodiacausflug im Prins Christian Sund.

Der fast 100 Kilometer lange und recht schmale Wasserweg ist umgeben von Granitbergen mit spitzen Gipfeln und einer Höhe von bis zu 2.220 Metern. Die Fahrt durch den Sund ist nur in den Sommermonaten möglich und rundet unsere Westgrönlandreise auf beeindruckende Weise ab.

Die spektakuläre Landschaft des Prins Christian Sund faszinierte alle Passagiere.

Nach 5.852 Kilometern endet in Reykjavik eine Kreuzfahrt, von der jeder der Teilnehmer seine ganz eigenen Höhepunkte mit nach Hause bringen und in seiner Erinnerung bewahren wird.

Fotos: Lutz Schönfeld