CTOUR on Tour: Goldener Herbst am Douro – eine Portwein-Meditation

Im Namen des portugisischen Flusses steckt das Wort Ouro. Gold. Ob man jemals im Duoro Gold schürfte, ist geschichtlich zumindest unterbeleuchtet. Das die Sonne an Herbstabenden im Fluss golden schimmert, stimmt und ist Teil des Reizes dieser Weltkulturlandschaft. Das Douro-Tal im Norden Portugals ist eines der naturschönsten Weinanbaugebiete Europas.


Echter Portwein stammt immer aus Portugal, aus genau definierten Herkunftsgebiet entlang des Douro. Den Namen verdankt er der Hafenstadt Porto, von wo aus er in die ganze Welt verschifft wird. Je nach Traubenqualität, Jahrgang und unterschiedliche Reifegrade bemisst man die Qualitätsstufen. Vintage Port wird als höchstwertiger Portwein angesehen.Durch einen langen Ausbau und anschließende Flaschenlagerung, entwickelt er seine kostbare Aromatik. Die Herstellung ist kostenintensiv und aufwendig.
Von Porto aus ist das Douro Tal mit der Bahn, dem Bus, dem Schiff und seit neuem sogar mit Hubschrauber zu erreichen. Wer sich ganz der Verzauberung der Weltkulturlandschaft hingeben will, sollte einen Gang tiefer schalten und in den historischen Städtchen, wie Amarante, Tua, oder in Dörfern wie Provesende, Favaios abseits der großen Strassen die portugisische Lebensart studieren.



In Portugal ging die Liebe immer durch den Magen

45 Kilometer von Porto entfernt liegt der barocke Wallfahrtsort Amarante. Seine Bekanntheit verdankt der Ort dem Wirken des hl. Gonçalo de Amarante. Im 16. Jahrhundert ließ König Johann III. Ein nach ihm benanntes Kloster erbauen. Bis heute erflehen sich Witwen, die sich einen neuen Gatten herbeisehnen, in der dortigen Sakristei ihren Segen. Und wie es der guten Wahlfahrtstradition entspricht, spielt die „Einkehr“ eine wichtige Rolle. Nur ein paar Schritte über die alte Steinbrücke, die natürlich auch Ponte de São Gonçalo heißt, verspricht die Confeitaria da Ponte, den süßen Segen. Spezialitäten wie Papos de Anjo, Brisas do Tâmega, Toucinho do Céu, Bolos de São Gonçalo, oder Galhofas sollten man unbedingt probieren.
Ob man den Geliebten anstatt unerlaubter Zärtlichkeit mit Süßigkeiten an sich binden wollte, oder ob das weibliche Geschlecht nach Süßigkeiten gierte, weil die „Liebe“ nicht stattfand, was macht’s, der Zucker war immer im Spiel.

Bei der Ausbeutung der südamerikanischen Kolonien denkt man in erster Linie an Gold und Silber und vergißt dabei welch bedeutende Rolle Zucker, das „Gaumengold“ spielte. Es versüßte und verklebte, was sozial brüchig war. Zucker.war eines der Statussymbole im Mittelalter.
Schon im 12 Jahrhundert hatten Nonnenklöster ihren „VIP-Trakt“ für die adeligen Betschwestern. Als der Zucker in ihren klösterlichen Gemäuer kam, erfanden sie eine neue Berufung. Sie wurden tonangebend in der Welt der Süßigkeiten. Jedes Kloster, jede Region kreierte ihre eigenen Rezepturen und bewahrte sie als Geheimnis, als Alleinstellungsmerkmal. Manche sind bis heute nicht entschlüsselt.
Mit Eiern war man gleich großzügig. Eigelb gab’s im Überfluss und musste rasch verarbeitet werden. Denn Eiweiß brauchte man literweise als Stärke für die weißen Flügelhauben der edlen Nonnen.
Jahrhunderte lang waren die Klöster Auffangbecken für Töchter, bei denen die Mitgift nicht reichte oder die aus familienpolitischen Gründen unter die Haube der abgezirkelten Klostermauern geschoben wurden. Einzig Zucker, die legale Droge, versüßte ihr Leben.
Fünfzehn Eier für den Festtagskuchen und mehr ist heute noch eher die Regel als die Ausnahme. Rosa Maria, die Gattin des Tourismusdirektors Tapada, winkt bei der Frage nach der Cholesterinverträglichkeit milde ab. Man hat ein Rezept für die „Neutralisierung“. Eine Aubergine, 10 Minuten in 1 Liter Wasser gekocht, 20 Minuten ruhen gelassen, den Sud dreimal täglich getrunken und schon ist der „süße Sünder“ zurück im grünen Bereich.

Bäckerin Celeste Marques

190 Laibe Brot für die 300 Dorfbewohner von Provesende
Die Bäckerin Celeste Marques heizt jeden Morgen um 4.30 den Backofen mit Kiefernreisig an, bevor dann ihr Mann die größeren Scheite nachlegt, und sich zu ihr an den Backtisch begibt. Jeden der 750 Gramm Leibe formen sie mit Händen und murmeln dabei seit
vierzig Jahren das gleiche Gebet.“Gott gib Gesundheit und trag durch dieses Brot zum Wachsen bei.“
Es würde gegen die Dorfehre verstoßen, im nahen Supermarkt in Pinhao Brot zu kaufen. Wo doch der Bäcker auf alle Wünsche, wie Helligkeit, die Knusprigkeit der Rinde oder der Glanz beim vermehrten bestreichen mit Wasser, für jeden Kunden speziell berücksichtigt wird. Wer schon ein bisschen gebrechlich ist, dem reicht der Bäcker den Brotlaib für abgezählte 1,20 € nachmittags übern Gartenzaun. Das kleine Schwätzchen inklusive erhellt den Tag. Und an den strahlenden Augen der Alten sieht man, da braucht’s den „Zucker“ nicht.
In der Tasca, gegenüber der Kirche kocht Mama Graca. Natürlich mit den Gemüsen der Saison, das sie Vormittags aus Nachbars Gärten holt. Der Hahn der Mittags in der Suppe schwimmt, hat man morgens noch krähen gehört. Im Dorf Provesende ist der Kreislauf noch intakt.Wer sich munter machen muss, kann in den Pantoffeln bis zur Taverna gehen und sich für 60 Cent einen starken Kaffee bestellen. Alle relevanten Dorfnachrichten inklusive. Der lokale Wein am Abend sorgt erst recht dafür, das keiner einsam ist.


Auf der Nostalgie-Welle fährt’s sich heiter weiter
Wer Lust hat, sich wie als Kind auf einem Schulausflug zu fühlen, kann bei marta[a]plvincoming.com anfragen und auf Wunsch fährt der OldtimerBus von 1980 vor. Unter erheblichen Motorgeräuschen und krachen bei jeden mal Gang schalten, geht es die kurvenreiche Straße, steil durch die Weinberge immer den Douro im Blick drei Kilometer abwärts. Von weitem hört man den Dampfzug pfeifen. In den Sommermonaten s fährt der 1887 in Betrieb genommene Dampfzug samstagnachmittag von Régua mitten durch Weinberge nach Tua.
Die Holzklasse hat man perfekt aufpoliert und glänzend lackiert. Zum Verstellen der Fenster benutzt man wie anno dazumal Lederriemen, die man an Messingknöpfen einhängt. An der Mahagoni Holzvertäfelung hängen porzellanen Sicherungen, die jeder Schaffner per Bedarf noch wechseln kann.
Um die Folklore komplett zu machen, mischen sich ältere portugiesische Herrschaften in der Kleidung der Weinpflücker und die Damen in baumwollenen langen Röcken und fesch gebundenen Kopftüchern unters Volk. Der Bahnhof von Tua ist schon die Reise wert. Seine blau weißen Azulejos zeigen rund um das Gebäude, wie sich Landleben und der Weinbau abgespielt haben.
Wer Glück hat, wird von einer Gesangsgruppe, die alte Lieder von Erntearbeitern singt, empfangen. Ihre Heiterkeit geht wie Portwein ins Blut. Die Fahrgäste, noch ganz im nostalgischen Dampfzug-Rausch, summen und schwingen im Rhythmus mit.


Auf der Portwein- Route mit den original Rabelo-Booten
Als hätte das Tuten der Dampflock das alte Portweinschiff gerufen, steuert es ans Ufer und ankert fussläufig in Bahnhofsnähe. Statt der 25 Fässer Portwein werden heute Ausflugsäste geladen. Mit Blick auf die schönstes Weinterrassen von Tua nach Règua bei der Verkostung lokaler Weine ,werden alle Sinne auf’s beste bedient.
Man reicht verschiedene Petiscos und Klösschen aus Bacalhau. Und dazu wird die typische Caldo verde-Suppe mit Kohlblättern serviert.
Der krönende Abschluss ist der Sonnenuntergang mit der berühmten goldenen Spiegelung am Fluss, den man staunend bei einem Glas goldfarbenen Portwein geniest.

Portwein-Meditation

Per Dekret verbriefte König Jose I. 1753 dem edlen Tropfen aus dem Douro Vally, König der Weine zu sein. Auf den Festtafeln der europäischen Königshäuser schätzte man den Royal Oporto als krönenden Dessert-Wein.


Seinem Geheimnis nähert man sich am besten vor Ort. Indem man die Mühe auf sich nimmt, die steilen Anbauhänge auf und ab zu klettern, sich an den tausendfach verschiedenen alten, knorrigen, oft nur einen halben Meter aus der Erde ragenden Stöcken erfreuen. Sie ziehen ihre Kraft aus dem bis zu 15 Meter tiefen Granitgestein.
Die Erntezeit September / Oktober vor Ort mitzuerleben, vertieft die Hochachtung für die edlen Tropfen. Den kulinarischen Augenschmaus zu erleben, wie hunderte Kilo bester Trauben in die alten Granitbecken geschüttet werden, bleibt ein Erlebnis. Bis heute mutet man den Königinnen der Trauben vielerorts nicht die mechanische Presse zu. Das wird noch von Fuß gemacht. Die Erntehelfer wechseln ihre Hosen von lang auf kurz, waschen ihre Füße, steigen in die Becken und treten über mehrere Stunden das Gemisch aus Saft und Traubenschalen. Ob die traditionellen Gesänge der Erntehelfer, auch die vergessenen, nur noch gesummten Strophen, stimulierend auf den Wein wirken, wer weiß? Auf’s Gemüt jedenfalls wirken die tiefblauen Trauben, das Bukett und die sich wiederholenden Mantras mit  kehligen Stimmen mystisch, wie aus der Zeit gefallen.

In alten Zolldokumenten aus dem Jahr 1678 fand man erstmals die Bezeichnung „Porto“. Englische Handelsorganisationen, die im 17.Jh. dem edlen Tröpfchen nachjagten, weil sie glaubten, daraus einen Exportschlager machen zu können, stellten fest, dass die Spitzenqualitäten in den Klosterkellern lagerten. Es war die Zeit, wo man aus der neuen Welt für die Damen reichlich Zucker brachte, und die adeligen Nonnen sich mit den Süßspeisen über das, was ihnen an Liebe fehlte, hinweg halfen. Könnte es  sein, dass die Mönche auch durch unbefriedigte Gelüste auf das Erzeugergeheimnis des Portweins stießen? Englische Kaufleute bemühten sich, den „Priest-Port“ zu  ergattern, weil er als der Feinste von allen galt. Sein Geheimnis bestand darin, dem Wein während der Gärung Neutralalkohol hinzuzufügen, wodurch der Gärprozess gestoppt wurde. Der nicht vergorene Restzucker der Trauben verlieh dem Portwein seinen süßen Charakter.

Ein Therapiezentrum für Lebensqualität
Die gepflegten Oleander und Rosenbüsche entlang des Gartenzauns vermitteln den Eindruck, als würde  im 1855 erbauten gelben Haus ( auf Portugiesisch „Quinta Amarela“) ein besonderer Feinsinn blühen. Unter den vom Urgroßvater gepflanzt Orangen- Limonen- und Olivenbäume fühlt man sich, als würde man die Paradiesgärten der Romantik beschreiten.

Wenn Gil Elisio Regueiro, der Grande des Weinguts, das knarrende, hölzerne Scheunentor bedächtig aufzieht, ahnt man, dass man das Allerheiligste der Quinta betritt. Das Wort „Scheunentor“ geht mir nur ächzend über die Lippen, denn das jahrhundertalte Holzgebäude ist in Wahrheit eher ein Wein -Tempel.
Der lange Tisch mit den flackernden Kerzen gleicht einem Altar. Aufgereiht nach Jahrgängen, stehen die ältesten und edelsten Flaschen feinen Ports wie Zeitzeugen im Raum. Zu beiden Seiten schlummert in riesigen Eichenfässern jahrzehntealter Port. Wer genau lauscht, hört Vivaldi. Auf meinen irritierten Blick, als hätte ich mich verhört, entgegnet Gil lächelnd: „Barockmusik stimuliert die Kühe, auch der Wein liebt sie“.


Mit warmer Stimme resümiert er, dass die Symbiose zwischen den Holzfässern und der Aromatik des Weines ein „Never- Ending-Prozess“ sei. Im Holz entwickelt sich das Aroma und wirkt auf die Farbe des Ports ein. Diese Eichenfässer sind etwas ganz Edles, sie adeln selbst Jahrzehnte später noch den Whisky. Auch der Lehmboden ist keine rustikale Untermalung, er speichert die Feuchtigkeit, die wiederum dem Holz der Fässer gut tut.

Das der Port als eine traditionsreiche portugiesische Medizin für den Körper gesehen wird, reicht Gil nicht. Bei ihm und seinen Freunden spiegelt sich sein Genuss tief in der Seele wider.
Wenn sein Tag mal nicht „prickelnd“ war, nimmt er ein gutes Buch, zündet die Kerzen an und lässt sich auf dem alten Schaukelstuhl nieder. Lauscht, schürft, bekennt seinem Gott, wo er nicht treu und edel war, und schweigt. Erinnert sich an Erzählungen und erlebte Geschichten, die sich in diesem Gemäuer über vier Generationen abspielten. Wird eins mit dem Wein. Atmet sein Bukett und erfreut sich an den Geschmacksnuancen von Nüssen, Dörrobst und Datteln. Er meint verschmitzt: seine Annäherung, ja seine Intimisierung halte mit dem Ergrauen seiner Haare Schritt.
Noch freudiger fühlt er sich in der Runde mit Gästen, die wie er die edlen Tropfen schätzen und die Kultur, die ihn umgibt, hautnah erleben wollen. Bei einem Glas Port zu resümieren, und dabei manch Tiefes oder auch Humorvolles aus ihren Lebensbereichen zu hören, liebt er.
Geschäft spielt heute für ihn nur mehr im unteren Prozentbereich eine Rolle. Lächelnd meint er: „22 Prozent hat der Port, und das ist mehr, als ich mich noch ins Weingeschäft involvieren möchte.“ Heute empfindet er Begegnungen, die bereichern, als unverzichtbares Lebenselixier. Wer an das „Scheunentor von Quinta da Casa Amarela“ klopfen möchte, sollte dies zuvor unter quinta[a]quinta-casa-amarela.com kundtun.

Fotos: V. Zickendraht