LIP – ein Autokennzeichen der Superlative
Wenn Sabine Mirbach aus Bad Salzuflen Touristen begrüßt, dann stellt sie erstmal das Selbstverständnis der Lipper klar. LIP = „Leben im Paradies“! Es gibt aber auch ganz andere Interpretationen: „Landvolk in Panik“ zum Beispiel oder „low intelligent person“.
Diese weniger charmanten Übersetzungen muss man der Gästeführerin aber nicht entgegenhalten, die sprudeln ganz selbstverständlich selbst aus ihr heraus. Flucht nach vorn, von wegen „Leute mit niedriger Intelligenz“. Die fast 350-tausend Lipper sind ganz schön clever und haben aus ihrem Landstrich zwischen Teutoburger Wald im Süden, Weserbogen im Norden, lippischem Bergland im Osten sowie dem Flach- und Hügelland im Westen einen touristischen Edelstein für Individualisten kreiert. Denn der Landkreis Lippe fällt einem nicht auf Anhieb ein, wenn man über Urlaub in Deutschland nachdenkt. Bekannter sind da schon die Bundesligisten TBV Lemgo und HSG Blomberg-Lippe, jedenfalls bei Handballfans. Und Wanderfreunde haben sicher schon mal etwas vom Wanderweg über die Hermannshöhen gehört, schließlich einer der 16 attraktivsten Wanderwege Deutschlands durch den Teuteburger Wald mit dem berühmten Hermannsdenkmal. Ein Weg, vorbei an Fachwerkhäusern, Mühlen, Schlössern und Burgen. So wie die Burg Blomberg, in der sich der CTOUR-Vorstand im November zu einer Klausur mit touristischem Entdeckerprogramm traf. Und genau dort kann man auf Sabine Mirbach treffen, die als Stadtführerin zum Beispiel eine stimmungsvolle Fackelwanderung anbietet.
Blomberg gibt es seit 1250 und bietet mit seinen 250 Fachwerkhäusern eine Altstadt, Modell „Schmuckkästchen“. Die „Weserrenaissance“ prägt das Stadtbild, besonders gut zu entdecken am Rathaus. Immer wieder gern erzählt wird die Geschichte der Alheyd. Ein paar Schritte neben dem Rathaus ist der Alheyd-Brunnen, der an ein bedeutendes Blomberger Ereignis aus dem 15. Jahrhundert erinnert. Da nämlich soll besagte Alheyd 45 geweihte Hostien aus der Martinikirche gestohlen und – wohl aus Angst entdeckt zu werden – in einen Brunnen geworfen haben. Die gingen aber nicht unter, sie wurde verhaftet und für diesen „Hostienfrevel“ verbrannt. Der Brunnen erlangte in den Jahren danach den Ruf eines Wunderbrunnens und die geschäftstüchtigen Blomberger förderten diesen Ruf nach Kräften. Zum Beispiel mit der Geschichte von der Alten Magd, die in den Brunnen fiel und als wunderschöne junge Frau heraus stieg. Fortan wurde das vermeintlich geweihte Wunderwasser an Pilger verkauft, mit dem Versprechen, dass einem danach alle gewesenen und künftigen Sünden vergeben würden. Von wegen „low intelligent person“!
Eine intelligente Lösung hat sich der Landesverband auch für die Burg einfallen lassen. Sie ist heute Hotel – nicht einfach zu bewirtschaften für die Betreiber – aber mit viel Charme für die Gäste. Drei Jahrhunderte war sie Residenz der Edelherren von Lippe, heute betreibt sie die RIMC International Hotels & Resort GmbH. Gert Prantner kam vor gut 25 Jahren auf die Idee. Als geschäftsführender Direktor baute er das Luxushotel „Vier Jahreszeiten“ in Hamburg zu einer Legende auf. Er schaffte das mit seinem Credo: „Der Wert eines Hotels beruht auf dem Ruf des eigenen Namens, auf der Qualität der Mannschaft und auf der Leidenschaft, mit der sich der Unternehmer und das Management einbringen“. Dieses Erfolgskonzept ist bis heute Prantners Firmenphilosophie und auch die seines Geschäftspartners Marek N. Riegger. Zum Portfolio des Unternehmens gehören weltweit 45 Hotels der Marken Best Western, Carlson Rezidor, Sentido, Starwood oder Steigenberger. Der Name RIMC bleibt als „stiller Betreiber“ im Hintergrund.
Auch das Burghotel Blomberg firmiert ausschließlich unter seinem eigenen Namen während das andere RIMC-Haus im benachbarten Bad Meinberg als Quality-Hotel gebrandet ist. Das „Vital zum Stern“ ist ein traditionsreiches Haus mit modernem Anbau mitten im Zentrum und direkt am historischen Kurpark. Auch das 28 Grad warme Thermalwasser-Schwimmbad versetzt Bad Meinberg-Besucher ziemlich schnell in einen nachhaltigen Entspannungszustand. Seit vor Jahren die Kuren auf Versicherungskosten stark eingeschränkt wurden, versucht Bad Meinberg – wie andere Kurbäder, die unter eingebrochenen Gästezahlen leiden – mit Selbstzahlern zu wirtschaften. Eine Zuzahlungsreform bei den gesetzlichen Krankenkassen führte zu der Idee, für 2017 Präventionsangebote zu entwickeln, die die Krankenkassen mit bis zu 170 € fördern können – unabhängig von irgendwelchen Symptomen. Und auch für die Übernachtung, zum Beispiel im Hotel Vital zum Stern, sind Zuschüsse möglich. Der Gast bekommt hierfür Nordic Walking und Ernährungskurse von zertifizierten Trainern und ein Programm, das ihm auch zu Hause ermöglicht, das nachhaltige Gesundheitstraining fortzusetzen. Vor Ort sollten Bad Meinberg-Kurgäste das schon mal mit einer Wanderung zu den Externsteinen probieren. Die liegen, oder besser stehen quasi „um die Ecke“ und sind eine beeindruckende Felsengruppe aus Sandstein.
Vier der insgesamt 13 Felsen stehen völlig frei, sind bis zu 38 Meter hoch und begeh- oder besser kletterbar. Denn die steilen Stufen sind durchaus ambitioniert. Dafür wird man mit einem atemberaubenden Landschaftsblick belohnt. Zwischen dem 38 Meter hohen zweiten und dem dritten Felsen gibt es seit 1811 eine kleine Brücke. In die Basis des ersten Felsens der Externsteine sind mehrere Räume eingemeißelt und die Felsaußenseite schmückt ein sogenanntes Kreuzabnahmerelief, das als die bedeutendste Großplastik im Nordwesten Deutschlands gilt. Manche Menschen schreiben den Externsteinen magische Kräfte zu und lehnen sich an den Fels, um Kraft zu tanken.
Keine halbe Autostunde entfernt ist das wohl bekannteste Denkmal der Region, das Hermannsdenkmal. Auf dem 386 Meter hohen Berg Grotenburg bei Detmold steht der fast 27 Meter hohe Koloss. Gewidmet ist es dem Cheruskerfürst Arminius, der in der als Schlacht im Teuteburger Wald bekannt gewordenen „Varusschlacht“ im Jahre 9 nach Christus drei vom römischen Feldherren Varus geführte Legionen besiegte. Der Bildhauer Ernst von Bandel entwarf das Monument, das aus Spenden finanziert wurde. Allerdings reichten diese nicht, so dass die Bauarbeiten Jahre still standen. Erst als sich Kaiser Wilhelm I. für das Denkmal interessierte und es schließlich finanzierte ging es weiter. Allerdings mit einer Bedingung. Der aus Kupferplatten genietete Hermann mit dem Schwert musste um 180 Grad gedreht werden und „feindwärts“ zeigen. Richtung Westen, nach Frankreich! Deshalb zeigt einem der Hermann beim Aufstieg erstmal die Rückseite – eher ungewöhnlich für solche Denkmale. Ambitionierte Besucher können die Skulptur übrigens im Inneren erklettern. Der benachbarte Hochseilgarten bietet auf Anfrage Klettertouren im Hermann an.
Am Fuße des Berg Grotenburg liegt Detmold mit einem weiteren der sieben historischen Stadtkerne in Lippe. Auch hier finden Touristen etwas Einzigartiges. Mittelalterliche Häuser, die an, teilweise sogar über die Stadtmauer gebaut wurden. Als es im Innenstadtbereich immer enger wurde, quetschten die Neubürger ihre Häuser regelrecht an die Stadtmauer. Und als die Mauer nicht mehr nötig war, bauten einige clevere Bauherren ihre Häuser einfach über die Mauer drüber. Und so gibt es heute in Detmold Wohngebäude, durch die ein Stück der Stadtmauer verläuft. An einigen Stellen ist diese architektonische Kuriosität auch zu sehen. Vielleicht haben diese Detmolder ja auf diesen gelungenen Coup mit einem einheimischen Bier angestoßen. Nicht aus der Brauerei Strate – die gibt es erst seit 1863 – aber sicher mit einem der alten in Kleinstbrauereien hergestellten Biere. Eine Tradition, die die heutigen Brauereichefinnen auf höchst kreative Weise kultiviert haben. Renate Strate und ihre beiden Töchter Friedericke und Simone mischen den Biermarkt inzwischen mit Kreationen wie Bourbon Chardonnay, Detmolder Royal oder Glühbier auf. „Echt handgebraut, mit längst vergessen geglaubten Rezepten und Zutaten neu interpretiert“, versprechen die Damen. Egal wie viel Marketing in diesem Satz steckt, das Glühbier zum Beispiel war gerade in der Adventszeit eine herzhafte, sehr leckere Alternative zum manchmal doch sehr süßen Glühwein.
Ein paar Tage „Lippeland“ oder LIP. Das ist kein „Landvolk in Panik“, eher ein kleines gallisches Dorf zwischen Niedersachsen und NRW, das mit Cleverness, Charme und Witz seinen unerschütterlichen Platz in der Tourismusbranche und darüber hinaus behauptet.
www.rimc.de
www.hornbadmeinberg.de
www.burghotel-blomberg.de
www.quality-hotel-vital.de
Text: Michael Wenkel
Fotos: Hans-Peter Gaul