Eingeladen hatte im August 2016 das Crowne Plaza Berlin und der Reiseveranstalter China Tours zu einem Vortrag von Thomas Schröder über die Reise seines Lebens von Gnoien nach Peking. Viele interessierte Besucher verfolgten gebannt den Bildern, Videos und eindrücklichen Erzählungen.
Ja, das ist schon verrückt, was Thomas Schröder aus Gnoien in Mecklenburg-Vorpommern erträumt hatte. Und das bestätigten ihm auch alle anderen, denen er von seinem Traum erzählte. Gut, Thomas Schröder ist aktiver Ausdauerläufer und außerdem noch Trainer der jungen Gnoiener Leichtathleten, aber trotzdem erscheint das Vorhaben irgendwie wahnwitzig. Er hatte sich vorgenommen, auf einem Trekkingbike in einem knappen halben Jahr nach China zu radeln und als Ziel- und Höhepunkt der Reise auf der legendären „Großen Mauer“ in Peking zu stehen. Seine Tour sollte von Deutschland über Polen, Litauen, Lettland, Russland, Kasachstan, Kirgisistan nach China führen.
Zugegeben Thomas Schröder ist Radfahrer aus Leidenschaft und irgendwie mit seinem Gefährt verwachsen. Und um gleich mal vorzugreifen, nach der bestandenen Reise umso mehr. Natürlich hat er vorab schon etliche Fahrradtouren unternommen, 2012 fuhr er nach München, um seinen Vater zu besuchen, danach in nördliche Richtung nach Dänemark. Gestartet ist er immer vom idyllischen Gnoien, einem 3000-Seelen-Städtchen im Landkreis Rostock.
Doch langsam wurde es Zeit die Welt zu erkunden, fand Schröder, und beschloss, dass es, wenn schon, denn schon, die große weite Welt sein musste. Ja, China, das wäre doch was. Und das klang wirklich verrückt, oder?
Thomas Schröder begann mit den Vorbereitungen auf die Tour, trainierte Körper, Geist und Seele. Er fuhr jeden noch so kleinen Weg zu Terminen oder zur Arbeit, auch bei Eis und Schnee, mit dem Rad, kaufte ein Wörterbuch mit Bildern falls zur Verständigung Hände und Füße nicht ausreichen, besorgte ein ausgeklügeltes Equipment für die Wartung seines Transportmittels und für die Tasche am Lenker einen kleinen Schraubenschlüssel, einen Kettenprüfer, einen Gabelschlüssel und ein Fläschchen Öl als Notbehelf. Er informierte sich rechtzeitig über die Einreisebestimmungen der Länder, die er durchqueren wollte. Jedes Land hat ja seine eigenen Vorschriften. Er weiß, er muss zur richtigen Zeit mit dem richtigen Visum am richtigen Grenzübergang stehen.
Finanziert hat sich Thomas Schröder seinen Traum durch Crowdfunding. Diese sogenannte „Schwarmfinanzierung“ hat er übers Internet angeschoben, bei der viele Menschen einen kleinen Beitrag zum Projekt beisteuern. Insgesamt kamen so über 5.000 Euro zusammen. Doch natürlich wollen sie dafür auf virtuelle Weise am Projekt beteiligt sein, also über Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram auf dem Laufenden bleiben. So berichtete er seinen Follower auf den Streckenkilometern in Echtzeit z.B. über Menschen, denen er unterwegs begegnete oder über unvorhergesehene Dinge, im Guten wie im schlechten. Für den Livebericht brauchte er ein empfangsbereites Netz. Dank seines Fahrrad-Dynamos und dem fleißigen Pedalentritt ist er immer auf Sendung. Die Fans konnten seine Tour lebhaft verfolgen und sein Tagebuch mitlesen, das jeden Abend auf den neusten Stand gebracht wurde.
Auch die Ostseewelle, der lokale Radiosender von Mecklenburg-Vorpommern, ist ihm während der Reise auf den Fersen und berichtete über die Tour.
Thomas Schröder hat es sich auch während der Fahrt nicht leicht gemacht. In den Satteltaschen des Fahrrades hat er etwa 55 kg Gepäck untergebracht, die ständig mitgestrampelt werden wollen. Sein Zelt schlug er immer da auf, wo ihm Landschaft und Leute gefielen, aber ab und an auch an ziemlich einsamen Orten, weil er einfach nicht mehr weiterkonnte. Gegessen wurde, was unterwegs vom Baum fiel, lokale Spezialitäten oder auf freundliche Einladung der Einheimischen. Die mitgenommenen Konservendosen waren nur für den absoluten Notfall. Ausgaben für zehn bis maximal fünfzehn Euro waren sein Tageslimit. Gegen Einsamkeit und Langeweile unterwegs halfen Songs von Michael Jackson. Doch manchmal fragte er sich schon: „Was machst du hier eigentlich?“
Nach den schönsten Momenten seiner Reise gefragt, ist er unschlüssig, denn das Erlebte und Gesehene machte eigentlich jeden Tag zum schönsten Moment. Doch, fügt er hinzu, vielleicht sollte man Moskau und den Roten Platz erwähnen, auf dem er gesessen hatte, 3000 km von zu Hause weg. Unglaublich! Oder in Kasachstan kurz hinter Aktobe, als er die ersten Kamele sah. Dort begann er zu realisieren, wie weit er die Welt schon vermessen hatte.
Auf alle Fälle gehört zu den schönsten Momenten auch folgende interessante Begegnung. Irgendwo auf dem Rad unterwegs traf Thomas Schröder in den späten Abendstunden den Weltenbummler Alexander aus Tambov, der ihn erst langsam auf seinem Rad überholte und dann am Straßenrand auf ihn wartete. Nach tagelangem Schweigen oder Selbstgesprächen waren beide froh über den Austausch.
Und was waren die schlimmsten Momente? Da gab es schon brenzlige Situationen, erinnert sich Thomas Schröder und die hatten mit einem Wettereinbruch zu tun. Kurz vor dem Grenzübertritt nach Kasachstan hatte er in einer ungeschützten Graslandschaft sein Zelt aufgeschlagen. Ein schwerer Donnerschlag riss ihn in den frühen Morgenstunden aus dem Schlaf. Es folgten weitere gewaltige Blitz- und Donnerschläge in unmittelbarer Nähe. Und zum ersten Mal fürchtete er, diese Nacht nicht zu überleben. Nach einer gefühlten unendlichen Stunde zog das Gewitter langsam ab. Ja, das war schlimm, gibt er zu.
Auch auf die Frage nach dem schönsten Land und der schönsten Stadt auf der Reise tut sich Thomas Schröder schwer. Kasachstan habe ihn überrascht mit seinen endlosen atemberaubenden Weiten und gastfreundlichen Menschen. Das hatte er sich so nicht vorgestellt. Als Stadt habe ihn Moskau fasziniert, schon allein wegen der Fülle an Sehenswürdigkeiten.
Allen Fahrradenthusiasten sei verraten, dass sich Thomas Schröder extra für die Reise ein neues Rad hat anfertigen lassen. Das neue Gefährt stammt von der Firma PATRIA aus Leopoldshöhe in NRW. Dort werden nach eigenen Aussagen Fahrräder für Genießer, Sportler und Individualisten hergestellt, wie maßgeschneidert für Thomas Schröder. Die Wartezeit dafür betrug zwar 6 Wochen und es kostete 3.200 Euro, aber das habe sich gelohnt, meint Schröder.
Einschließlich der teuren Fracht des Fahrers hat dieses Rad auch alles andere sicher ans Ziel gebracht. Dass er endlich in Peking angekommen, dann doch seinen Heimflug verpasst hat, gerade an dem Tag als sein Visum ablief, ist wieder eine andere Geschichte.
Im April 2015 ging die abenteuerliche Reise in Gnoien los, dauerte knappe 5 Monate und 12.000 km Radweg, jetzt muss die Reise verarbeitet und ausgiebig darüber berichtet werden. Für alle, die jetzt neugierig geworden sind, hier ist die Fanpage via Facebook https://www.facebook.com/G9toBeijing-585926614885665/ und im Frühjahr 2017 wird ein Buch über die Reise erscheinen. Und vielleicht auch ein kleiner Film….
Falls jemand diese Fahrradtour nachfahren möchte, ganz real, nicht mit dem Finger auf der Landkarte, dann hat Thomas Schröder natürlich noch ein paar nützliche Tipps. Das A und O ist ein ordentliches Mehrzwecktaschenmesser. Und dann der schon erwähnte Fahrraddynamo, mit dem die notwendige Energie für alle Kommunikation nach außen, sowie für die Kamera und das Navigationsgerät erzeugt werden kann. Ein eigenes E-Werk ist übrigens für alles im Leben nützlich. Oder?
Na, dann „Kette rechts“ was so viel heißt wie: Viel Glück auf Reisen!
Fotos: © Thomas Böhme