Mit dem Schoner SEA STAR geruhsam durch die Seychellen
Von Peer Schmidt-Walther
„So was brauchen wir hier nicht“, lächelt die junge schwarze Frau und lässt zwei schneeweiße Zahnreihen aufblitzen, „wir haben Zeit genug, weil wir im Paradies leben“. Die Frage nach einer neuen Batterie für die Armbanduhr hat sich damit schlagartig erledigt. Unsere durchgeplante und digitalisierte Welt vorerst auch. Ebenso das Handy, das man jetzt getrost ausschalten sollte: zu teuer und voller Funklöcher, hat man gehört. Der unfreiwillige Stillstand der Zeit hat geradezu symbolischen Charakter.
Die sich raschelnd im Monsunwind wiegenden Palmen am Ufer der Hafenstraße von Victoria werden nur noch von ein paar Masten überragt. Drei davon sollen zu einem Schoner gehören, auf dem eine Koje vom Berichterstatter gebucht worden ist. SEA STAR liest man schließlich erleichtert an einem dunkelblauen Heck mit Badeplattform. Über der flattert die bunte schräggestreifte Flagge des Inselstaates der Seychellen im Morgenwind.
Kino in den Köpfen
Nach fast 14 Stunden Flugzeit – inklusive Umsteigepause im katarischen Doha – bis auf vier Grad südlich des Äquators (ohne spektakuläre Überquerung mitten in der Nacht) ist jetzt erst mal Pause angesagt: auf einer Bank unter schattenspendendem Marina-Dach. Cédric, so stellt sich der agile Manager von Silhouette Cruises vor, greift kurzerhand zur Machete und köpft eine Kokosnuss, in die er einen Strohhalm steckt: „Hier erst mal was gegen den Durst“.
Wenn die Crew den Proviant für die kommende Woche an Bord gebracht und verstaut habe, könne ich an Bord. Genau wie noch sechs weitere Gäste, Mittvierziger und -fünfziger aus Holland, Luxemburg und der Schweiz, die den kommenden Törn von der Hauptstadt auf Mahé durch die Welt der Inneren Inseln mitmachen wollen. Wobei das Kino in ihren Köpfen schon lange vorher abgelaufen ist: von einer Bilderbuchkulisse, komponiert aus weißen Traumstränden, türkisblauem Meer und üppiger Vegetation, die jeden staunen lässt.
Die Spannung wächst, und alle bewegt nur eine Frage: Was erwartet uns hier wohl? Sie verbindet auch der Wunsch, so erfährt man, die Hauptinseln innerhalb einer Woche ganz entspannt auf bequeme Art kennenzulernen: „Mit einer Mischung aus Aktivität, Natur, Kultur und Gastronomie, bevor wir uns für eine entscheiden, auf der wir längere Zeit bleiben wollen“, meint eine der Schweizer Mitreisenden.
Urkontinent brach ab
„Welcome aboard! My name is Liam Thompson and I am your captain for one week“. Der Mann also, der für die Erfüllung all dieser Wunschvorstellungen sorgen will. Mit der Unterschrift unter die allgemeinen Sicherheitsregeln ist der bürokratische Teil schon vergessen. Vor dem nach achtern verglasten Salon haben sich in der Zwischenzeit alle neun Crew-Mitglieder versammelt. Sie strahlen und winken fröhlich, als der Kapitän sie samt ihren Funktionen vorstellt. Schluss mit den Formalitäten! Ab jetzt soll es nur noch heißen: „Hang loose, Seele baumeln lassen!“
Bullernd startet Mechaniker Jean-Yves Jumaye den 1000 PS-„Flautenschieber“, auch Hauptmaschinen genannt. SEA STAR nimmt Kurs auf die offene See, vorbei an mehrere Tausend Tonnen großen Thunfischfängern aus Fernost. Deren Fanglizenzen und Ladungen bilden das zweite wirtschaftliche Seychellen-Standbein neben dem Tourismus. Über 1200 Kilometer erstrecken sich die 115 Inseln von Nord nach Süd und 1600 Kilometer vor der ostafrikanischen Küste. Kapitän Liam weiß noch mehr: „Entstanden ist das Gebilde vor rund 100 Millionen Jahren, als sich der indische Kontinent von der afrikanischen Scholle löste und nach Nordosten driftete. Unterwegs brachen Teile von dem 650 Millionen Jahre alten Urkontinent Gondwana-Granit ab und blieben zurück. Sie, es sind genau 43, thronen auf einem Sockel, der etwa 30 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Währen der Eiszeit bildete das Archipel eine zusammenhängende Insel etwa so groß wie Sri Lanka. Die vorgelagerten Korallenriffe und Lagunen der Äußeren Inseln stammen aus jüngerer Erdgeschichte“. Ein bisschen Geographie-Unterricht kann in dieser illustren Gegend nicht schaden.
Grün, Weiß, Blau dominieren
Der Schoner fängt an, sich in der Dünung zu wiegen, rundet das bergige Nordkap, hier North Point genannt, von Mahé und lässt in der berühmten Bucht von Beau Vallon den Anker ins tintenblaue Wasser plumpsen. Grün, Weiß und Blau dominieren, die typischen Farben einer Tropeninsel. Doch erst mal gibt´s Lunch, serviert an frischer Luft von den sangesfreudigen Hostessen Debra Jumaye und Nathalie Lozaique auf dem Achterdeck, zeitlich je nach Tagesablauf.
rechts: Musik gehört an Bord immer dazu
Im Nu bedecken Teller und Schüsseln den Tisch. Ihr Inhalt ist so bunt wie die Landesflagge: insgesamt eine bunte Gemüsemischung, gekocht und frisch, dazu gegrillter Fisch, fast noch fangfrisch. Alles, versichert der baumlange Koch Nadee Joseph in seiner kleinen Kombüse, nach echt kreolischer Art, auch scharf natürlich und appetitanregend knoblauchgewürzt. Süßsaftige Früchte aus den tropischen Inselgärten, deren Düfte von Mango, Vanille und Jasminblüten verlockend herüberwehen, bilden den frugalen Abschluss. Untermalt von stilechtem Gitarre begleiteten Reggae-Gesang der Matrosen.
Doch dann hält sie nichts mehr, die Traumurlauber: ab an den korallenweißen Strand, der sich halbmondförmig zwischen zwei rostroten Felsklammern dehnt, malerisch von sattgrünen Kokospalmen gesäumt. Nicht umsonst gilt Beau Vallon als einer der schönsten Strände von Mahé. Das erkannte auch eine Reihe von Hotelbesitzern, die das Panorama für sich vergoldeten.
rechts: Hochzeitsreisende mit Blick in die Ferne
Im Ozean entspannen
Die israelische Tauchlehrerin Yali Evan Piekaski, aus Sicherheitsgründen als Begleiterin immer dabei, offeriert Schnorchelmasken und Flossen für jede Größe, „denn auch der Blick ins Wasser lohnt sich sehr“. Alle sind begeistert und zeigen es unter Wasser mit hochgerecktem Daumen. Wer mag, kann sich auch per bordeigenem Kajak lospaddeln und zum Baden den Strand ansteuern.
Die Schnorchler bekommen bei 28 Grad Wassertemperatur und gut tragendem Wasser nicht genug.
Doch irgendwann will jeder auch den Strand testen und sich von dem lauwarmen Ozean entspannen lassen. Bis sich gegen 18 Uhr allmählich der Himmel von Gelb über Orange bis Rot und Pink färbt: dramatischer Abschied der versinkenden Sonne. Als Vorhang schieben sich himmelhohe schwarze Wolken vor diese Kulisse, aus denen am Horizont dünne Regenfahnen wehen.
Was in der Zeit des Wechsels zwischen winterlichem Nordwest- und sommerlichem Südostmonsun immer mal wieder vorkomme, aber für Abkühlung und Wachstum sorge, so der Kapitän. „Zum Insel-Segeln ist diese Zeit mit dem kräftig und stetig wehenden Südostmonsun zwischen Mai und Oktober die beste“, meint er, „obwohl man zu jeder Zeit herkommen kann, besonders im europäischen Winter“.
Kreuz des Südens entdeckt
Über Nacht bleibt SEA STAR an der Kette. Das Barbecue-Abendessen überrascht mit Gegrilltem vom Land und aus dem Meer samt weiteren kreolischen Küchenkreationen samt krönendem Obstsalat mit Schuss. Schließlich fragt Kapitän Liam nach dem Befinden und verkündet das Programm für den nächsten Tag.
rechts: Die allabendlichen Informationen vom Kapitän
Der gemeinsame Abend klingt aus – ohne jegliches Programm. Dann kann man sich auf einer der beiden superbreiten Liegematten unter dem Fockmast vor der Brücke ausstrecken, den Kopf ins Genick legen, ein Gläschen Wein oder einen Mojito in die Hand nehmen und einfach nur in die Luft schauen.
Wenn dann jemand das Sternbild „Kreuz des Südens“ entdeckt, ist die Freude allgemein groß: „Das wollte ich immer mal sehen“, heißt es unisono. Hier draußen stört keine irdische Lichtverschmutzung, so dass die fernen Himmelsblinker so klar wie sonst selten zu beobachten sind.
Auch ohne weinselig zu sein schwanken die Sterne im Rhythmus des in der Dünung rollenden Seglers.
Für die nächsten sechs Tage verrät der online zugestellte Tagesablauf nichts. Dort ist nur äußerst knapp und unprosaisch zu lesen: „Overnight on Silhouette Cruises vessel“. Das war allen eigentlich klar, dass sie an Bord übernachten würden. „Nun ja“, meint Marco, der mit seiner Frau Stephanie auf Hochzeitsreise ist, „dann überlassen wir eben alles andere dem Käpten“.
Letzter Garten Eden
Der jedoch weiß genau, wo´s langgeht: zur Natur geschützten Insel Cousin mit ihren zutraulichen Vögeln und Riesenschildkröten, von denen George mit 165 Jahren der älteste ist, wie der Ranger verrät.
Nach Praslin mit dem „schönsten Strand der Welt“, der Anse Lazio, und dem von der UNESCO zum Welterbe erklärte Nationalpark Valle de Mai mit seinen Seychellennusspalmen samt ungewöhnlichen Doppelnüssen „Coco der Mer“, die an einen Popo erinnern.
rechts: Die gewaltigen Coco der Mer im Valle de Mai von Praslin
Alles in einer atemberaubenden Landschaft, von der es heißt, sie sei – wegen ihrer langen völligen Isolierung mit 50 Prozent endemischen Arten wie auch auf den übrigen Inseln – der „letzte irdische Garten Eden“. Per Hauptverkehrsmittel Fahrrad strampelt man zu den bizarr erodierten roten Granitfelsen in weißem Sand am Anse La Source A Jean von La Digue – der touristische Magnet mit seinen weltbekannten Postkartenmotiven; in der Nähe das Plantation House am Giant Rock, das mit seinen Schildkröten mit einer kleinen Copra-„Fabrik“ aufwartet und seltenen Vanille-Anbau zeigt.
rechts: Am Strand von La Digue
Im Hafen sieht man zudem, wie heute noch die Versorgung zwischen Mahé und den Inseln abgewickelt wird: mit wackligen kleinen Holzkuttern, die über und über beladen sind – mit Klopapier über Lebensmittel bis zu schweren Traktorreifen.
rechts: Typischer Versorgungsfrachter legt auf La Digue an
„All hands on deck!“ heißt das Kapitänskommando. Und schon hängen sich die Matrosen Erone Emmanuel und Gavin Onezime samt Host Robin Aglae in die Taue und ziehen mit aller Kraft: bis die vom Monsun geblähten Schratsegel die SEA STAR dahinrauschen lassen, wobei bedauert wird, dieses Bild nicht auch von außen sehen zu können.
Vom Traumstrand geblendet
Der Landgang auf Curieuse – zum Füttern der Riesenschildkröten sollte man Bananen mitnehmen, die lieben sie – wird zu einer kleinen Bergbesteigung, die durch Mangrovewald und über steinige Pfade führt.
Nach einstündigem dunklem Waldpfad wird man vom Weiß eines Traumstrandes regelrecht geblendet und nach schweißtreibender Wanderung zum sofortigen Baden verführt.
Vor dem gegenüber liegenden bergigen Praslin-Hintergrund und der türkis-tintenblauen See erkennt man ganz klein die ankernde SEA STAR.
Die Crew hat die Grill-Utensilien per Beiboot herübergeholt, so dass für ein leckeres Fisch-Fleisch-Gemüse Barbecue gesorgt ist.
St. Anne ist die letzte im Inselreigen.
Sie bietet noch einmal Baden und Schnorcheln satt an einem Privatstrand, wie Kapitän Liam es unterwegs auch gern mal macht: Ankern in einer idyllischen Bucht, von denen es scheinbar unendlich viele gibt,
und mit dem Boot an Land. Da werden Robinson-Gefühle wach.
Begegnungen gibt es nur im Flachwasser: mit Rochen und harmlosen Haien.
Drei ihrer Brüder bieten unterwegs Fischer an. Koch Nadee wetzt schon die Messer, auch wenn während der Fahrt geangelt wird und ein Bonito, der kleine, wohlschmeckende Thunfisch, dran zappelt.
Von St. Anne in Sichtweite von Victoria ist es nur ein nautischer Katzensprung in die heimische Marina. Ins Passagiers-Logbuch hat Kapitän Lian Thompson zur Reiseroute nur ganz nüchtern geschrieben: 135 Seemeilen. Davor müsste man noch (Traum-) setzen.
INFOS
Schiffsdaten SY SEA STAR; Typ: Dreimast-Schoner; gebaut 2002 in der Türkei; Masten geriggt in Israel; Länge: 40 m, Breite: 8,20 m, Tiefgang: 2,20 m; Verdrängung: 200 t; Segelfläche: 500 qm; Maschinen: 2 x 500 PS IVECO-Diesel, Geschw. 9 kn (max.);
Buchung: Silhouette Cruises Ltd; Email: cruises@seychelles.net; Internet: www.seychelles-cruises.com
Flüge: Qatar Airways (ab Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, München täglich) mit Zwischenlandung in Doha;
Reiseführer: Polyglott on tour: Seychellen;
Achtung, extrem wichtig: die rechtzeitige online-Beantragung einer Online-Einreisegenehmigung, sonst drohen hohe Expresszuschläge oder sogar Flugverbot; Näheres: www.seychelles.govtas.com; www.seychelles.com
Nebenkosten: Landegebühren (Inseln): 194,75 Euro, Eintrittsgelder Nationalparks, Fahrradmiete (jeweils rund 15 Euro); alkoholische Getränke an Bord: Wasser 0,5 l: 2 Euro; Softdrink: 2,50 Euro; Cocktail: 10 Euro; Glas Wodka: 6 Euro; Fl. Wein (0,7 l): 23 Euro; 1 Fl. Sekt (0,7 l): 26 Euro; 1 Fl. Champagner (0,7 l): 100 Euro; plus MwSt (15 %); nur Tee, Kaffee sind gratis, Leitungswasser hat Trinkwasserqualität.