CTOUR vor Ort in der Fontanestadt Neuruppin
„Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen. Das hab ich an mir selber erfahren und die ersten Anregungen zu diesen Wanderungen durch die Mark sind mir auf Streifereien in der Fremde gekommen“,
schreibt Theodor Fontane in dem Vorwort zu den „Märkische Wanderungen“, den wohl bekanntesten deutschen Büchern eines reisenden Journalisten und Schriftstellers. Er begann sie im Jahr 1861 in der Grafschaft Ruppin. An den Anfang stellte Fontane seine Beobachtungen in Neuruppin. Hier steht im Stadtzentrum die Löwen-Apotheke, in der er im Dezember 1819 geboren wurde.
Die Stadt feiert nun den 200. Geburtstag ihres berühmten Sohnes, untergehakt mit der Landesregierung in Potsdam und seinem Kultur-Establishment.
Journalisten von CTOUR wollten sich über eine erste Zwischenbilanz informieren und begaben sich in einer Tagesexkursion am 19. Juni auf die Spuren Fontanes.
Da nun der Dezember ein recht ungünstiger Monat ist, um ein Fontane-Jahr zu starten, fanden die Neuruppiner eine elegante Lösung, so Mario Zetzsche, der Projektleiter fontane 200. „Wir datierten den Beginn des Fontanejahres mit dem Einzug der Eltern von Fontane am 27. März in die Löwenapotheke und lassen dann unser Fontane-Jahr mit seinem Geburtstag am 30. Dezember enden.“ So wurde dann von März bis Dezember in Neuruppin und Brandenburger Landen das Fontane-Jahr ausgerufen. Bundespräsident Steinmeier hielt zur Eröffnung eine beeindruckende Rede über den Menschenkenner, Großschriftsteller und großen Journalisten Fontane (Sein Redenschreiber hatte einen guten Tag).
Die Stadt ist die Bühne
Die Neuruppiner haben mit der Würdigung eines ihrer großen Söhne, der andere ist der berühmte Baumeister der Preußen, Carl-Friedrich Schinkel, schon ihre Erfahrungen gesammelt. Im Jahr 1998, zum 100. Todestag von Fontane, gab es auch Gelegenheit zu Gedenken und Feiern. Doch da sei, wie mit kritischem Blick aus heutiger Sicht Projektleiter Zetzsche resümiert, ein elitärer Kreis von Experten eher unter sich geblieben. Das soll im Jahr 2019 anders sein. Nur ein kurzer Blick in die zahlreichen Veranstaltungsprogramme scheint das zu bestätigen.
„Die Stadt ist die Bühne. Die Bevölkerung identifiziert sich mit unserem Fontanejahr und nimmt rege an den öffentlichen Veranstaltungen teil“, freut sich Zetzsche.
Dazu zähle von ihm an erster Stelle genannt die Leitausstellung im Neuruppiner Museum mit dem Titel.“fontane.200/Autor“, die bis Ende Mai 9.000 Besucher zählte.
Der Autor dieses Beitrages wird sich mit dieser finanziell und personell gut ausgestatteten Ausstellung später in einem gesonderten Beitrag beschäftigen. Es finden Lesungen und Ausstellungen, Konzerte und Matineen ganz unterschiedlicher Couleur statt, vor dem Alten Gymnasium werden mit Hilfe von Schablonen Orte aus Fontanes Wanderungen auf das Pflaster des Schulplatzes gesprüht. Und für junge Leute haben sich die Neuruppiner Veranstalter etwas ganz besonderes einfallen lassen. Es wurde ein eigenes Computerspiel „word and play“ aufgesetzt und außerdem das Projekt „Dem Wort auf der Spur“ ins Leben gerufen. Dabei können Schülerinnen und Schüler der 1. bis zur 12. Klasse mit Hilfe von drei Programmbausteinen Schreibstoff sammeln, suchen und selbst zusammenstellen wie es auch der märkische Romancier getan hat. Sie können den Worten Fontanes in einer Stadtrallye durch die Innenstadt folgen und in einem Live-Escape-Game Rätsel um die Person des Autors lösen. Bisher haben, so Zetzsche, schon 5200 Jugendliche daran teilgenommen.
Geburtshaus in der Löwen-Apotheke
Die Stadtführer haben im Fontane-Jahr in Neuruppin Hochkonjunktur. Der Beste von ihnen, wie sich Wolfgang Trenkler mit Augenzwinkern vorstellt, kommt auch bei hochsommerlichen Temperaturen im schwarzen Ausgehrock mit Zylinder daher. Schließlich führt er als Theodor Fontane seine Gäste durch seine Geburtsstadt. Dieses Mal ist der Ausgangspunkt seiner Fontane-Tour im Predigerwitwenhaus in der Fischbänkenstrasse. In dem aufwendig restaurierten Fachwerkhaus aus dem Jahr 1736, in dem auch lange Jahre die Mutter von Theodor Fontane Emilie und die Schwester Jenny wohnten, hat heute der Touristenverband Ruppiner Seenland seinen Sitz. Der Rundgang mit Fontane durch seine Heimatstadt führt zum Kirchplatz, wo auch das Denkmal für Carl Friedrich von Schinkel steht. Auf dem Platz erhebt sich die Kulturkirche Neuruppin.
Das einstige Gotteshaus aus dem 13. Jahrhundert wurde durch den Stadtbrand 1787 zerstört und Anfang des 19. Jahrhunderts als Pfarrkirche St. Marien mit quer gelagerter Saalkirche wieder errichtet. Seit 2002 ist sie das prachtvolle Kultur- und Kongreßzentrum der Stadt.
Schließlich gelangt die Führung vor die Tür von Fontanes Geburtshaus, die damalige wie heutige Löwen-Apotheke. Die Frage allerdings, ob der jetzige Eigentümer das Geburtshaus, die Löwen-Apotheke, der Stadt verkaufen und so den Besuchern einen zusätzlichen Wallfahrtsort für Fontane-Fans schaffen würde, konnte auch Stadtführer Fontane nicht beantworten.
Provinzialstadt der Öde und Leere
Der Weg auf den Spuren Fontanes führte weiter über den Schulplatz bis zum Tempelgarten. Hier erhebt sich der Apollo-Tempel, den der junge Friedrich der Große von seinem Freund, dem Baumeister Knobelsdorff errichten ließ. Im 19. Jahrhundert wurden Tempel und Garten umgebaut, erhielten durch die neuen Besitzer, die Familie Genz, eine maurisch-orientalische Architektur mit einem Gartenhaus. Das alles ist in den Märkischen Wanderungen nachzulesen. Wobei Theodor Fontane, wie er zugegeben hat, auch seiner Mutter konkrete Aufträge erteilte, um für seine Kapitel über die Grafschaft Ruppin Informationen zu sammeln. Manche Historiker meinen sogar, dass Fontane bei seinen Texten über die Ruppiner Grafschaft seine Mutter als Co-Autorin hätte nennen können. Ansonsten fällt der große Fontane über die „kleine Provinzialstadt“ Neuruppin manches harte Urteil.
“Sie gleicht einem auf Auswuchs gemachten großen Staatsrock, in den sich der Betreffende, weil er von Natur klein ist, nie hineinwachsen kann. Dadurch entsteht eine Öde und Leere, die zuletzt den Eindruck der Langeweile macht.“
Solche Urteile kann der heutige durchaus belesene Fontane Wolfgang Trenkler zwar bestätigen, will sie aber nicht kommentieren.
Der frühere Stadtarchitekt von Neuruppin Karl Ullrich Wahnschap ergänzt, dass besonders nach der Wende die Chance genutzt wurde, viele alte Fachwerkhäuser und eine Reihe historischer Haustüren zu retten. Je mehr alte Häuser in der Fontanestadt renoviert werden, desto stärker fallen noch unverputzte verfallene Fassaden ins Auge.
Oft können sich, so Wahnschap, mehrere Mietparteien nicht finanziell über die Rekonstruktion und die Renovierung einigen. Trotz solcher Einzelfälle hat sich Neuruppin gut herausgeputzt, so Architekt Wahnschap. Darüber sei er sehr froh und sicher wäre es Theodor Fontane auch.
Mittlerweile gibt der Fontane Wolfgang Trenkler seinen Gästen ein anderes Zitat über das Glück mit auf den Weg.
„Gott, was ist Glück; eine Grießsuppe, eine Schlafstelle, keine körperlichen Schmerzen – das ist schon viel.“
Fontane-Ampel bei den Preußen
Auf dem Weg zum Neuruppiner See kommen die Besucher am Fontaneplatz an einer Ampelanlage vorbei. Der Künstler Max-Otto von Stoye hat im Auftrag der Stadt ein neues Ampelsymbol geschaffen. Da kommt bei Grün und Rot kein Männchen, sondern ein Wanderer mit Stock daher. Die Figur vom wandernden Fontane ist schwer erkennbar, aber offensichtlich gemeint. Mit großem Aufwand wurde für diese erstmalige Aktion in Preußen bei den Verkehrsbehörden dazu extra eine Genehmigung für Sonderzeichen erwirkt. Sie ist aber nur bis Dezember 2019 gültig. Und dann? Hier scheint die gegebene Ordnung noch zu funktionieren. Theodor Fontane kannte seine Preußen.
Fontane-Therme mit Heilquelle
Ein Markenzeichen der Fontane-Stadt ist ihr vier Sterne Superior Hotel Resort Mark Brandenburg, idyllisch gelegen an der Uferpromenade mit einem wunderschönen Blick auf den Neuruppiner See. Alle diejenigen, die sich noch an die Zeiten erinnern, als dieses Areal nach 1945 hinter einem hohen blauen Zaun vier Jahrzehnte als Kaserne der Sowjetarmee genutzt wurde und erst recht all jene, die nach dem Abzug des Militärs noch die Hinterlassenschaften vor Augen haben, kommt die 2006 erbaute Anlage sowieso wie ein Wunder vor.
Besonders stolz ist die von Beginn an agierende Direktorin Martina Jeschke auf die Fontane-Therme. Sie wird von einer 1.700 Meter tief liegenden Naturheilsole gespeist. Diese staatlich zertifizierte Heilquelle erweist sich als ein wahrer Schatz. Sie liefert unerschöpflich reinste, jodhaltige Sole mit hohem Steinsalz- und Calciumsulfat-Gehalt.
Und was die Fachwelt besonders hoch bewertet, der Sole-Gehalt ist gelöst in nichts als Regenwasser im Grund. Das Bad im Thermalwasser entspannt sowohl durch die eigenen Bewegungen als auch durch den Auftrieb der Sole. Neben dem Bad in der Naturheilsole können die Besucher diese auch durch eine Ultraschallvernebelung im Kräuter-Dampfbad inhalieren.
Naturheilsole heizt das Resort
Und auch ökologisch ist das Resort ganz vorn. Durch die tiefen Lagerstätten wird die Sole mit einer Temperatur von etwa 63 Grad gefördert. Mit dieser Heizung der Natur kann knapp Zweidrittel der gesamten Wärmeversorgung der Anlage übernommen werden. Und schließlich eine weitere äußerst selten anzutreffende Besonderheit der Saunalandschaft. Am Ufer wurde eine über Holzstege erreichbare schwimmende Sauna zu Wasser gelassen. Die Seesauna lädt auf 70 Quadratmetern hinter großen Glasfassaden nicht nur zum Schwitzen ein, sondern zu jeder Jahreszeit ist auch der Einstieg in den Neuruppiner See erlaubt.
Das Hotel mit seinen 130 Zimmern in fünf verschiedenen Kategorien gilt auch als der „Erfinder“ des Bademantel-Ganges, bei dem die Gäste bequem im Bademantel von ihren Zimmern direkt die Therme mit den Saunen erreichen. Eine Jahresauslastung von 70 Prozent der Zimmer, so Direktor Jeschke, spreche dafür, dass die Gäste aus der Region und besonders aus Berlin gern in Fontanes Therme kommen. Bei solchen Zahlen treten Hoteliers in Berlin sicher die Tränen in die Augen.
Fontane-Menü: Perlhuhn mit Gemüse
Für das gute Image des Hauses sorgt auch der Küchenchef und kulinarische Leiter aller Sachen rund um Tisch und Pfanne Matthias Kleber. Der ehemalige Teamchef der Deutschen Nationalmannschaft der Köche ist ein Vollblut-Gourmet. Der Einsatz von Produkten aus der Region hat für ihn absolute Priorität. Ob Hühner, Enten und Gänse vom Bauernhof aus Dabergotz, Fleisch vom Linumer Wiesenkalb oder Ruppiner Weidelamm aus Hakenberg oder Spargel vom Spargelhof in Baselitz, der Gast kennt exakt die Adressen der bäuerlichen Lieferanten und kann dort auch vorbei schauen.
Zu den neuen Konzepten von Kleber gehören die Tischgeschichten aus Topf & Pfanne.
An einem extra großen echten rustikalen Holztisch für 12 Personen mitten im Restaurant und mit dem Blick auf die Show-Küche wird eine Reise durch die Genussregion Ruppin veranstaltet.
Das Essen dient dabei als Kommunikationsmittel, teilweise z.B. beim Dessert ist aktive Mitarbeit gefragt. Eine „familiäre Runde“ findet sich zusammen.
Natürlich steht im Jahr des berühmten Sohnes der Stadt auch ein Fontane-Menü auf dem Speiseplan.
Es beginnt mit einer Süßwasser Bouillabaisse unter der Blätterteig-Haube mit Flusskrebsen, Zander, Hecht,Wels, Forelle und Wurzelgemüse. Der Hauptgang ist ein Perlhuhn mit Gemüse. Und zum Dessert wird Mutter Fontanes Brotpudding serviert u.a. mit in Portwein pochierter Birne, Aprikosenmarmelade und Ingwer Schmand. Theodor Fontane hätte sicher seine Freude daran.
Moderne Kunst und Theodor Fontane
Aus den vielfältigen Ausstellungen rund um den märkischen Dichter ragt der im Jahr 2012 eröffnete Kunstraum Neuruppin im Zentrum der Stadt heraus. Diese zeitgenössische Kunst-Galerie, entstanden durch das private Engagement von Johannes Bunk ohne jedwede staatlichen Zuschüsse, zeigt jetzt bis zum 17. November Arbeiten von zehn Künstlerinnen und Künstlern unter dem Motto: “Fontaneana“. In einer Vielfalt von Formen und Materialien, Zeichnungen und Malerei, Relief und Fotografie nähern sich die Künstler Person und Werk von Fontane. Wer zu viele Vorbehalte gegen moderne Kunst besitzt, kann hier getrost einen Teil davon abtragen. Eine überraschende wie originelle Arbeit ist von dem gelernten Steinmetz Johannes Senf unter dem Titel “Dreiviertel meiner literarischen Zeit ist überhaupt korrigieren und feilen gewesen.“
Senf widmet sich dem Korrekturlesen der Korrekturfahnen und wählte 35 Zeichen aus dem System der deutschen Korrekturschrift für sein Ausstellungsprojekt aus. Gleichfalls direkt und stark den Betrachter ansprechend ist die Hommage von Gerhard Hopf an Theodor Fontane. Der Diplom-Fotograf und Absolvent der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig schuf eine Reihe von schwarz-weiß-Fotos über vorwiegend Brandenburger Landschaften, die von Motiv-Auswahl und Machart so erscheinen, als ob sie zu Fontanes Zeiten entstanden sind. Ab November hat der gut vernetzte Galerist Bunk eine Ausstellung mit Grafiken und Zeichnungen von Günter Grass in Vorbereitung. Darunter sollen sich hauptsächlich Grafiken zu seinem 1995 erschienenen Roman „Ein weites Feld“ befinden. Der Titel des Grass-Romans geht auf den Schlusssatz des Romans „Effi Briest von Theodor Fontane zurück. Effis Vater äußert darin die Worte: „Ach Luise, laß … das ist ein zu weites Feld.“
Der Rundgang auf den Spuren Fontanes in Neuruppin kann an einem Tag leider nur einiges wenige von den interessanten Schätzen um den märkischen Dichter entdecken. Dazu zählt sicher auch ein ausführlicher Besuch der Gaststätte „Klosterhof“ in der Altstadt (Mittwoch Ruhetag). Hier hat der Inhaber Marco Lepin gemeinsam mit seinem Hausmeister und einem Tischler den Schreibtisch von Theodor Fontane stilgerecht nachgebaut und sehr vieles andere für seine Gäste zusammen getragen. Die Fontane-Stadt Neuruppin hat jede Menge zu bieten, immer wieder auf den Spuren von Fontane zu wandern. Es lohnt sich.
Fotos: Hans-Peter Gaul (7) , Ronald Keusch (6) , Resort Mark Brandenburg (1)
Fontane- Zitate aus: Von Rheinsberg bis zum Müggelsee-Märkische Wanderungen Theodor Fontanes; Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1971
Weitere Informationen:
www.fontane-200.de ; www.resort-mark-brandenburg.de ; www.tempelgarten.de ;
www.kunstraum.de ; www.neuruppin-klosterhof.de
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