An der Hochschule Stralsund kann man lernen, wie man Urlauber anlockt und für ihr Reiseziel begeistert. Leisure and Tourism Management (LTM) nennt sich der Studiengang. Dr. Peer Schmidt-Walther ist Dozent im Fach Maritime Tourism (MT) und betreut jedes Sommersemester ganz praxisnah rund zwei Dutzend Studenten. Hans-Peter Gaul sprach mit ihm.
Paddeln, Hausboot oder Flusskreuzfahrtschiff fahren, die Insel Vilm oder das NDR-Wetterstudio auf Hiddensee besuchen – Ihr Kurs im Fach Maritime Tourism (MT) ist Teil des Studiengangs Leisure and Tourism Management (LTM) und wirkt wie ein toller Ostsee-Urlaub. Auch fürSie?
Klar, zumal ich Kanute und Ruderer bin. Auf dem Wasser erhole ich mich von der Arbeit am PC oder nach langen Seereisen. Die Exkursionen mit den Tourismus-Studenten sind trotzdem Arbeit für sie und mich, vor allem die Organisation vorab. Aber ich genieße dann auch das Ergebnis in Form einer kleinen Auszeit und nehme dabei immer wieder Anregungen mit für mich selbst und für das nächste Semester.
Und was sagen die Studenten?
Für sie ist es eine Abwechslung zur alltäglichen Hörsaal-Theorie. Sie sind vor allem begeistert von den Möglichkeiten, die das Wasserland Mecklenburg-Vorpommern bietet. Aber auch in beruflicher Hinsicht, denn schon mache(r) hat auf diese Weise eine Praktikums- oder gar eine Arbeitsstelle bekommen. Ob an Bord eines Kreuzfahrtschiffes oder bei Cruise Unternehmen, in einer Pressestelle oder einer Tourismusorganisation. Nach einem Törn auf dem Segelschulschiff „Greif“ zum Beispiel melden sich jedes Mal Studenten als freiwillige Deckshelfer „Hand für Koje“. Oder es ergibt sich daraus eine Haus- oder gar Bachelorarbeit in Form einer Marketingstudie.
LTM ist ein Studiengang mit NC. Gibt es denn so viel Andrang?
Ja, und zwar von Beginn an. Zeitweise bewerben sich bis zu 200 junge Leute. Den Studiengang gibt es im nächsten Jahr 20 Jahre. Zum Wintersemester, für das man sich noch bis zum 19. Juli bewerben kann, werden letztendlich 50 Studenten immatrikuliert.
Welche Voraussetzungen braucht man als Student? Muss man verhandlungssicher Schwedisch, Finnisch und Dänisch oder Plattdeutsch sprechen? Muss man Segeln können? Tauchen? Heringe angeln? Oder Kiten?
Das muss man alles nicht können, aber das Abitur oder die Fachhochschulreife oder einen Meisterabschluss bzw. eine gleichgestellte berufliche Fortbildungs- oder Fachschulprüfung in der Tasche haben. Auch über eine Zugangsprüfung kann man an einen Studienplatz kommen. Auf jeden Fall sollte man sich für den Freizeit- und Tourismusbereich sowie Betriebswirtschaft interessieren.
Woher kommen die Studenten?
Aus ganz Deutschland. Es ist ein internationaler Studiengang mit vielen beruflichen Perspektiven, der junge Leute besonders anzieht.
Wie lange dauert das Studium, und als was schließt man den Studiengang ab?
Es dauert acht Semester und schließt nach einer wissenschaftlichen Hausarbeit samt mündlichem Examen mit dem Bachelor of Arts ab.
Als was/in welchen Bereichen können die Absolventen später mal arbeiten?
Der Vorteil dieses Studienganges ist sein breites Fundament: Neben wirtschaftlichen Kompetenzen werden auch psychologische, rechtliche, geografische und sprachliche Fertigkeiten vermittelt, um die Absolventen optimal darauf vorzubereiten, nicht nur bei nationalen und internationalen Reisveranstaltern, Tourismusverbänden und -organisationen verantwortliche Positionen zu übernehmen, sondern auch im Event-, Sport-, Marketing- oder Automobilbereich und in sämtlichen Beschäftigungsfeldern der Betriebswirtschaftslehre. Manche ehemalige LTMer haben sich selbstständig gemacht oder agieren als unabhängige Berater in der Tourismuswirtschaft. Oder sie setzen noch ein Masterstudium auf ihren Bachelor.
Gibt es viele Abbrecher?
Die Abbrecherquote ist vergleichsweise niedrig, was sicherlich mit den kleinen Studiengruppen und der guten Betreuung zu tun hat.
Was sind Ihre wichtigsten Lehrinhalte im Fach Maritime Tourism?
Es geht mir darum, den Studenten während der zahlreichen Exkursionen im näheren und weiteren Umfeld der Hochschule die vielfältigen touristischen Möglichkeiten des „Wasserlandes“ Mecklenburg-Vorpommern in der Praxis aufzuzeigen. Dazu gehören zum Beispiel eine Paddeltour auf der Peene; ein Segeltörn auf der „Greif“, dem Flaggschiff des Landes, wobei beim Segelsetzen und -bergen mit angepackt und in die Masten geklettert wird; die Besichtigung einer renommierten Yachtwerft in Greifswald; Fahrt mit der Weißen Flotte zur Insel Hiddensee mit Einführung in die Wetterkunde durch den NDR-Meteorologen und ein Ínselrundgang unter Führung einer Expertin; die Fahrt mit einer Scandlines-Fähre von Rostock nach Gedser und zurück samt Schiffs- und Brückenführung; der Besuch des Stralsunder Ozeaneums, der „Gorch Fock“ und die Hafenrundfahrt mit einer Barkasse zu den nautischen Besonderheiten des Sunds; in Rechlin sehen sie den Bau eines Hausbootes und informieren sich über die Möglichkeiten dieser beliebten Urlaubsform, stehen selber am Ruder und fahren dabei verschiedene Manöver auf Deutschlands größtem See. Learning by doing steht hier ganz obenan, damit eng verbunden sind Erlebnisorientierung und Selbsterfahrung.
Werden die Inhalte auch abgefragt, gibt es Klausuren oder ähnliches?
Bei diesem, meinem Fach nicht mit Noten. Es ist ein Wahlmodul und zielt vor allem auf die praktische Anwendung und Umsetzung maritimer Besonderheiten ab. Gleichwohl müssen die Studenten am Ende einen zwei- bis vierseitigen Exkursionsbericht vorlegen. Ohne den wird die Veranstaltung nicht anerkannt.
Kann man so etwas ähnliches wie Leisure and Tourism Management (LTM) auch woanders in MV studieren? In Rostock? Greifswald? Wismar? Neubrandenburg?
Nein, nicht an einer öffentlichen Hochschule.
Und woanders in Deutschland?
Es gibt viele Tourismusstudiengänge in Deutschland. Aber nicht jeder wird größtenteils in englischer Sprache unterrichtet, hat ein Auslands- und Praxissemester verpflichtend im Curriculum und bietet neben der spanischen und der französischen Sprache Schwedisch an. Mein Fach Maritimer Tourismus wird tatsächlich nur von der direkt am Wasser liegenden Hochschule Stralsund (HOST) Stralsund angeboten, die damit ein Alleinstellungsmerkmal aufweist.
Welche Qualifikation brauchten Sie, um diesen Kurs zu betreuen?
Für einen Hochschullehrer ist im allgemeinen die Promotion verpflichtend. Wünschenswert ist aber auch eine pädagogische Ausbildung mit Unterrichtstätigkeit in der Erwachsenenbildung. Auf all das kann ich verweisen. Hinzu kommen umfangreiche maritime Erfahrungen aus meiner Zeit bei Binnen- und Handelsschifffahrt, Fischerei und Marine.
Fotos: Peer Schmidt-Walther