Eine Rundfahrt durch katalonische
Provinzen
Von Margrit Manz
Am 28. November 2022 hatte der Reisedepeschen Verlag anstelle des konsumorientierten Black Friday zum Book Friday eingeladen, einem Abend mit katalanischen Tapas und Cava im Wildhood Store Berlin. Anlass war die Buchpremiere von „Grand Tour von Katalonien“ der Autorin Nicole Biarnés. Um es gleich vorneweg zu sagen, bei diesem Anlass hat alles gestimmt: der gastliche Ort, die temperamentvolle Autorin und ihr Thema.
„Das ist mein Katalonien“
Nicole Biarnés lebt seit über 20 Jahren in der Nähe von Barcelona, wo sie als Reisebloggerin und Autorin arbeitet.
In ihrem Blog „Freibeuter Reisen“ erzählt sie seit 10 Jahren von ihrer
Wahlheimat, von ihren täglichen Entdeckungen, z.B. den lokalen Spezialitäten. Ohne vor Ort einen Blick in die Kochtöpfe zu werfen, lässt sich keine Region wirklich kennenlernen und ihre Kultur verstehen.
Bild links: Lesung mit Nicole Barnés
Liebe geht durch den Magen und in Katalonien findet sich immer ein Grund, gemeinsam zu essen. „Die Küche ist die Landschaft im Kochtopf“, übersetzt die Autorin einen alten Spruch. Sie ist sich sicher, dass regionale Produkte viel mit der Kultur zu tun haben.
Im September und Oktober dreht sich in Katalonien alles um den Wein und die Weinernte. Berühmt ist das Trinken aus dem Schnabelkrug, dem Porró [puˈro]. Er fasst üblicherweise einen 3/4 Liter und das Trinken daraus muss wirklich geübt werden: Also, den Kopf in den Nacken legen, das Gefäß über den Kopf heben und in Richtung Mund neigen. Wenn alles gut geht, schießt der Wein jetzt in einem dünnen Strahl aus dem Trinkrohr direkt in den Mund. Meist ist mehr als ein Versuch nötig.
In Katalonien gibt es viele Legenden, die wie alle Legenden einen wahren Kern haben. Erzählt wird zum Beispiel von einer Schwarzen Madonna im heutigen Kloster Montserrat. Um 880 soll sie von einigen Schäferjungen in einer Höhle des Gebirges Montserrat gefunden worden sein.
Doch als der damals zuständige Bischof sie nach Manresa transportieren lassen wollte, vermochte keiner der Helfer sie anzuheben. Der Bischof sah dies als Zeichen, dass die Madonna an Ort und Stelle bleiben wollte.
Und so beauftragte er den Bau der Eremitage Santa Maria am Ort des heutigen Klosters.
Die Schwarze Madonna ist die Schutzheilige Kataloniens geworden. Warum ihre Farbe schwarz ist, obliegt vielen Deutungen. Belegt ist lediglich, dass sich im Nordosten Kataloniens die Wege der Juden, Christen und Mauren kreuzten. Vielleicht ist sie von einem der Handelsreisenden mitgeführt worden.
Bild rechts: Die Schwarze Madonna von Montserrat
(Montserrat © Juan José Pascual)
Nicole Biarnés wollte keinen Reiseführer durch Katalonien schreiben, sondern den Leser auf eine ganz persönliche Tour zu ihren Lieblingsorten mitnehmen. Als Goethe seine zweijährige Reise durch Italien machte, hatte er Katalonien nicht gekannt, sagt sie, sonst hätte er genauso von Katalonien geschwärmt, wie von Italien. Dann hätte sein berühmtes Zitat so gelautet: „Spanien ohne Katalonien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem.“ Die Autorin ist auf ihren Reisen durch die Region so vielen interessanten Menschen begegnet. Allen zusammen sind gesunder Menschenverstand, pragmatischer Ordnungssinn und eine verrückte Leidenschaft eigen.
„Man kann unendlich viel lernen, wenn man offen für Neues ist und freundlich auf andere zugeht“,
sagt sie.
Zu den verrückten Leidenschaften zählen ganz sicher die Menschenpyramiden, die in Valls in der Nähe von Tarragona ihren Ursprung haben.
Diese „Castells” sind eine volkstümliche Tradition, bei der sogenannte menschliche Türme mit sechs bis zehn Etagen gebildet werden. Auf die Schultern der Untenstehenden steigen immer mehr Kletterer hinauf, bis die Pyramide eine für den Betrachter bedenkliche Höhe erreicht hat.
Bild links: Castell – Menschentürme (PTDT © Joan Capdevila Vallve)
Von der UNESCO wurde die Pyramide längst in das Immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen.
Auch die Feuerrituale, die beim Fest zur Sommersonnenwende begangen werden haben eine lange Tradition. Je nach Brauch der entsprechenden Ortschaft geht man vom höchsten Punkt des Ortes abwärts durch die Straßen und zeichnet dabei mit brennenden Fackeln („fallas“) Formen in die Luft. Später wird dann ein großes Johannisfeuer entfacht, das besonders in den Regionen Alta Ribagorza, Berguedá, Pallars Jussà, Pallars Sobirá und Val d’Aran verbreitet ist. Alle diese Riten werden von einer Generation an die nächste weitergegeben und symbolisieren u.a. bei den Teilnehmern auch den Eintritt ins Erwachsenenalter.
Nicole Biarnés ist kein Neuling in der Literatur. Von ihr ist bereits „COSTA BRAVA UND GIRONA mit Geheimtipps“ erschienen. www.freibeuter-reisen.org
Jetzt ist im handlichen DIN A5 Format, aus recycelten Kaffeebechern hergestellt, mit einem Cover des Künstlers Henry Rivers, ein Büchlein über Katalonien herausgekommen. Es erzählt von wunderschönen Bergdörfern, versteckten Klöstern und geschichtsträchtigen Ruinen, üppiger Natur und romantischen Bergseen:
GRAND TOUR VON KATALONIEN
mit Geheimtipps von Nicole Biarnés
24,00 €
Zwischen den Buchdeckeln ist Reiselust
Der Reisedepeschen Verlag, gegründet von Marianna Hillmer und Johannes Klaus hat unterdessen 21 Reisebücher vorzuweisen. Beiden hat die nie versiegende Reiselust geholfen, mit Kreativität und Initiative, auch schwere Zeiten in der Verlagsbranche durchzustehen. Und natürlich braucht man, wie alle kleinen Verlage, auch hierbei Unterstützung. Das Buch über Katalonien ist zusammen mit dem Catalan Tourist Board in Frankfurt am Main entstanden.
Der Verlag hat seinen Sitz in Berlin. Anfangs hatten sich die Verleger dem Genre „Reisebericht“ verschrieben, wohl wissend, dass es ein flüchtiges ist. Seit 2013 haben sie einen Reisedepeschen-Blog eingerichtet, auf dem einige handverlesene Autoren besonders lesenswerte Reiseberichte, Fotos und Videos veröffentlichen. Und immer geht es um Geschichten, die dem Leser, Zuhörer und Zuschauer einen Teil der Welt näherbringen. Jedes Buch soll Lust machen, sich selber auf Reisen zu begeben. Das liegt den Herausgebern am Herzen.
Die Verlagsgründung haben Marianna und Johannes aus privaten Mitteln stemmen müssen und die ersten drei Bücher entstanden 2018 durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. Zwischen die Buchdeckel gepresst, haben die Reiseberichte nichts an ihrer Lebendigkeit verloren. Die Themen der Bücher reichen von „TIROL FÜR ALLE JAHRESZEITEN mit Geheimtipps von Mela Hipp“ über“IM PAMIR von Priska Seisenbacher bis zu Simone Harres „CHINA, WER BIST DU?“ In der Verlagsbranche eher eine Seltenheit, daher sei hier extra darauf hingewiesen: Der Verlag freut sich über Nachrichten, ob per Mail, per Brieftaube oder Telefon.
Reisedepeschen: Reiseblog und Verlag für Reisebücher und
Reiseführer
„Es gibt nicht nur Sonne und Meer“
Es gibt wirklich so viel mehr zu entdecken, als die Metropole Barcelona oder die schönen Strände am Mittelmeer.
Die Direktorin des Catalan Tourist Board Central Europe Montserrat Sierra verweist auf den Natur- und Aktivtourismus, auf den Wein- und Sporttourismus, auf Golfreisen und Wandern. Zu werben sei immer in Richtung spendabler Besucher, damit die Regionen in ihrer Einzigartigkeit überleben, sagt sie augenzwinkernd. In einem kleinen Film wird die Grand Tour de Catalunya vorgeführt, die den Besucher inspirieren soll, Geschichte, Kunst, Gastronomie, Traditionen und Landschaften der Region individuell zu entdecken: So kann man gleichsam neun touristische Regionen Kataloniens bereisen, Werke von Gaudí und Dalí sehen, das umtriebige Barcelona besuchen, in einfache Dörfer hoch hinauf in die Pyrenäen fahren, ebenso in das Ebrodelta, sowie in das Landesinnere der Terres de Lleida und an die Küsten der Costa Daurada und Costa Brava. Natürlich kommen die Spezialitäten der katalanischen Gastronomie zum Zuge, vom einfachen Tomatenbrot pa amb tomàquet bis hin zur Sterne-Küche mit exzellenten katalanischen Weinen. Die Direktorin hat mit ihrer begeisterten Erzählung auch den letzten Zweifler im Publikum gepackt. 2023 kann kommen, das Urlaubsziel ist klar.
Draußen im Glück
Last but not least, soll das kleine Lädchen, der WILDHOOD Store, erwähnt werden, der alles anbietet, was man braucht, wenn man gerne draußen ist. Von Rucksäcken und Fahrradtaschen, Brotdosen und Trinkflaschen, bis zu Büchern und Magazinen, alles fürs campen oder zelten und viele andere Dinge sind in den Regalen zu finden „Um draußen im Glück zu sein, braucht es nicht viel“, sagen die Wildhooder, aber das wenige sollte gut ausgewählt sein.
Fotos: Catalan Tourist Board Central Europe, Reisedepeschen Verlag
Margrit Manz ist Journalistin und Redakteurin mit Themenschwerpunkt China. Seit über 20 Jahren berichtet sie über Wirtschaftsbeziehungen und Kulturaustausch, informiert über Tourismus und regionale Küche, rezensiert neue Bücher. Ihre Texte werden regelmäßig in Print- und Online-Magazinen in Deutschland und der Schweiz veröffentlicht, u.a. im Magazin RUIZHONG der Gesellschaft Schweiz-China und auf der Internetplattform China Report https://manz-chinareport.com/ Sie ist Mitglied beim Club der Tourismus-Journalisten CTOUR.