Wo Touristen willkommen sind – aber nie die Hauptrolle spielen
Natürlich sollte man einmal im Leben Rom gesehen haben. Oder auch Venedig. Und Toskana-Freunde schwärmen zu Recht von Florenz und Siena. Aber wer das wahre Italien kennenlernen möchte, reist nach Perugia, Orvieto, Gubbio und Spoleto. Perugia ist die Hauptstadt der Region Umbrien (wobei eine Region in Italien auch eine Verwaltungseinheit ist, ähnlich einem Bundesland in Deutschland).
Umbrien steht für das ursprüngliche, teils noch bäuerliche, an manchen Orten auch sehr einfache Italien. Auf jeden Fall geht es hier nicht vordergründig touristisch zu: die Zahl der Besucher hält sich in Grenzen, die Wirtschaft ist bis auf ein paar (durchaus erfolgreiche) Industrieunternehmen vor allem auf bäuerliche Landwirtschaft, Olivenanbau sowie Wein- und Ölproduktion ausgerichtet. Erst dann folgt der Tourismus – auch in der materiellen Wertschöpfung.
Und so lernen manche Gastgeber, Weinbauern oder auch
Agrokulturbetreiber in Umbrien gerade erst, sich auf die Wünsche von Touristen einzustellen.
Hier ist nichts vollkommen.
Hier ist alles authentisch.
Genau dies ist für Besucher äußerst reizvoll – wenn man sich darauf einlässt.
Bodenständige Küche, ausgezeichnete Weine, bestes Olivenöl
Umbrien ist ein Landstrich der Ausgewogenheit. Hier hat jeder Ort eine unverwechselbare Identität, die das Ergebnis jahrtausendealter verschiedener Kulturen ist. Allerorten haben sie ihre Spuren und zeitlose Meisterwerke hinterlassen: zuerst die Umbrer, Etrusker, Sabiner und Römer, später dann die außergewöhnlichen Epochen des Mittelalters und der Renaissance.
Bäuerlicher Verstand hat die Umwelt geduldig gestaltet: Die Ebenen wurden trockengelegt, das Land urbar gemacht. Heute gibt es hier hervorragende, international ausgezeichnete Weine und Olivenöl höchster Qualität.
In Umbrien reicht es, nur wenige Kilometer zurückzulegen, um auf unberührte Natur, jahrhundertealte Buchenwälder, versteckte Grotten oder sagenumwobenen Schlösser zu treffen. Und auch wenn Umbrien keine Küste besitzt, ist es reich an Wasser: in Form von Bergquellen und -seen, von Flüssen, die gewaltige Felsschluchten aushöhlen, von Sümpfen und Staubecken.
Auf einem Hügel von unregelmäßiger Form liegend, ist PERUGIA die größte Kunststadt Umbriens. Nahezu alle ihre Schmuckstücke liegen in der Altstadt. Perugia hat ca. 170.000 Einwohner und ist auch die Hauptstadt der gleichnamigen italienischen Provinz.
Das auf dem 500 m hohen Berg thronende, historische Stadtzentrum, mächtige Stadtmauern, eine 3000 Jahre alte Geschichte und viele imposante Bauwerke machen die Stadt zu einem sehenswerten Reiseziel.
Besonders ist die Rocca Paolina – eine unterirdische Stadt. Sie war ursprünglich eine Festungsanlage. Deren Bau hatte Papst Paolo III. um 1540 in Auftrag gegeben, um seine päpstliche Macht und Stärke gegenüber den Bürgern zu demonstrieren. Für den Bau der Festung wurde damals eine ganze Nachbarschaft dem Erdboden gleich gemacht, um das dadurch entstehende Material für den Bau der riesigen Festung zu nutzen.
Im 19. Jahrhundert wurde die von den Bürgern verhasste Festung endlich abgerissen.
Unterhalb der Stadt existieren heute nur noch einige Teile der ehemaligen Nachbarschaft und des Fundaments der Festung. Sie dienen als unterirdischer Weg in das Stadtzentrum sowie als Veranstaltungs- und Ausstellungsräume.
Der Platz Piazza IV Novembre ist das monumentale und soziale Zentrum Perugias. Er gilt als einer der schönsten und wichtigsten Stadtplätze Italiens.
Dort befindet sich auch der beeindruckende Brunnen Fontana Maggiore. Er wird durch mehrere Aquädukte mit dem Wasser vom drei Kilometer entfernten Berg Monte Pacino gespeist. Der Fontana Maggiore gilt als einer der berühmtesten mittelalterlichen Brunnen Italiens. Von den Einwohnern der Stadt wird er als schönster Brunnen der Welt bezeichnet. Sowohl tagsüber als auch abends ist der Platz ein beliebter Treffpunkt der Einheimischen und Austragungsort vieler Festivals und Veranstaltungen.
Ebenfalls an der Piazza IV Novembre befindet sich der Palazzo dei Priori (Priorenpalast bzw. Palast der Stadtoberen) mit vielen interessanten Zimmern und Sälen wie dem Versammlungssaal der Stadtoberen, dem Handelskollegium und dem Audienzsaal.
Darüber hinaus beherbergt der Palazzo dei Priori auch die Galleria Nazionale dell’Umbria (Nationalgalerie von Umbrien), ein Kunstmuseum, in dem man Werke verschiedener Künstler der Renaissance z.B. Perugino und Pinturicchio bewundern kann.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Piazza IV Novembre steht eine Statue von Papst Julius III., der Anfang des 16. Jahrhunderts in Perugia studierte und später Gouverneur und päpstlicher Legat der Stadt war. Hinter der Statue erhebt sich der dem heiligen Laurentius gewidmete Dom von Perugia (italienisch: Cattedrale di San Lorenzo).
Die Ursprünge des Doms gehen vermutlich auf das 2. Jh. n. Chr. zurück. Seine heutige Gestalt hat nach unzähligen Umbaumaßnahmen zwischen dem 12. und 19. Jh. jedoch nichts mehr mit seinem ursprünglichen Aussehen zu tun.
Zum Dom gehört auch ein umfangreicher Seminar- und Kapitel-Komplex, da die Stadt im 12. und 13. Jahrhundert Gastgeber von fünf Konklaven zur Papstwahl war.
Das Archäologische Nationalmuseum Umbriens (italienisch Museo Archeologico Nazionale dell’Umbria kurz M.A.N.U.) ist eines der bedeutendsten archäologischen Museen Italiens. In acht verschiedenen chronologischen Sektionen stellt das Museum die Geschichte Umbriens und Perugia von der Altsteinzeit bis heute dar. In der Rekonstruktion einer über 2000 Jahre alten Grabkammer der Familie Cai Cutu, die 1983 entdeckt wurde, kann man ein Sarkophag und 52 Urnen der Familie bestaunen.
Keine Sehenswürdigkeit im klassischen Sinne aber ein prägnantes Merkmal der Stadt sind die Rolltreppen (ital. scala mobile) Perugias.
An einigen Orten wie z.B. öffentlichen Parkplätzen (wie Piazzale Europa oder Piazza Partigiani) verbinden diese Rolltreppen die Unter- bzw. Neustadt mit der Ober- bzw. Altstadt auf dem Hügel. Die verschiedenen Rolltreppen führen durch die Rocca Paolina, vorbei an mittelalterlichen Häusern und Palästen sowie etruskischen Fundamenten und erleichtern so den Aufstieg zum 500 m hoch gelegenen historischen Stadtzentrum ungemein.
Ein Besuch in GUBBIO kommt einer Zeitreise gleich.
Die Stadt, eine der ältesten Umbriens, ist in verschiedenen Höhenlagen an einem Hang des Monte Ingino angelegt.
Sie wird von Treppenwegen und wunderschönen mittelalterlichen Gassen durchzogen.
Gubbio: Die gesamte Stadt gilt als „Beispiel für die Eleganz der Renaissance“
Auf der Piazza Grande erheben sich der Palazzo Pretoria und der prächtige Palazzo Consoli. Bei einem weiteren Aufstieg zum höchsten Punkt der Stadt sind der Dom und der Palazzo Duale, Beispiel für die Eleganz der Renaissance, zu sehen.
SPOLETO, Hauptstadt des einstigen langobardischen Herzogtums, ist eine dichte Ansammlung von grauen Gebäuden aus Naturstein in einer grünen Umgebung. Hinter dem strengen Gesicht verbergen sich faszinierende Ausblicke und viele architektonische Schätze. Neben einigen Kirchen ist vor allem der Dom aus dem 13. Jahrhundert zu besuchen – seine Fassade ist besonders. Aber auch sie wird noch getoppt: vom Dom in Orvieto.
ORVIETO, hoch oben auf einem Gipfel aus Tuffstein gelegen, strahlt eine unglaubliche Faszination aus.
Ihr Ruhm bezieht sich hauptsächlich auf den Dom, der ein absolutes Meisterwerk der italienischen Gotik darstellt.
Wunderschön ist die Fassade mit der Rose und den Reliefs von Lorenzo Maitani, unvergesslich der Freskenzyklus „Das Ende der Welt“ in der Cappella Nuova.
Der Dom von Orvieto gilt als absolutes Meisterwerk der italienischen Gotik
Orvieto hat durch den Palazzodel Popolo und den alten Brunnen Pozzo di San Patricio weitere große Anziehungskraft.
Orvieto ist außerdem für ihre Keramikkunst bekannt.
Wunderschöne Altstadt von Orvieto, das für Keramikkunst bekannt ist
In Umbrien finden jährlich unzählige Feste statt, deren Aufzählung den Platz hier sprengen würde. Sie sind in einem identisch: Es sind Feste der Lebensfreude der Umbrer. Besucher sind gern geduldet, teils auch willkommen. Aber sie dominieren nie.
Eine Reise nach Umbrien ist nicht komplett ohne Tafelfreuden.
Linsensuppe, Bohnen in Tomatensauce oder grüne Bohnen mit Artischocken gehören zu den typischen Speisen der umbrischen Küche.
Aber auch Spargel (grüner Wildspargel) und Tomaten finden häufig Verwendung.
Tafelfreuden in Umbrien – bodenständig, aber immer von höchster Qualität
Suppen gehören zu den traditionellen Vorspeisen, dazu gehört auch eine umbrische Zwiebelsuppe. Das Olivenöl Umbrien kann sich einer in Italien kaum vergleichbaren Qualität rühmen. Das liegt an den Böden, die ein langsame Heranreifen der Oliven garantieren. Dadurch enthalten sie wenig Säure.
Das Fleisch stammt aus einheimischer Produktion und ergibt köstliche Gerichte: etwa Lammköpfchen im Ofen, Haseninnereien im Fladen, Wildschwein, Reh, Wildtäubchen, „betrunkenes Hühnchen“. Fisch kommt aus dem Süßwasser, Die gesamte umbrische Küche ist reich an erlesenen, heimischen Zutaten, dazu gehören selbstverständlich auch Trüffel.
Tafelfreuden in Umbrien, wo natürlich Trüffel nicht fehlen dürfen
Umbrien ist nicht so berühmt wie die Toskana und hat keinen Zugang zum Meer. Doch genau darin liegt der Zauber der mittelitalienischen Region. Umbrien hat noch den stillen Charme, den alle Welt sucht. Im grünen Herz Italiens kommen Genießer, Kunstliebhaber und Naturverbundene gleichermaßen auf ihre Kosten.
Umbrien wird den meisten Touristen, die zu den Stränden der Tyrrhenischen und Etruskischen Küste oder nach Rom strömen, im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen. So kommt es, dass die Region – dank ihrer Urtümlichkeit – nicht nur als Geheimtipp gilt, sondern auch preisgünstiger ist als die meisten der bekannten Ferienziele Italiens. Wer die Region zwischen dem Lago Trasimeno im Nordwesten und den Ausläufern der Sibillinischen Berge im Südosten bereist, wird mittelalterliche Städte, poetische Landschaften und viele andere “Schätze“ auf seinem Weg entdecken.
UMBRIEN IN ZAHLEN
- Italienischer Name: Umbria
- Einwohner: 890.000
- Ausländeranteil: 11,2%
- Hauptstadt: Perugia (170.000 Einwohner)
- Größe: ca. 8.450 km², eine der kleineren Regionen Italiens
- Geografie: Hügelland (70%), Bergland (30%), eine der vier italienischen Regionen (zusammen mit der Lombardei, Südtirol-Trient und Aostatal) ohne Verbindung zum Meer
- höchster Berg: Cima Redentore (2.448 m)
- Wirtschaft: Kleinindustrie, Handwerk, Dienstleistungen, Tourismus
- Tourismus: ca. 2,2 Millionen Ankünfte pro Jahr, davon 1,6 Millionen Italiener und 0,6 Millionen Ausländer, ca. 6 Millionen Übernachtungen pro Jahr (vor Corona)
- Wirtschaftskraft der Region: 89 (Italiendurchschnitt: 100)
WEITERE INFOS
http://www.de.identitaterra.com
ANREISE
Flug: bis Rom Fiumicino, dann Zug oder Mietwagen bis Perugia (ca, 170 km, 2 Stunden)
Auto: A1 Florenz-Rom, Abfahrt Perugia
Zug: über Mailand, dann weiter nach Perugia (ca 17 h, Sparpreis Italien buchen)