Das Wasser, das Grün, das Historische – die Stadt am Oderhaff hat noch viel vor
Von Sylvia Acksteiner
Fast die Hälfte der Stadt ist von Grün und Wasser bedeckt. Szczecin nennt sich selbstbewusst einen „schwimmenden Garten“. Es gibt viele Wassersportaktionen, interessante Schiffstouren, das riesige Hafengebiet, wilde Überschwemmungsgebiete der Oder, grüne Parks in der Stadt, das maritime Wissenschaftszentrum, einen Wasserfreizeitpark und die Boulevards an der Oder.
Und Szczecin lebt von seinen historischen Orten und einer spannenden Geschichte.
Wer auf dem Platz Solidarnosc steht, dem eröffnen sich in alle Richtungen historische Blickachsen, unterschiedliche architektonische Stile und Stadtgeschichte aus mehreren Jahrhunderten. Man sieht das Schloss der pommerschen Herzöge, das neugotische Gebäude des Polizeipräsidiums, gleich daneben den preisgekrönten Bau der Philharmonie, etwas weiter das barocke Königstor, Professorenhäuser aus dem 18. Jahrhundert und Wohn-Hochhäuser aus den 1970er Jahren.
Szczecin geht mit dieser Geschichte selbstbewusst und sorgsam um. Und als deutscher Gast kann man nachdenklich werden und sich auf die Gastfreundschaft der Szczeciner einlassen. Die Gastgeber unserer Pressegruppe sind die Stettiner Schifffahrt Tourismus Events GmbH und die Tourismusgesellschaft Visit Szczecin!
Zweieinhalb Tage eine volle Packung Szczecin.
Die grüne Stadt
Im Rosengarten „Różanka” gibt es über 100 Rosensorten. In den 2000er Jahren wurde er nach dem Vorbild der ursprünglichen Gestaltung von 1928 umgebaut und zeigt heute wieder die Formensprache der klassischen Moderne.

Im Sommer kann man hier jeden Sonntag einer Konzert-Musik lauschen oder ganz still die Blumen bewundern und weitere Gehölze wie den Mammutbaum.


rechts: großer Baum am Rande – der Mammutbaum
Stadtführer Jaczyk ist ein Pflanzen-Auskenner und nimmt uns mit in den benachbarten Jan-Kasprowicz-Park – er ist der größte der Stadt. Sein Lieblingsbaum ist der Persische Eisenholzbaum.


Aber auch die seltene holländische Linde (links im Bild), ein Baum mit essbaren Kastanien und viele nordamerikanische Sorten haben es ihm angetan.
Angelegt wurde die Parkanlage vor über 100 Jahren von Johannes Quistorp, einem Unternehmer aus Stettin, der als Wohltäter der Stadt galt. Er wollte, dass die Spaziergänge eine kleine Weltreise erleben – deshalb die vielen exotischen Pflanzen, viele Wasserflächen und beeindruckende Sichtachsen.

Quistorps Sohn Martin schenkte der Stadt 1908 den Park mit der Maßgabe, ihn stets zu Erholungszwecken der Bevölkerung zu nutzen. Und das geschieht bis heute.
Auch im Sommertheater „Teatr Letni“, das nach Helena Majdaniec benannt ist – der Königin des Twist.

Hier finden große Konzerte mit Prominenten und viele weitere Events statt, das 2022 renovierte Amphitheater bietet 4.500 Personen Platz.


Der Kasprowicz-Park endet am Johannes-Paul II – Platz „Jasne Błonia“. Hier steht das „Denkmal der Taten der Polen“, auch bekannt als Drei-Adler-Denkmal – ein beeindruckendes Monument, das 1979 fertiggestellt wurde.

In über 20 Meter Höhe zeigte es drei Adler im Flug, sie sollen drei Generationen von Polen symbolisieren, die für ihr Land gekämpft und es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut haben.

Vom Denkmal läuft man direkt auf die große Wiese, beidseitig eingeschlossen von einer Allee mit über einhundertjährigen Platanen. Es ist die größte derartige Allee Polens.


Heute wird das Areal von Familien und Spaziergängern genutzt. Und für alle sichtbar das grüne Haus am Ende des Platzes – hier sitzt seit den 1920er Jahren die Stadtverwaltung. Besonders in Erinnerung bleibt den Szczecinern der Besuch ihres Papstes Johannes Paul II. der hier 1987 eine Messe hielt. So erschließt sich auch die Namensgebung des Ortes.

Nicht auf den ersten Blick zu verstehen ist es, dass es beim Entdecken der grünen Stadt auch zum Zentralfriedhof geht. Aber das 170 ha große Kulturdenkmal ist tatsächliche eine architektonische Parkanlage – der Friedhof ist der größte in Polen und der drittgrößte Europas.

1901 eröffnet war er von Beginn an ein Ort mit verschiedenen Bäumen und Ziergehölzen, der erste Direktor war ein Landschaftsgestalter. So gibt es neben der „Historischen Route“ auch eine „Botanische Route“ mit vielen seltenen Baumarten. Bis heute ist der Friedhof ein lebendiger Ort der Natur mit vielen Brunnen, Skulpturen und kunstvollen Grabsteinen. Zu Allerheiligen leuchten im Park tausende Kerzen, und die Menschen kommen, um zu gedenken und um beisammen zu sein.

Am Ende des Rundgangs bleibt die Erkenntnis: Das Grün der Parks in Szczecin ist eng mit der Geschichte der Stadt verbunden – das eine ist ohne das andere nicht zu verstehen.
Die Wasserstadt
In Szczecin kann man sehr gut mit dem Segelboot, Kajak, Motorboot oder Ausflugsschiff unterwegs sein. Vom Yachthafen North East Marina starten wir mit einem komfortablen Motorboot bis hinaus zum Dammschen See – er beginnt direkt im Stadtgebiet und zieht sich über 15 Kilometer Länge. Ein kurzer Abstecher zu einer der malerischen Wasserecken – hier kann man der Natur ganz nah sein.

Und überall präsent sind die Werftanlagen und der Hafen.



Sichtbar werden Gebäude, die direkt ans Wasser gebaut wurden und das sogenannte Stettiner Venedig bilden. Die alten Industriebauten sollen neu genutzt werden, z.B. als Hotel.
Zurück an Land geht es über den Piastenboulevard, die Promenade entlang der Westoder „Bulwar Piastowski“. Platten auf dem Erdboden zeichnen wichtige maritime Geschichtsdaten der Stadt wieder. Von hier starten Schiffe zu den Stadttouren, und am Abend treffen sich junge Leute und Touristen auf ein Kaltgetränk.

Der Oder-Boulevard ist auch der beste Ort, um den berühmten Schokoladenduft der Stadt zu schnuppern. Ganz in der Nähe ist eine der traditionsreichen Schokoladenfabriken der Marke „Wedel“.
Wer Szczecin als Stadt des Wassers erleben will, muss unbedingt das „Maritime Wissenschaftszentrum“ besuchen.

Es ist ein faszinierender Ort zum spielerischen Lernen, für vielfältige Veranstaltungen und sogar mit einem Planetarium. Erst vor zwei Jahren eröffnet ist das Haus schnell zu einem Ort für Kinder, Familien und Gäste der Stadt geworden. In der 1. Etage kann man erleben, wie Schiffe gebaut sind.

Zu sehen ist der berühmte Kajak von Alexander Doba, mit dem er den Atlantischen Ozean überquerte.
Das ganze Zentrum ist interaktiv aufgebaut. Vor allem Kinder können segeln, rudern, paddeln, Schiffe zusammenpuzzeln, ein Schiff entladen, auf einen Mast klettern, eine Schiffsglocke läuten, die archimedische Schraube ausprobieren, mit Wasser Musik machen, verschiedene Motoren erkunden, lernen, wie ein Hafen funktioniert.


In der 2. Etage werden maritime Berufe vorgestellt. Auf die Frage, welcher der wichtigste an Bord ist, antworten viele Kinder: der Koch. In der 3. Etage dann geht es um Schiffsrettung, Kartographie und Navigation.


Oben auf dem Dach schließlich hat man einen atemberaubenden Blick auf Szczecin.

Von unseren polnischen Begleitern erfahren wir, dass es ehrgeizige Pläne gibt, den Charakter der Stadt am Wasser bis 2050 weiter auszubauen, mit der Vision, ein „Venedig des Nordens“ zu werden

Die historische Stadt
Die meisten Besucher kennen Szczecin als Stadt, die früher einmal Stettin hieß. Und Spuren der pommerschen und deutschen Geschichte findet man überall.
Die Hakenterrasse – 1902 bis 1907 gebaut – ist noch immer in ihrer alten Pracht nachzuempfinden. Die Szczeciner halten das Gedenken an den Bürgermeister Hermann Haken aufrecht, der die 500 Meter lange Aussichtsterrasse auf dem Gelände des einstigen Forts Leopold bauen ließ. Im ehemaligen Stettiner Regierungsgebäude dahinter befinden sich heute die Behörden der Woiwodschaft Westpommern.

Wie durch ein Wunder wurde die Hakenterrasse im zweiten Weltkrieg nicht so stark zerstört wie die Stadt. 70% von Stettin waren nach den Bombenangriffen vernichtet, im Zentrum sogar 90%. Deshalb sagen die Szczeciner zum neu aufgebauten Heumarkt mit altem Rathaus, Stadtmuseum und originalgetreu aufgebauten Giebelhäusern nur „Neue Altstadt“.
Das Schloss der pommerschen Herzöge ist heute eine Kultureinrichtung.

Hier hat die Oper ihren Sitz, es gibt einen Konzertsaal und Räume für Ausstellungen, Konferenzen, Gastronomie und das Touristenbüro. Im Uhrturm ist vom Schlosshof aus eine barocke Uhr aus dem Jahr 1693 zu bewundern. Stadtausblicke bieten die Aussichtsterrasse auf dem nördlichen Schlossflügel und der Glockenturm.

Besonders beliebt geworden ist in den letzten Jahren das Westpommersche Weinfestival, das als riesige „Winebar im Freien“ immer im Mai stattfindet. Eine tolle Gelegenheit, Weine aus Westpommern zu probieren, die für viele eine Neuentdeckung sein dürfte.
Nur unweit vom Schloss mit seiner Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurück befindet sich das Dialogzentrum „Przełomy“ (Umbrüche) – ein multimedialer Ausstellungspavillon mit der jüngsten Geschichte der Stadt, den 1970er Jahren bis 1989. Thematisiert werden die Proteste und Demonstrationen von 1970 gegen Preiserhöhungen, die Solidarnocs-Aktionen 1981 und die politische Rebellion 1989.


Es ist ein emotionaler historischer Rückblick, ausgehend von den Kriegsereignissen und den Folgen neuer europäischer Grenzen, durch die Stettin eine polnische Stadt wurde. Beeindruckend auch für deutsche Besucher, wenn man mit den polnischen Gastgebern ins Gespräch kommt und sie davon berichten, dass es für ihre Familien, die nach Stettin kamen, noch bis in die 1960er Jahre und sogar bis 1990 eine Angst und Unsicherheit gab, ob sich die Nachkriegsverhältnisse noch einmal ändern könnten und sie Szczecin wieder verlassen müssten.
Nur mit einer Führung möglich ist der Besuch der Villa Lentz im ehemaligen noblen Westend-Viertel der Stadt.

Errichtet wurde die Villa 1889 für den Fabrikanten August Lentz. Sie wechselte öfter die Besitzer, war Kaserne, Quartier der Wehrmacht und der Roten Armee, zeitweiliger Sitz der Kirchenverwaltung und ein Jugendpalast bis in die 2000er Jahre. Die größten Veränderungen führte Wilhelm Döring durch, als er die Villa 1911 kaufte. Und nach seinem Vorbild rekonstruierte die Stadt das Haus seit 2018. Eine Ausstellung zeigt, wie aufwändig das erfolgte, um die authentische Atmosphäre einer Fabrikantenresidenz wiederherzustellen.


So kann man heute die Anordnung der Räume sehen, den Kultursalon, das Lentz-Schlafzimmer, die 1912 eingebaute Zentralheizung und einen Zentralstaubsauger, das Mauretanische Zimmer und das Dachgeschoss – früher Spielplatz für die Fabrikantenkinder, jetzt Raum für Ausstellungen.




Die Villa ist heute ein Ort für Konzerte und Theater, für kulturelle Begegnungen.
Außerdem sehenswert
Das Museum für Technik und Kommunikation war bis 2006 ein Straßenbahn-Depot. Seit 2010 ist es ein Museum mit vier großen Themenbereichen. Im ersten Teil sind historische Straßenbahnen zu besichtigen, im zweiten Motorräder und einzigartige Prototypen aus polnischer Produktion, zum Beispiel ein schwimmender kleiner Fiat. Der dritte Teil ist Autos aus den Nachbarländern, der ehemaligen DDR, UdSSR und CSSR, vorbehalten.


Und im vierten ist die berühmte Sammlung von Stoewer-Autos zu sehen. Die Familie Stoewer produzierte in zwei Generationen von 1858 bis 1945 in Stettin zunächst Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Fahrräder.


Später kamen Automobile hinzu – Wagen von höchster Qualität und besonderer Eleganz.

Von einem privaten Sammler aus Deutschland kaufte das Museum mehr als 1.000 Ausstellungsstücke, darunter einige Auto-Schätze.
Nun sind die Fahrzeuge wieder dort, wo sie einst gebaut wurden.
Die Philharmonie Szczecin ist das modernste Konzertgebäude in Polen, mehrfach für seine außergewöhnliche Architektur ausgezeichnet. Es steht auf dem historischen Grund des einstigen Konzerthauses, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Bauweise soll an die Giebel mittelalterlicher Bürgerhäuser erinnern – manche Szczeciner sehen darin aber auch Eisberge.

Im Inneren des eleganten Gebäudes sind die Eingangshalle mit dem Blick ins gläserne Dach, die Wendeltreppe und der Goldene Saal besonders beeindruckend.


Eine weitere lohnenswerte Stadtansicht von oben bietet sich (neben Schloss und Maritimem Zentrum) von der Jakobikirche. Manche sagen sogar, es sei die beste Aussicht.

Natürlich darf das kulinarische Angebot nicht vergessen werden. Wir konnten eine Brauerei unterhalb des Schlosses besuchen, mit eigenen Biersorten und exzellenter Küche, das Cafe Przełomy im Dialogzentrum mit traditionellem Hering im Brötchen, das Restaurant Paprykarz mit regionaler Küche und das Brasileirinho, eines der – nach eigener Aussage – besten brasilianischen Restaurants in Europa.


Eine rot gestrichelte Linie durch die Stadt macht es den Besuchern möglich, die Stadt auch allein zu erkunden.

Die „Rote Route“ ist 7 Kilometer lang und zählt 42 Stationen zu den wichtigsten historischen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten.
Sie beginnt und endet am Hauptbahnhof. Bei den Touristinformationen ist ein Taschenführer mit dem Routenplan erhältlich.


FAZIT Das GRÜN und das WASSER und die GESCHICHTE Szczecins lohnt es sich immer wieder zu entdecken. Die Stadt unternimmt viel, um dem eigenen Anspruch der „schwimmenden Gärten“ gerecht zu werden. Die Gäste können sicher sein, herzlich empfangen zu werden und bleibende Eindrücke mit nach Hause zu nehmen.
INFORMATIONEN
https://www.zstw.szczecin.pl/de/home
www.visitszczecin.eu
HOTELEMPFEHLUNG
Halo****, Potulicka 1a, 70-230 Szczecin
https://www.halohotele.pl/en
RESTAURANTEMPFEHLUNG
Urige Brauerei „Browar pod Zamkiem“
https://browarpodzamkiem.pl
Regionale Küche, vor allem Fisch „Restaurant Paprykarz“
https://paprykarz.com.pl/
ANREISE
AUTO
ab Berlin über die A11 bis Szczecin
ab Hamburg über die A 20
BAHN
RE ab Schwerin
RE ab Berlin (derzeit mit Umstieg in Angermünde)
FLUG
Airport Szczecin Goleniow
Fotos: Sylvia Acksteiner