CTOUR vor Ort: Besuch auf der Baustelle und in der Schlossbauhütte des Berliner Stadtschlosses

Wilhelm von Boddien in einem CTOUR-Exklusiv-Gespräch über die Bauarbeiten und den Förderverein

Hunderte warteten schon lange vor der Öffnungszeit zum Tag der offenen Baustelle am 1. Juni am Bauzaun auf der Straße Unter den Linden. Sie alle wollten sich davon überzeugen, wie der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, das künftig das Humboldtforum beherbergen soll, vorangeht. Zu besichtigen waren der Schlüterhof, die Eingangshalle mit dem benachbarten Multifunktionssaal und die zwischen beiden liegende Passage. Man brauchte schon viel Fantasie, um sich hinter all dem Beton und Stahl die geplanten Museen, Bibliotheken und Veranstaltungsräume sowie die Fassaden vorzustellen. Sachkundige Führer versuchten zumindest, den Besuchern das zu veranschaulichen.

Rund 590 Millionen Euro sollen verbaut werden. Davon steuern der Bund 478 und das Land Berlin 32 Millionen bei, für die restlichen 80 Millionen werden Spender gesucht. Bis Dezember ist die Fertigstellung des Rohbaus geplant, im Frühjahr 2015 dann das Richtfest. Gebaut wird das vom italienischen Architekten Franco Stella entworfene Ensemble bis 2019. Wer sich ein Bild von den Baufortschritten machen will, kann das über drei Webcams tun, die auf die Ost-, West- und Südseite des Baus gerichtet sind.
Wie aufwändig und mühsam die Arbeiten sind, davon konnte sich eine Gruppe CTOURisten am 14. Mai in der Schlossbauhütte überzeugen. Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e.V., kam dazu nach Spandau. Gleich die erste Frage konnte er positiv beantworten: „Ja, wir liegen im Plan.“ Das ist in Berlin ja nun durchaus nicht immer die Regel. Zudem ist das Stadtschloss eine Mischung aus neuen und historischen Architekturelementen. Erschwerend kam hinzu, dass die alten Baupläne verschwunden sind. Für die Rekonstruktion konnte nur auf etwa 4500 Fotos und fast 4000 Bauakten aus verschiedenen Bauperioden zurückgegriffen werden. Ein weiteres Problem war, dass die Fotos nicht maßhaltig waren. Studenten aus Weimar haben sie neu vermessen und an der TU Berlin wurde ein Programm entwickelt, um sie maßhaltig zu machen.


99 Prozent der benötigten Architekturteile müssen nachgearbeitet werden, nur ein Prozent sind Originalteile. Einige davon hat Wilhelm von Boddien selbst gefunden. „Irgendwo auf einem Acker in Ahrensfelde sollen noch Teile aus dem Schloss liegen, wurde uns berichtet“ erinnerte er sich. „Dann erzählte uns ein Bildhauer, in einem Garte stehe noch eine Figur. Ich habe verhandelt und sie schließlich für 2500 Euro gekauft.“ Auch in einer Kiesgrube in Müggelheim und auf einem Trümmerberg hinter dem Tierpark fanden sich Teile des von der DDR 1950 gesprengten Stadtschlosses. Im ehemaligen Staatsratsgebäude hat man damals Teile des Portals IV eingebaut, die nun mit modernen 3-D-Scanner vermessen wurden. Die meisten der benötigten Skulpturen und barocken Fassadenschmuckelemente werden jedoch von erfahrenen Bildhauern und Steinmetzen nach den rekonstruierten Vorlagen nachgearbeitet bzw. die wenigen erhaltenen Originale behutsam restauriert.


16 Tonnen wiegt so ein Steinblock und wenn ein Steinbildhauer daraus eine Figur herausgearbeitet hat, sind gerade mal elf oder acht Tonnen übrig. Sehr beeindruckend auch, mit welcher Präzision zum Beispiel die verschiedenen Adlervarianten gefertigt werden, die für den Laien doch nahezu gleich aussehen. Alle Prototypen werden anschließend von einer Fachkommission begutachtet, um eine größtmögliche Authentizität zu erreichen.

In einem CTOUR-Exklusiv-Gespräch mit Vorstandsprecher Hans-Peter Gaul erläutert Wilhelm von Boddien das Projekt und die Arbeit des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. (siehe Video)