MIT DEM KULTURZUG NACH BRESLAU

Warum viele Besucher nach einem Wroclaw-Trip liebevoll von „Wroclove“ sprechen

Es ist die Stadt der 100 Brücken. Und der 600 Zwerge. Die Stadt des Kriminalinspektors Eberhard Mock, des polnischen Schriftstellers Tadeusz Rozewicz und von Kinga Preis, einer berühmten polnischen Schauspielerin. Es ist die Hauptstadt der polnischen Escape-Rooms und vor allem ist sie – Europäische Kulturhauptstadt (2016). Breslau, polnisch Wroclaw, nennen viele Besucher noch der Besichtigung gefühlvoll „Wroclove“. Falls noch jemand zweifelt, sollte er/sie einfach vorbeikommen – und sei es nur für ein Wochenende.

Von Berlin aus geht das besonders günstig mit dem „Kulturzug“. Das Angebot wurde 2016 anlässlich der Europäischen Kulturhauptstadt Breslau auf Initiative der Länder Berlin und Brandenburg auf die Schiene gestellt. Für 19 Euro (Kinder von 6 bis 14 Jahren 9,50 Euro) gehts ins Nachbarland.

Die noch immer recht lange Reisezeit (vier Stunden) wird an jedem Wochenende durch wechselnde jeweils einzigartige Kulturprogramme an Bord der Züge verkürzt:

es gibt Lesungen, Diskussionsrunden, Quiz, eine mobile Bibliothek an Bord. Und es gibt launige und lustige Vorträge zu deutsch-polnischen Ansichten und (Vor-)Urteilen.

Derart eingestimmt kann es losgehen mit der Stadtbesichtigung. Der Breslauer Bahnhof empfängt historisch restauriert und schick gemacht die Ankömmlinge. Die Stadt selbst ist die größte Niederschlesiens (650.000 Einwohner) und sein administratives, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Wegen ihrer zwölf Inseln an der Oder und ihren vier Zuflüssen wird Breslau oft als Venedig des Nordens bezeichnet.

Ihre überaus wechselvolle Geschichte umfasst mehr 1.000 Jahre: Von böhmischen Fürsten im 10. Jahrhundert gegründet, gehörte sie im Mittelalter den polnischen Piasten-Fürsten. Seit dem 14. Jahrhundert war Breslau dann wieder Teil des böhmischen Königreichs. Anschließend ging sie unter österreichisches Zepter. Danach gehörte sie zu Preußen, dann Deutschland. Und seit Ende des 2. Weltkriegs befindet sich Breslau auf dem Staatsgebiet Polens.

Breslau gehört heute zu den unternehmensfreundlichsten Städten Polens. Die Kultur- und Freizeitangebote sind sehr vielfältig. Beides zieht Menschen verschiedenster Regionen Polens und aus der ganzen Welt an.

Breslau kann man auf verschiedenste Art besichtigen: individuell oder geführt, mit dem Fahrrad, mit dem Elektrowagen, mit einer historischen Straßenbahn, mit einer Kutsche. Oder man gönnt sich eine Bootsfahrt auf der Oder, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besichtigen.

Der älteste Teil Breslaus ist Ostrow Tumski, die Dominsel. Hier hat die Stadt ihren Ursprung. Heute kann man an dieser Gegend historische, architektonisch-prächtige Bauten bewundern. Zu den eindrucksvollsten von ihnen gehört die nach 1945 wiederaufgebaute gotische Kathedrale Johannes des Täufers– kurz der Dom – und die Heilige Kreuz Kirche.

Der Marktplatz ist das Herz Breslaus – mit zahlreichen Kneipen und Restaurants, immer voller Leben rund um die Uhr.

Der Markt

Besonders sind die Tuchhallen und das Rathausgebäude, ein in Europa einzigartiges Denkmal der Gotik- und der Renaissance-Architektur.

Das Rathaus

Die berühmteste Promenade und historische Einkaufsmeile ist die Swidnicka-Straße (Schweidnitzer Straße). Hier steht das klassizistische Gebäude der Breslauer Oper, gleich nebenan der Breslauer Puppentheater.

Direkt am Markt, der an vier Seiten von Bürgerhäusern umgeben ist, befindet sich ein ganz besonderes Haus: „OP ENHEIM“. Das außergewöhnliche Gebäude am Salzmarkt 4 gehört zu den wenigen in der Breslauer Altstadt, die die Bombardierungen am Ende des zweiten Weltkriegs rund um die „Festung Breslau“ unbeschädigt überstanden haben.


Seine Geschichte geht ins 13. Jahrhundert zurück. Seit 1810, als das Haus in den Besitz des Bankiers Heymann Oppenheim kam, fungierte es als Bank und gleichzeitig Familienresidenz der Oppenheims. Später war es ein Miets- und Geschäftshaus. Der Holocaust und der zweite Weltkrieg bildeten eine tragische Zäsur im Leben der Hausbewohner.

Nach der Vertreibung und Ermordung der Breslauer Juden mussten nach 1945 die deutschen Einwohner ihre Stadt verlassen. An ihre Stelle zogen – teils ehemals vertriebene – polnische Bürger aus den früheren östlichen polnischen Landesteilen rund um Lemberg (heute ukrainisch: Lwow) ein. Diese Geschichte dieses Bürgerhauses, heute liebevoll restauriert, ist faszinierend und schrecklich zugleich. Sie wurde als Buch von Lisa Höhenleitner niedergeschrieben. Das OP ENHEIM beherbergt heute eine Stiftung, ist ein besonderer Ort für Kultur, für Begegnungen, Gespräche und Kammerkonzerte hoch über der Altstadt von Breslau.  

Apropos Musik: Unweit vom Markt wurde erst 2014/15 das Nationale Musikforum erbaut, das neueste Konzerthaus Breslaus. Seine vier Konzertsäle haben eine glänzende Akustik. Der Hauptsaal bietet 1.800 Plätze, die kleineren insgesamt 800.

Breslau ist eine der größten Universitätsstädte Polens. Etwa 100.000 Studenten sind hier eingeschrieben. Die Uni befindet sich in der größten barocken Anlage der Stadt, bestehend aus dem ehemaligen College und der Jesuitenkirche. Das Hauptgebäude umfasst das Unimuseum mit einer Perle des schlesischen Barocks – der Aula Leopoldina. Und im Mathematischen Turm befindet sich eine Sternwarte.

Die Jahrhunderthalle

Als eines der bedeutendsten Bauwerke der Weltarchitektur des 20. Jahrhunderts gilt die Jahrhunderthalle von Breslau. Sie wurde von dem berühmten Architekten Max Berg entworfen und 1913 erbaut. Diese frühmodernistische Gewölbe-Stahlkonstruktion (damals die größte der Welt) hat einen Durchmesser von 65 Metern und ist damit 1,5-mal größer als die Kuppel des Pantheons in Rom! 2006 wurde sie zum Weltkulturerbe erklärt.

Damals haben nicht viele an das Projekt des Deutschen Max Berg geglaubt. Das ging sogar so weit, dass sich die Bauleute aus Sorge um die Stabilität des Bauwerks weigerten, die Spannschrauben der Schalung der Halle zu entfernen. Berg hat dann Passanten mit der Aufgabe betraut, denen er symbolisch eine Goldmark bezahlte. Das Gebäude steht bis heute sicher.

Nun finden hier und im angrenzenden Kongresszentrum Ausstellungen, Kongresse und Messen statt.

Ganzer Stolz der Einwohner von Breslau sind die Zwerge. In der gesamten Stadt finden sich inzwischen mehr als 600! Sie sind eine Touristenattraktion. Die politische Opposition hatte in den 1980er Jahren mit spontanen Aktionen (zum Beispiel Demonstrationen im Zwergenkostüm) Kritik am polnischen System geübt und einen gusseisernen Zwerg (Papa Zwerg) in der Breslauer Altstadt aufgestellt.

Im Sommer 2001 tauchten weitere Zwerge als Kunstprojekt von Studenten in der Stadt auf. Inzwischen gibt es Figuren in verschiedensten Varianten.

2014 wurden bereits 300, heute über 600 gezählt. Die Zwerge sind aus Bronze gegossen und etwa 40 cm hoch.

Es gibt auch eine Pferderennbahn, ein modernes Stadion, unzählige Museen, natürlich einen Zoo, große Bibliotheken, einen alten Stadtgarten, einen neuen Markt. Die Stadt hat einen Botanischen Garten, bereits 1811 gegründet. Heute beherbergt er 11.500 Pflanzenarten und -sorgen. Hier kann man mühelos einen halben Tag verbringen.

Aber das alles wäre dann wohl eher etwas für einen zweiten Besuch in Breslau.

Zum Abschluss ein besonderer Tipp: Mit dem Kulturzug-Ticket fährt man in Breslauer Bussen und Straßenbahnen kostenlos während des gesamten Aufenthaltes.

bahn.de/kulturzug
vbb.de/kulturzug
https://visitwroclaw.eu/de

Fotos: Fred Hafner