Um es gleich vorwegzunehmen, die Stadt Cottbus ist ein lohnendes Reiseziel. Mit dem Charme ihrer liebevoll restaurierten Altstadt, den Bürgerhäusern und barocken Giebelfassaden, mit dem Fürst-Pückler-Park Branitz und seinen in Europa einmaligen Erdpyramiden, wird eine über 850jährige Geschichte lebendig. Aber auch die Bestandsaufnahme der Gegenwart kann sich sehen lassen. Cottbus ist Kultur- und Universitätsstadt mit kulturellen Masterpieces of Art, wie einem Jugendstil-Staatstheater und dem „ältesten reinen Kinozweckbau Deutschlands“, dem Weltspiegel, mit einer architektonisch futuristischen Campus-Bibliothek und last but not least mit einer zielorientierten Fußballmannschaft voller Energie.
Die Integration kultureller Traditionen in den urbanen Alltag, sowie ein gekonntes Miteinander von historischen Preziosen und moderner Stadtentwicklung, haben sowohl regionale als auch internationale Aufmerksamkeit errungen.
„Der Cottbuser Postkutscher putzt den Cottbuser Postkutschkasten“
Noch bevor der Zungenbrecher zu Ende buchstabiert ist, ist der Regionalzug am Cottbuser Hauptbahnhof eingefahren. Ein erster Blick genügt, es hat sich viel verändert. Wie war das noch? Mit dem „Stoff aus dem die Träume sind“ hatte einst das VEB Textilkombinat Cottbus zu DDR-Zeiten seine Bürger umworben. Dieser Traumstoff, das Markenprodukt „Präsent 20“ verhalf zu robusten Röcken und Hosen. Und perfekt eingerichtet war, wer eine Sitzgruppe Modell 3594 aus den Polstermöbelwerken Cottbus vorführen konnte. Beliebt im ganzen Land waren auch die Cottbuser Butterkekse und Baumkuchen, nicht zu vergessen der Korn. „Was macht den Lausitzer stark – Pellkartoffeln und Quark. Was gibt ihm Mut und Zorn – Cottbuser Korn.“ Und schlussendlich war Cottbus der wichtigste Kohle- und Energielieferant.
Es wird sicher nicht nur der Korn gewesen sein, der 1990 Mut und Willenskraft gab, den tiefgreifenden Strukturwandel, die Privatisierung der Wirtschaft zu vollziehen. Nach und nach begann sich Cottbus zu einem Zentrum für Dienstleistung, Wissenschaft und Verwaltung im Süden Brandenburgs zu entwickeln.
Die zweisprachige Lausitzmetropole heute
Frank Szymanski, Bürgermeister der Stadt, spricht nicht ohne Stolz „vom Potential zweier Hochschulen, die der Wirtschaft zur Verfügung stehen, von einer lebendigen Kunstszene, die zwischen Berlin und Dresden ihresgleichen sucht, sowie von Park und Schloss Branitz, dem Alterswerk des genialen Landschaftsgestalters Hermann von Pückler-Muskau.“ Der FC Energie Cottbus, derzeit an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga, hat alle Chancen die Stadt sportlich noch weiter nach vorne zu katapultieren.
Cottbus oder Chósebuz? Wie muss es richtig heißen? Der Name Cottbus stammt aus dem Wendischen und leitete sich entweder aus „kopsebus“, d.h. „zur Überfahrtstelle am Fluss“ ab oder von einem slawischen Personennamen „Chotibud“. Heute lebt die Stadt mit ihren ca. 100.000 Einwohnern ganz selbstverständlich mit der deutsch–sorbischen (wendischen) Bikulturalität und gilt als politisches und kulturelles Zentrum der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg. Straßenschilder und offizielle Gebäude sind in beiden Sprachen ausgewiesen.
„Man muss der Zeit Zeit geben“
Beim Gang durch die Stadt fällt der andere Rhythmus auf, den die Cottbuser vorgeben. Man hastet nicht, sondern spaziert gemächlich, bleibt in den kleinen Gassen etwas hinter der Zeit zurück oder verweilt in einem der romantischen Straßencafés. Die historischen Verweise auf die Stadtgeschichte kommen einem fast von selbst entgegen, ein Blick rundum auf die alte Stadtmauer oder himmelwärts auf den Turm der Oberkirche. Vor der Klosterkirche zeigt eine prächtig bepflanzte Sonnenuhr nicht nur präzise die Stunden an, sondern auch einen Schriftzug, der per Bepflanzung quer über das Ziffernblatt arrangiert ist „Man muss der Zeit Zeit geben“.
Aus vergangener Zeit oder der Zeit vorgegriffen, Architektur wird immer nur durch das Besondere ihre Zeit überdauern. In Cottbus gehören ohne Zweifel u. a. das Schloss Branitz, das Staatstheater in Jugendstil, das Kunstmuseum Dieselkraftwerk und das Filmtheater Weltspiegel zu den schönsten Bauwerken. Eines der interessantesten Neubauten ist sicherlich die neue Bibliothek der Technischen Universität, entworfen von einem der weltweit besten Architekturbüros Herzog & de Meuron aus der Schweiz.
Um Cottbus richtig kennenzulernen, braucht es auch den Abstecher ins Umland, den Ausflug in den nahegelegenen Spreewald. Oder zu einem fast noch unwirklich anmutenden Projekt, zur gerade entstehenden Cottbuser Ostsee. Geplant ist, den Braunkohletagebau Cottbus-Nord ab 2018 zu fluten und mit 1900 Hektar zum flächenmäßig größten See des Lausitzer Tagebauseengebietes zu machen.
Ohne Hermann geht gar nichts
Das Stadtmagazin „Hermann“, das möglicherweise seinen Namen dem edlen Fürsten Hermann von Pückler-Muskau verdankt, der ja wiederum auch seinen Namen dem Pückler-Eis ausgeliehen hatte, öffnet einem weitere Türen ins reichhaltige Kulturangebot von Cottbus. Wie in allen guten Kulturstädten setzt sich eine lebendige Szene aus den traditionellen Institutionen und der in Hinterhöfen und auf Strassen gewachsenen Off-Szene zusammen. Gemeinsames Markenzeichen: Qualität und Innovation. En vielseitiges Programm fast rund um die Uhr. Kurz und gut, ohne „Hermann“ kommt man nicht weit!
Staatstheater Cottbus:
1992 bis 2003 von Christoph Schroth geleitet, der bereits das Staatstheater Schwerin mit legendären Inszenierungen zum herausragenden und kontrovers-politischen Theater der DDR gemacht hatte, übernahm danach Martin Schüler die Intendanz. Heute ist das Mehrspartentheater weit über die Grenzen der Stadt bekannt und beliebt. Auf seinen drei Spielstätten werden Oper, Schauspiel, Ballett, und Konzert aufgeführt.
Im September hatte „Der Laden“ von Erwin Strittmatter Premiere. Der in Spremberg geborene Autor war einer der beliebtesten und meistgelesen Autoren der DDR und seine Bücher gehörten oft zur „Bückware“. Die Romanfiguren ließ er in einem Gemisch aus Niederlausitzer Dialekt und Sorbischer Sprache reden. Im August dieses Jahres, anlässlich des 100. Geburtstages begann in den Medien eine kontroverse Diskussion, wie mit ihm zu verfahren sei. Anstoß waren seine Zuarbeit zur Stasi in der DDR, sowie seine Mitgliedschaft in einer Waffen-SS ähnlichen Polizeieinheit. Ob eine “Laden“-Inszenierung noch auf die Bühne sollte, ob Strittmatter gar noch gelesen werden darf, darüber gingen die Meinungen in den Medien auseinander. Spremberg hat sich entschieden, seinen Ehrenbürger Strittmatter zum 100. Geburtstag nicht zu würdigen. Das Staatstheater Cottbus hat sich für die Uraufführung der Romantrilogie „Laden“ entschieden.
Ende August fand die Spielplanpräsentation des Theaters für 2012/13 in Pücklers Park statt. Zum 10. Jahrestag in Branitz kamen zu Open Air und fürstlichem Wetter rund 7.000 Besucher, um der Verwandlung des Parks in eine Naturbühne beizuwohnen. Für die neue Spielzeit sind 14 Premieren vorgesehen, darunter das Schauspiel-Spektakulum „Familienbande“ auf drei verschiedenen Bühnen im Grossen Haus, Offenbachs Opéra-bouffon „Orpheus in der Unterwelt“ und der Musicalwelterfolg „Anatevka“. Aber auch Brechts „Guter Mensch von Sezuan“ und „I Love you, You`re Perfect, Now Change“, ein Off-Broadway- Musical mit Texten von Joe DiPietro und Musik von Jimmy Roberts werden zur Aufführung kommen. Mit einem großen Konzertzyklus und vielen internationalen Gästen wird das Philharmonische Orchester sein 100jähriges Bestehen feiern.
Nach der Vorstellung der neuen Theatersaison in Branitz gab es dann ein Konzertfinale am Schloss mit großen Arien, leidenschaftlichen Tänzen und feurigen Melodien.
„Theater und Fußball, ein Nischendasein“
Intendant Martin Schüler engagierte sich darüber hinaus bei der „Spreewälder Sagennacht“ zu Pfingsten des Jahres. Insbesondere hatte ihn an diesem Anlass auf dem Schlossberg interessiert, dass „nicht fremd geborgte Sagen, sondern die unmittelbare Kultur“ erzählt wird. Unterstützung erhielt er von der Sorbin Dr. Madlena Norberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Witaj-Sprachzentrum in Cottbus, die verantwortlich für den sorbischen Sprachunterricht der Schauspieler war.
Martin Schüler ist nicht nur ein Intendant aus Leidenschaft, sondern auch leidenschaftlicher Fußballfan. „Es ist das Nischendasein am Rande von Deutschland, dass Theater und Fußball in Cottbus verbindet“, sagt er in einem Interview im rbb und muss ob der Theatralik selber lachen. „Theater und Fußball kann man doch life erleben, wobei weniger Fußballspieler ins Theater gehen als umgekehrt.“ Und er verspricht, den Kontakt mal wieder anzukurbeln.
FilmFestival Cottbus:
Vom 6. – 11. November wird das Festival des osteuropäischen Films zum 22. Mal einen repräsentativen Überblick über die aktuelle Spielfilmproduktion des osteuropäischen Raumes geben. An sechs Tagen werden mehr als 100 Filme aus über 30 Ländern in der Cottbuser City gezeigt. Die Konzentration liegt auf Spielfilm, einschließlich Kurzspielfilm sowie Kinder- und Jugendfilm. Die feierliche Eröffnung des FilmFestivals wird am 6. November im Staatstheater stattfinden.
Das 1991 gegründete FilmFestival Cottbus ist mittlerweile bei Fachpublikum wie Filmfreunden aus dem In- und Ausland gleichermaßen geschätzt. Das diesjährige Thema „Osteuropa und Religion“ hat zudem in diesem Herbst noch eine ungeahnte politische Brisanz und Aktualität erhalten.
Für die Teilnahme am Festival werden strenge Richtlinien angesetzt. Die Kurzfilmer hatten z.B. nur Beiträge von max. 30 Minuten Länge einzureichen, die von einer speziellen Auswahlkommission des Wettbewerbs „Kurzspielfilm“ handverlesen wurden. Nur zehn bis fünfzehn Beiträge werden dann beim Festival ins Rennen gehen. Der 2.500 Euro dotierte Hauptpreis ist von der Offsetdruckerei „Druckzone Cottbus“ gestiftet worden. Traditionell werden diese Produktionen in der „Langen Nacht der kurzen Filme“ im Filmtheater „Weltspiegel“ präsentiert.
Insgesamt warten beim FilmFestival Preisgelder von rund 82.000 Euro auf die Sieger. Der mit 20.000 Euro dotierte Hauptpreis für den besten Film ist von der Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten gestiftet und geht zu gleichen Teilen an Regisseur und Produzent.
Filmtheater Weltspiegel:
Bereits 1910 hatte der Cottbuser Architekt Paul Thiel für die „Lichtspiel-Gesellschaft Weltspiegel m.b.H.“ das Modell für ein zukünftiges Kinogebäude an der Kaiserstrasse 78 entworfen. 1911 lief die Eröffnungsvorstellung im Filmtheater „Weltspiegel“, 1929 der erste Film mit Ton. Trotz Renovierungs- und Umbauarbeiten, späteren baulichen Veränderungen und notwendiger Instandsetzung, war und blieb dieses Gebäude ein Kino bis zum heutigen Tag, überdauerte die guten wie die schlechten Zeiten. 1907 als „Photographische Gesellschaft Weltspiegel m.b.H“ gegründet, symbolisierte der Name über die Zeiten hinweg eine umspannende aber auch widerspiegelnde Teilhabe am Weltgeschehen. Diesmal war „der Stoff aus dem Träume gemacht werden“ aus Zelluloid.
„Der älteste reine Kinozweckbau Deutschlands“ hatte 2011 seinen 100. Geburtstag. Ralf Zarnoch, Inhaber, Bauherr und Betreiber des Weltspiegels weiss nicht nur um die wechselvolle Geschichte des Kinos, er hat auch Geschichten parat, wie mühevoll und manchmal zäh die jüngste Vergangenheit des Kinos ablief. Stichworte sind: Bauamt, Denkmalschutz, Sicherheitsvorschriften, Kosten von Kinotechnik und natürlich die „Tricks“ der Filmverleiher. Zarnoch ist ein Mann der Zahlen, versteht etwas von Architektur und hat das nötige Fingerspitzengefühl, ein altes Haus so zu renovieren, dass „das Alte“ lebendig bleibt und „das Neue“ Atem kriegt. Zudem hat Zarnoch die nötigen Netzwerke, sowie die Fähigkeit neue zu knüpfen. Doch vor allem hat er eine Erinnerung an die Zeit, als er an der Hand des Großvaters zum ersten Mal ins Kino „Weltspiegel“ ging. Erinnerungen können Motor fürs ganze Leben sein.
Die Kosten, um alle Auflagen zu erfüllen, stiegen enorm. Jeder Geldgeber musste von der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens überzeugt werden. Die Sparkasse z.B. wollte den Kinoraum flexibel halten für verschiedene Veranstaltungen. Ein reiner Kinobetrieb „hebt“ das Ganze nicht. Aber gefeiert wird immer. Für Bälle und Abschlussfeiern muss der Saal jedoch leicht und schnell umgerüstet werden. Modernste 3D-Digitalprojektion und Satellitentechnik machen sowohl eine klassische Filmatmosphäre, wie Mehrspartennutzung möglich.
Ein Filmprogramm ganz nach seinem Geschmack kann Zarnoch nicht machen. Die Verleiher diktieren die Dauer und Reihenfolge der Blockbuster. Um einen „Harry Potter“ kommt Zarnoch nicht herum, den braucht er für die Kasse. Die großen Multiplex-Kinos haben mit ihren 10 Sälen in allen Größenordnungen kein Problem. Je weniger Karten verkauft werden, desto kleiner wird der Kinosaal. Dem trägt demnächst auch der Weltspiegel Rechnung. Um flexibler sein zu können, werden 2 kleinere Säle angebaut, dann kann man Programmkino und Blockbuster unter ein Dach bringen. Auf dem Dach wird jedoch eine Lounge entstehen, um vor oder nach dem Kino noch die Aussicht und ein Glas Sekt zu genießen. „Das ist eher eine Generationenfrage“, sagt Zarnoch, „bei der älteren Generation wird erst zu Abend gegessen, dann geht’s ins Kino. Für die Jüngeren gehört Essen und Trinken zum Filmabend.“
Bibliothek Cottbus, IKMZ BTU
2004 wurde auf dem Campus der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) das neue Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum (IKMZ) eingeweiht. Es dient gleichsam als Universitätsbibliothek, Rechenzentrum und Verwaltungsdatenverarbeitung mit 600 Lese- und Lernplätzen. Um Cottbus als Universitätsstadt zu etablieren, brauchte es eine Mediathek. Das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron entwarf dafür einen geschwungenen Glasbau ohne Ecken und Kanten. Über die gesamte Glasfassade wurden aufgedruckte Buchstaben-Cluster verstreut. Bewegung ins Gebäude kam durch eine knallbunt gestaltete Wendeltreppe, sowie durch farbige Bodenbeläge in Giftgrün, Pink, Blau, Gelb oder Magenta. Metallisch schimmernde Decken und Trennwände bildeten den Kontrast zu den knalligen Farben. 2007 erhielten die Architekten für diesen Bibliotheksbau den „Grossen Nike“ vom Bund Deutscher Architekten verliehen.
Hinter vorgehaltener Hand gibt`s manchmal auch spöttische Worte von den Cottbusern: „Wer soll denn bei diesem Farbrausch ruhig und konzentriert arbeiten? Aber wenigstens dürfte das Einschlafen da drin schwierig werden!“
In Richtung Bahnhof gibt es dann den letzten Tipp für diesmal. Der Zungenbrecher mit dem Postkutscher hat doch noch eine Fortsetzung, die für die Rückfahrt nach Berlin reichen sollte.
„Der Cottbuser Postkutscher putzt den Cottbuser Postkutschkasten mit Cottbuser Postkutschkastenpaste.“
P.S. Übrigens ist gleich gegenüber vom Bahnhof das Hotel Radisson blu, von dem alle Wege in und um Cottbus herum ihren Anfang nahmen.
Fotos:
Altstadt: Ctour/Bernd Siegmund
Staatstheater Cottbus, Szenenfoto von der Inszenierung „Der Laden“ von Erwin Strittmatter: Marlies Kross
Uni-Bibliothek: Presseamt Cottbus
Weltspiegel: Michael Helbig