PLOVDIV UND SOFIA – DIE STOLZEN TÖCHTER BULGARIENS

TEIL 2

Auf Einladung des bulgarischen Tourismusministeriums waren fünf CTOUR-Journalistinnen und Journalisten in Bulgarien, um über die Themen Wein-, Kulinarik-, Kultur-, Natur-, SPA- und Balneo-Tourismus vor Ort zu berichten. Vom 8. bis 13. September 2024 haben wir gemeinsam mehr als 1.000 Kilometer zurückgelegt, viel erfahren, gehört und gesehen.

Nach dem ersten Teil über Bulgariens Slow Tourismus
folgt nun Teil 2.

Die Republik Bulgarien hat offiziell rund 7 Millionen Einwohner, auf 110.994 km². Nur zum Vergleich, Deutschland kommt mit 84 Millionen Einwohnern auf 357.592 km². Bulgarien hat also 58 Einwohner pro km², während Deutschland 237 Einwohner pro km² aufweist. Doch um es gleich zu sagen, auf die Suche nach seinen Einwohnern muss man in Bulgarien nicht gehen. Sie freuen sich über den Austausch mit Fremden und bieten gerne ihre Gastfreundschaft an. Die Bevölkerungszahlen gehen laut Statistik in Bulgarien leicht zurück, man sucht woanders sein Glück. Über 70 % der Bevölkerung lebt in Städten und von den rund 7 Millionen Einwohnern Bulgariens leben 1,2 Millionen in der Hauptstadt Sofia.

Bis 1947 war die Orthodoxe Kirche Staatsreligion und ist bis heute die vorherrschende Kirche im Land. In Bulgarien sind aktuell etwa 4,4 Millionen Menschen bulgarisch-orthodox, also zwei Drittel der Gläubigen. Circa 577.000 Menschen gehören dem muslimischen Glauben an, davon sind über 94 Prozent sunnitisch. Rund 64.000 Menschen geben an, protestantisch zu sein, 49.000 bezeichnen sich als Katholiken und etwa 5.000 als jüdisch. Glaubt man den Prognosen der Statistik, wird die Religionszugehörigkeit bis 2050 drastisch abnehmen.

Und so erklärt mir Boris, der Tür- und Torsteher an der Kirche in Sofia: „Das ist schon so, viele Bulgaren glauben an Gott, aber wir sind nicht so streng im Ausüben von religiösen Praktiken. Eigentlich sind wir nur an den wichtigsten Feiertagen wie Weihnachten und Ostern religiös.“

links: Russische Kirche Sweti
Nikolaj in Sofia

Und irgendwie scheint es ein friedliches Miteinander verschiedener Ethnien und Religionen zu geben. So befinden sich im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt beispielsweise die christliche Kirche, die muslimische Moschee und die jüdische Synagoge in gemeinsamer Nachbarschaft.

Plovdiv-Kulturelle Perle

Gibt es eine ältere Stadt als das antike Rom? Man mag es nicht glauben, aber ja, die gibt es. Plovdiv, die zweitgrößte Stadt Bulgariens ist eine der ältesten Städte Europas und seit über 8.000 Jahren bewohnt. Beweise fanden sich in den sogenannten „Siedlungshügeln“ in und um die Stadt. Sie gaben reichhaltige archäologische Funde aus der Zeit der Jungsteinzeit preis. Sozusagen begegnet uns auf Schritt und Tritt ein Stück Weltgeschichte. Wir spazieren durch Kopfsteinpflaster-Gassen wie durch ein Freilichtmuseum, kurven um verwinkelte Ecken und entdecken sogenannte „Wiedergeburtshäuser“, alte Kirchen und viele römische Ruinen.

Typische verzierte Fensterläden der Wiedergeburtshäuser

Die „Wiedergeburtshäuser“ wurden Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet, in einer Zeit, in der Bulgarien vom osmanischen Reich befreit wurde. Diese Erneuerung war auch für Plovdiv eine „Wiedergeburt“. Eines der schönsten Häuser, das damals einem Kaufmann gehörte, beherbergt heute das ethnographische Museum.

Ethnografisches Museum

Schmelztiegel von Kulturen, Religionen, Zeitgeschichte

Sehenswert ist auch das römische Amphitheater, eines der ältesten antiken Theater der Welt oder das Stadion, das zur Zeit der Römer nach dem Vorbild des Forum Romanum in Rom für 30 000 Zuschauer gebaut wurde.


Einer der bekanntesten Stadtteile Plovdivs ist Kapana, was auf Deutsch „Falle“ heißt. Das hat nichts mit einer Touristenfalle zu tun, sondern soll die magische Anziehungskraft des bunten Studenten- und Künstlerlebens in Kapana vermitteln, heißt es. Hier findet man Galerien und Ateliers und natürlich gemütliche Bars und Cafés.

Street Art im Künstlerviertel Kapana

Eine der großen Attraktionen der Stadt ist aber das moderne Museum der Großen Basilika mit Ausstellungsstücken aus dem 4. bis 5. Jahrhundert. Sie gilt als die größte frühchristliche Kirche auf dem Balkan.
Seit Mitte der 1980er Jahre vergibt die EU jährlich den Titel „Kulturhauptstadt Europa“. Damit soll die Aufmerksamkeit auf die Vielfalt, aber auch auf Gemeinsamkeiten von Europas kulturellem Erbe gelenkt werden. 2019 ist die Wahl neben der italienischen Stadt Matera auf Plovdiv gefallen. In der Begründung hieß es, dass die über 8.000 Jahre alte Stadt Zeit hatte, um die vielen verschiedenen Völker, die sich hier niedergelassen und ihre Architektur und Kultur hinterlassen haben, zu einem kongenialen Gesamtbild zusammenzufügen. Da sind römische Amphitheater, frühchristliche Basiliken, muslimische und jüdische Gotteshäuser, die alle das Stadtbild prägen. Dazu gesellen sich Boutiquen, schmucke Cafés, Künstlerateliers und mit Street Art verzierte Wände.

Blick über Plovdivs sieben Hügel

Bei einem Blick über Plovdiv von einem seiner sieben Hügel komme ich mit der Bulgarin Vera ins Gespräch. „Eigentlich ist die historische Stadt einst auf sieben Hügeln erbaut worden.

Ja, genau, sieben Hügel, denn was Rom kann, kann Plovdiv schon lange.

Von hier aus hat man den besten Ausblick über die Stadt. Heute sind es nur 6 Hügel, denn der 7. Hügel wurde abgetragen, um die darunterliegenden Steine zum Bauen zu verwenden. So, nun weißt Du es!“, sagt Vera lachend.

Ist das wirklich die älteste Stadt von Europa, frage ich mich. Älter als Athen und Argos in Griechenland? Da mischt sich Georgi, ein Kollege von Vera ein. „2011 stand im “The Daily Telegraph”, dass Plovdiv die älteste ständig bewohnte Stadt in Europa sei und die 6.-älteste in der Welt. Na, wenn`s der Daily Telegraph sagt, wird’s wohl stimmen“. Vera ergänzt:

„Sofia ist eher russisch geprägt, aber in Plovdiv spürt man noch viele seiner römischen Wurzeln.

Unsere Stadt ist vor allem von deutschen und österreichischen Architekten geprägt, darum so viel Jugendstil, Wiener Sezession und Pseudobarock.“
Vera erzählt, dass die Ernennung Plovdivs zur Kulturhauptstadt 2019 wie ein Gongschlag kam, damit hatte niemand gerechnet. Das dominante Sofia sei eher auf dem Radar gewesen. „Mit dem Titel Kulturhauptstadt war auf einmal in Plovdiv das Thema Stadtentwicklung wieder Stadtgespräch. Einiges wurde umgesetzt, wie die Wiederbelebung des Viertels Kapana, anderes prallte an der Bürokratie ab. Aber das erlebt man wohl nicht nur in Plovdiv“, sagt sie und verabschiedet sich.

Starosel – Preisgekrönte Weine und SPA

Weniger als zwei Autostunden von Sofia entfernt, an den Südhängen des Sredna Gora, befindet sind das Wein und SPA Zentrum Starosel. Auf dem Weg in die Hauptstadt machen wir dort einen kurzen Stopp.
Dass in Bulgarien bei Zustimmung der Kopf geschüttelt und bei Ablehnung genickt wird, muss jeder schnellstens lernen. Denn auf die Frage, ob man gerne ein Glas des rosafarbenen Misket Cherven oder lieber den rubinroten Wein Mavrud kosten möchte, ist also Kopfschütteln angesagt. Die bulgarische Weinproduktion hat eine besondere Geschichte und reicht weit in die Vergangenheit hinein. Bereits die alten Thraker nutzten Wein für religiöse Rituale zu Ehren des griechischen Gottes Zagreus, der später als Dionysus wiedergeboren wurde.


Heute kennt man in Bulgarien fünf Weinregionen. Neben Mavrud sind besonders der himbeerfarbene Gamza, der hellrote Palmud, der in Eichenfässern gereifte Rubin, der aus der Schwarzmeerregion stammende Weißwein Dimiat, sowie der mittelrote Siroka Melniska mit seinem würzigen Aroma bekannt. Gut, das es Weinverkostungen gibt. Die bulgarischen Weine können allemal mithalten.


Wine & Spa Complex Starosel https://www.starosel.com/bg/winery

Sofia-Geschichte in Schichten

Sofia gilt mit seinen Universitäten, die älteste stammt aus dem Jahr1888, Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Bildungszentrum des Landes, aber auch als Medienzentrum mit zahlreichen Verlagen, Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie Tageszeitungen und Magazinen.


In Südosteuropa nimmt die Hauptstadt Bulgariens eine bedeutende kulturelle Stellung ein. Sie ist Heimat der Nationaloper und des Nationalballetts, des Nationalen Kulturpalastes, des Wassil-Lewski-Nationalstadions, des Iwan-Wasow-Nationaltheaters, des Nationalen Archäologischen Museums und des Serdika-Amphitheaters.

Außerdem darf sich Sofia ohne Übertreibung mit sattgrünen Parks, beeindruckender Architektur und ihrer historischen Fundstücke rühmen.


Die Stadt versprüht ein besonderes Flair und weckt den Entdeckergeist, denn auf Schritt und Tritt steht man buchstäblich vor und auf den Überresten der bulgarischen Geschichte. Sehenswürdigkeiten wie die Alexander-Newski-Kathedrale oder das Zentrale Mineralbad von Sofia setzen die Fantasie in Gang, wie die Stadt früher ausgesehen haben mag. Und immer ist im Rundumblick auch das Vitosha-Gebirge zu sehen, das eine beeindruckende Kulisse darstellt.

Im Zentrum befindet sich das Nationaltheater Iwan Wasow, dessen neoklassizistische Fassade, ganz in Rot gehalten, von weißen Säulen und Stuck durchsetzt ist. Das Theater wurde nach Plänen der Architekten Hermann Helmer und Ferdinand Fellner erbaut und 1906 fertiggestellt. Es erfolgten einige notwendige Umbauten und Erweiterungen nach Bränden und der Bombardierung Sofias im Zweiten Weltkrieg. Der neoklassizistische Stil wurde jedoch erhalten.

Heute zählt das Nationaltheater, benannt nach dem Schriftsteller Iwan Wasow zu den wichtigsten Theatern im Land, das mit etwa zehn Premieren und 600 Vorstellungen im Jahr aufwarten kann.

Der Prunkbau der Alexander-Newski-Kathedrale ist ein weiteres Highlight der Stadt. Die cremeweiße Fassade, sowie die hellgrünen und goldfarbenen Kuppeln sind schon von weitem auszumachen. 1882 wurde der Grundstein der orthodoxen Kirche nach den Plänen des Architekten Alexander Pomeranzew gelegt, gebaut wurde dann zwischen 1904 und 1912.

Im Inneren kann man die Größe nur erahnen. Die fünf imposanten Kirchenschiffe sind mit Gold und Marmor, sowie prächtigen Mosaiken verziert. Die Kathedrale gilt zu Recht als die größte orthodoxe Kirche auf der Balkanhalbinsel.

Orientalischer Palast oder Schwimmbad

Das Thema der heilenden Quellen scheint immer mit uns zu reisen. Sofia und Umgebung sind bereits seit der Antike für ihre Thermal- und Mineralquellen bekannt. Ein Nachweis findet sich im Zentralen Mineralbad im Zentrum der Stadt. Dort ist heute das regionalhistorische Museum untergebracht. An diesem Ort entsprang zur Zeit der Römer eine Thermalquelle und im Mittelalter wurde hier ein orientalisches Hamam eingerichtet. Das Mineralbad ähnelt heute immer noch einem orientalischen Palast, ein Schwimmbad würde man darin nicht vermuten.

Im Stadtzentrum stößt man auf weitere Andenken aus der Römerzeit. Besonders eindrucksvoll sind die Reste der einstigen römischen Stadt „Serdika“, wie Sofia einst hieß, die sich rund um die gleichnamige U-Bahn-Station befinden.

Reste der Festungsmauer in Serdika

Erobert wurde die Stadt von den Römern im Jahr 29 v. Chr., die damit die Griechen ablösten und sie zu einem der bedeutendsten Orte der damaligen Zeit machten. In der Unterführung der U-Bahn-Station Serdika werden in gläsernen Vitrinen Gegenstände aus der Römerzeit ausgestellt.

Am besten zu sehen, sind die Ruinen Serdikas auf dem Weg von der Pz. Nezavisimost in Richtung U-Bahnstation. Ein gläsernes Dach, eingelassen in den Fußgängerweg, lässt die geschichtlichen Spuren aufleben. Schichten um Schichten lassen sich die vergangenen Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende nachvollziehen.


Neben den viele Kirchen in Sofia befindet sich noch eine einzige aktive Moschee, die Banja-Baschi-Moschee, die als eines der ältesten muslimischen Gotteshäuser in ganz Europa gilt. Sie ist ein Zeugnis der osmanischen Herrschaft über Sofia, erbaut im Jahr 1567 nach Plänen des Architekten Mimar Sinan. Die Banja-Baschi-Moschee kann man außerhalb der täglichen fünf Gebetszeiten besuchen. Für Frauen gilt die Kopftuchpflicht.

Auf der Liste des UNESCO-Welterbes

Sehenswert ist die Rotunde des Heiligen Georg, die in einem Innenhof im Stadtzentrum versteckt ist. Erbaut im 4. Jahrhundert von den Römern, mit Fresken aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert ist sie wohl das älteste Gebäude in ganz Sofia. Zu Recht hat sie es auf die Liste des UNESCO-Welterbes geschafft.

Auf dem Weg zum Flughafen hängen wir noch den vielen Eindrücken nach und jedem Einzelnen aus unserer Gruppe ist klar, dass wir von der reichen Geschichte des Landes nur einen Bruchteil gesehen und gehört haben.

Aber es reicht, um uns neugierig zu machen auf eine Fortsetzung. Zu verdanken ist dies vor allem der Reiseleiterin Bilyana Nikolova, die uns nicht nur mit Informationen versorgt hat, sondern Jahrhunderte, die das Land geprägt haben, in ihren Erzählungen lebendig werden ließ. Danke.

Fotos: Margrit Manz, Bulgarien Tourismus

HOTELS während der Rundreise:
https://strimon.bg/
http://belchin-garden.com/
https://www.spahotel103.bg/en
https://thefiveelementshotel.com/
https://kingsvalleyhotel.bg/
https://pavelbanyagrand.com/
https://hotelhissar.com/
http://residencecitygarden.com/

TEIL 1 über Bulgariens Slow Tourismus auch hier nachzulesen
Margrit Manz – China Report — Touristik International 2024

Margrit Manz ist Chefredakteurin und Herausgeberin des Online Portals China Report. Seit über 20 Jahren berichtet sie über Wirtschaftsbeziehungen und Kulturaustausch in China, informiert über Entwicklungen im internationalen Tourismus und regionaler Küche, rezensiert neue Bücher. Ihre Texte werden regelmäßig in Print- und Online-Magazinen in Deutschland, China und der Schweiz veröffentlicht. https://manz-chinareport.com Margrit Manz ist Mitglied des Präsidiums der Reisejournalistenvereinigung CTOUR.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert